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Stalins blutrünstiges Drängen auf tschechischen Schauprozess

Beim Slánský-Prozess gegen hochrangige Funktionäre der Kommunistischen Partei in der Tschechoslowakei wurden am 27. November 1952 elf Todesurteile ausgesprochen. Begleitet wurden die brutalen Ermittlungen von offen antisemitischen Parolen. Und auch das Versprechen von Milde bei einem Schuldeingeständnis der Angeklagten stellte sich später als perfide Lüge heraus.

Von Bert-Oliver Manig | 27.11.2012
    Prag, im April 1949: Ein Jahr nach der Machtergreifung der Kommunistischen Partei beauftragt das Politbüro der KPČ drei hohe Parteifunktionäre mit dem Aufbau eines Spezialgefängnisses für politische Häftlinge in Ruzyně bei Prag. Niemand ahnt, dass alle drei - der Generalsekretär Rudolf Slánský, sein Stellvertreter Josef Frank und der Sicherheitschef Karel Šváb - später selbst in Ruzyně unter Folter Geständnisse ablegen werden. Dort wird man auch den willensstarken Slánský um jede Selbstachtung bringen:

    "Ich kam in die Arbeiterbewegung als ein Mensch von bourgeoiser Herkunft. Mein Vater war ein wohlhabender Händler auf dem Land. Ich wuchs im Milieu einer Kaufmannsfamilie auf, was meine Persönlichkeit und meinen Charakter geprägt hat. 1921 trat ich in die Kommunistische Partei voller kleinbürgerlicher Ansichten ein. Diese habe ich niemals aufgegeben. Ich habe bereits erwähnt, dass ich ein Opportunist war."

    Prag, im November 1952: Auf Drängen Stalins wird vor dem Staatsgerichtshof ein Schauprozess gegen missliebige Funktionäre der KPČ veranstaltet. Nach einem Jahr Isolationshaft mit permanentem Schlafentzug, endlosen Verhören und einem Selbstmordversuch spricht Rudolf Slánský sein zuvor auswendig gelerntes Schuldbekenntnis:

    "Ich habe feindliche Tätigkeit ausgeübt, ich habe Interessen der anglo-amerikanischen Imperialisten und der Beneš-Regierung vertreten, ich habe die Interessen des tschechoslowakischen Volkes verraten."

    Auch die anderen 13 Angeklagten im Prozess gegen das angebliche "Verschwörerzentrum" um Slánský bekannten sich schuldig, im Auftrag westlicher Regierungen durch Sabotage und Spionage auf den Sturz der sozialistischen Regierung in der Tschechoslowakei hingearbeitet zu haben.

    Die meisten Angeklagten hatten studiert, mehrere hatten im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft, einige den Krieg im westlichen Exil oder in deutschen KZs überlebt – in der Weltsicht Stalins wie in den Augen der Geheimpolizei und ihrer sowjetischen Berater waren all dies Verdachtsmomente. Elf der 14 Angeklagten waren zudem jüdischer Abstammung. In penetranter Weise hob die Staatsanwaltschaft die jüdische Herkunft der Angeklagten hervor und bezeichnete sie als "Kosmopoliten" und "Zionisten". Die offen antisemitische Tendenz des Prozesses, durch die er sich von vorangegangenen Schauprozessen in Ostmitteleuropa unterschied, war kalkuliert, denn in Moskau und Prag wollte man die anfängliche Unterstützung für die Staatsgründung Israels vergessen machen. Einer der Angeklagten war Eugen Löbl:

    "Um zu beweisen, dass sie gute Freunde der Araber sind, mussten sie sich als Antisemiten legitimieren. Seit dieser Zeit ist Antisemitismus ein Teil der sowjetischen Außenpolitik geworden. Und der Hintergrund dessen ist, Fuß zu fassen im Nahen Osten, um dadurch einen viel größeren Druck auszuüben auf den Westen und gegen Amerika."

    In erster Linie diente der Prager Schauprozess aber dazu, durch die drakonische Bestrafung und öffentliche Erniedrigung angeblicher Westagenten in der KPČ im Kalten Krieg absolute Treue zur Sowjetunion zu demonstrieren und jegliche Regung politischer Unabhängigkeit im Keim zu ersticken. Durch die Opferung seiner Weggefährten signalisierte der tschechoslowakische Staats- und Parteichef Klement Gottwald dem Kreml, dass auf ihn Verlass war.

    Am 27. November 1952 wurden sämtliche Angeklagten schuldig gesprochen - alle, auch die elf zum Tode Verurteilten, verzichteten darauf, Berufung einzulegen. Das Versprechen der Ermittler, die Partei werde die Kooperation der Beschuldigten mit Milde quittieren, erwies sich als perfide Lüge. Am 3. Dezember 1952 wurden die Todesurteile vollstreckt. Einer der drei Angeklagten, die mit einer lebenslangen Haftstrafe davonkamen und während des Prager Frühlings ihre Rehabilitierung erlebten, Artur London, urteilte rückblickend:

    "Der Druck der Sowjetunion war so: Man musste Todesurteile geben. Aber elf Todesurteile – das war schon die Verantwortung Gottwalds und des Politbüros. Und keiner von den elf wurde begnadigt. Das ist eine ganz große Verantwortung der tschechischen Partei."