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Stalking

Über zehn Prozent der Bevölkerung sind einmal im Leben von Stalking betroffen, hat eine Studie in Mannheim ergeben. Die Täter sind häufig abgewiesene Liebhaber. Das Phänomen ist noch relativ neu, auch für Psychologen und Psychiater, die verstärkt Stalking-Opfer behandeln müssen.

Von Carsten Schroeder | 30.11.2010
    Sind Stalker psychisch krank oder sind sie einfach nur unangenehme Zeitgenossen, die anderen Menschen nachstellen, sie belästigen, diffamieren und ihnen das Leben zur Hölle machen? Prof. Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim beschäftigt sich seit Jahren mit der Problematik:

    "Die Mehrzahl der Stalker ist nicht psychisch krank, 90 Prozent der Stalker sind strafrechtlich verantwortlich für das, was sie tun. Das sind Menschen, die wollen Macht und Kontrolle ausüben. Nur etwa zehn Prozent der Stalker, bei denen kann man eine psychische Krankheit diagnostizieren, die auch unter anderem die strafrechtliche Verantwortung beeinträchtigt, das können schizophrene Stalker sein oder Stalker mit schwerst ausgeprägter Persönlichkeitsstörung."
    Auch wenn 90 Prozent der Stalker nicht im engeren Sinne psychisch krank sind, so gibt es doch einige Wesensmerkmale, die sie auszeichnen:

    "Was die verbindet, ist häufig ein besonderer Bindungsstil, ein besitzergreifender Bindungsstil, kein partnerschaftlicher, sondern einer, in dem Kontrolle und Macht ausgeübt werden, und wenn der eine Partner sich irgendwann dieser Bindung oder Beziehung entzieht, dann setzen solche Muster ein, dass man versucht, den mit Gewalt oder auch mit Drohungen wieder zurückzubekommen."
    Das Leiden ihrer Opfer scheint Stalkern dabei völlig egal zu sein. Den nächtelangen Telefonterror, die Drohungen, Nachstellungen, Diffamierungen und manchmal sogar die tätlichen Angriffe halten viele Stalkingopfer nicht aus. Etwa ein Drittel von ihnen, so haben Untersuchungen ergeben, entwickelt schwere psychische Beeinträchtigungen, bis hin zu Depressionen oder Angsterkrankungen:

    "Die Mehrzahl der Opfer sind Frauen, und es gibt Frauen, die fallen komplett aus dem Leben heraus durch diese Stalking-Erfahrung, die wechseln die Wohnung, die wechseln den Arbeitsplatz, es gibt Menschen, die wechseln sogar den Kontinent, um dem Stalker zu entgehen, und besonders findige Stalker spüren sie dort auf und setzen ihr Verhalten fort. Also es gibt ganz extreme Verläufe, wo man sagen kann, der Stalker zerstört eigentlich das Leben eines Menschen."

    Was kann man präventiv tun, wenn sich eine Stalking-Situation entwickelt, wenn, zum Beispiel nach dem Ende einer Beziehung, einer der Partner mit Telefonterror und Nachstellungen beginnt? Als Erstes, so empfiehlt Prof. Harald Dreßing, müsse man sich selbst klar machen, dass Stalking vorliegt:

    "Und da ist die notwendige und einzige richtige Empfehlung, die man einem Betroffenen geben kann, dass er alle Kontaktangebote des Stalkers komplett ignoriert und auf keinen Fall in irgendeiner Weise den Telefonhörer abnimmt und mit dem Stalker wieder spricht, denn man nennt das in der Psychologie intermittierende Verstärkung, ich mache ein Beispiel: Ein Stalker ruft 100-mal an, Sie gehen 100-mal nicht an Telefon, aber beim 101-mal nehmen Sie doch wieder ab und sagen: Lass das doch bitte. Dann lernt der Stalker: Ich muss 100-mal anrufen, dann wird sie mich schon erhören."
    Wenn, was häufig vorkommt, der Stalker mit seinen Nachstellungen fortfährt, empfiehlt Dreßing, möglichst bald die Polizei einzuschalten:

    "Unsere Empfehlung ist, Polizei sehr früh einzuschalten, da haben wir auch Untersuchungen gemacht. Die Polizei macht in solchen Fällen häufig eine Gefährderansprache, das heißt, die gehen zu dem Stalker und sagen: Hör mal, das geht so nicht, das ist ein Straftatbestand, hör auf damit. Und unsere Untersuchungen zeigen, dass 60 bis 70 Prozent alle Stalkingfälle nach einer solchen Polizeiintervention aufhören."