Freitag, 29. März 2024

Archiv


Stammzellen für das Auge

Embryonale Stammzellen sind ethisch umstritten, geben aber Hoffnung auf neue Therapiemöglichkeiten. Studien dazu sind aber noch selten. Derzeit stehen Stammzellenstudien gegen Augenerkrankungen im Mittelpunkt des Interesses.

Von Michael Lange | 21.03.2012
    In drei Studien sollen in den USA und Großbritannien insgesamt 36 Patienten mit Zellen behandelt werden, die aus embryonalen Stammzellen hervorgegangen sind. Die Patienten leiden entweder an der vererbbaren Augenkrankheit Morbus Stargardt oder an der altersabhängigen Makula-Degeneration. Beide Krankheiten beginnen mit einem dunklen Fleck in der Mitte des Gesichtsfeldes, und dann lässt das Sehvermögen immer mehr nach.

    Die Forscher des amerikanischen Biotechnologie-Unternehmens Advanced Cell Technology, kurz ACT, haben aus menschlichen embryonalen Stammzellen retinale Pigment-Epithelzellen, sogenannte RPE-Zellen, hergestellt und ins Auge der Patienten gespritzt. RPE-Zellen liegen unter der Netzhaut und unterstützen die eigentlichen Sehzellen.

    Ungewöhnlich früh präsentierten die Wissenschaftler um ACT-Forschungschef Robert Lanza Zwischenergebnisse bei zwei Patienten.

    Bei beiden Patienten hat sich das Sehvermögen messbar verbessert. Die RPE-Zellen haben sich innerhalb von vier Monaten wie erhofft unter der Netzhaut eingenistet. Sie führten zu dieser Verbesserung, obwohl wir die Studie mit der kleinstmöglichen Dosis begonnen haben.

    Die im Fachblatt "The Lancet" präsentierten Daten stammen aus einer Studie der Phase 1 bis 2. Es geht darin noch nicht in erster Linie um die Wirksamkeit des Verfahrens. Vielmehr sollen Risiken erkannt oder möglichst ausgeschlossen werden.

    Für Tim Krohne, Wissenschaftler und Oberarzt an der Universitäts-Augenklinik Bonn steht deshalb ein anderes Ergebnis im Vordergrund.

    "Die ersten Daten deuten darauf hin, dass die Anwendung wirklich sicher sein könnte. Im weiteren Verlauf muss jetzt natürlich noch getestet werden, ob die Patienten auch davon profitieren, ob das Sehen in der Tat besser wird oder wenigstens stabilisiert werden kann, ob die Krankheit gestoppt werden kann."

    Gemeinsam mit Kollegen vom Scripps Research Institute in Kalifornien arbeitet Tim Krohne bereits an einer weiter entwickelten Stammzellentherapie gegen die altersabhängige Makula-Degeneration.

    Dabei setzt er nicht auf die ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen, sondern auf sogenannte IPS-Zellen: Induzierte pluripotente Stammzellen. IPS-Zellen lassen sich aus Hautzellen des Patienten züchten. Sie haben ähnliche Eigenschaften wie embryonale Stammzellen, sind aber ethisch unbedenklich und werden vom Immunsystem nicht abgestoßen, da es sich um körpereigene Zellen handelt.

    "Aus diesen Stammzellen kann dann im Labor der gewünschte Zelltyp der Sehzellschicht - in diesem Fall retinale Pigment-Epithel-Zellen - generiert werden, und dieses sozusagen patienteneigene Netzhautgewebe kann dem Patienten dann zurücktransplantiert werden, um den Fortlauf der Erkrankung möglicherweise zu stoppen."

    Bei Tierexperimenten mit erkrankten Ratten konnte Tim Krohne zeigen, dass die Zellen tatsächlich den fortschreitenden Verlust der Sehfähigkeit aufhalten können.

    Wahrscheinlich werden schon bald IPS-Zellen aus menschlichem Gewebe die embryonalen Stammzellen ablösen, räumt Robert Lanza vom Biotechnologieunternehmen ACT ein. Dennoch seien die Studien mit embryonalen Stammzellen wichtig, betont er.

    Die klinischen Studien mit embryonalen Stammzellen bereiten den Weg für die IPS-Zellen. Denn die sind noch nicht bereit für den Einsatz am Patienten. Da müssen noch Sicherheitsprobleme gelöst werden. Aber daran wird gearbeitet. Wir hoffen, dass wir bald auch Zellen aus IPS-Zellen am Patienten testen können. Vielleicht schon nächstes Jahr.

    Auch weitere klinische Studien mit embryonalen Stammzellen seien geplant, kündigt Robert Lanza an. In den nächsten Jahren müssen die hochgehandelten Zellen am Patienten beweisen, was sie können.