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Standpunkt
"Ein fester Bauch ist unser Gott"

Nicht nur die Kirchen, auch die Krankenkassen mahnen zum Fasten. Dabei achten alle doch schon das ganze Jahr auf Fitness und Body-Mass-Index. Wäre nicht Völlerei der wahre spirituelle Ausnahmezustand?

Von Christiane Florin | 03.03.2017
    Eine junge Frau beim Joggen.
    Neben Verzicht auf üppige Speisen gehört für viele Menschen auch Bewegung zur Fastenzeit dazu. (imago / Westend61)
    Fasten war einmal eine Kernbotschaft der Kirchen, mittlerweile kümmern sich die Krankenkassen darum. Die DAK zum Beispiel hat herausfinden lassen, dass mehr als die Hälfte der Deutschen, ob gläubig oder nicht, in den Tagen zwischen Aschermittwoch und Ostern auf irgendetwas verzichtet. Die beliebtesten Fastenobjekte sind Alkohol, Süßigkeiten und Fleisch, aber Auto und Handy holen auf. Die Kaufmännische Krankenkasse wiederum rät zum Maßhalten, nicht nur beim Essen, auch beim Verzichten. Höchstens ein-zwei Genussmittel solle man bleiben lassen, empfiehlt sie, sonst werde man schnell wieder rückfällig.
    Wobei: rückfällig wohin? Als ob der Rest des Jahres für brave Befolger krankenassenfinanzierter Tippsammlungen genussmittelprall wäre. Auch vor Aschermittwoch und nach Ostern lauten die Ratschläge: 2,5 Liter Wasser täglich, wenig gesättigte Fettsäuren, viel Bewegung, und vor jedem Biss in die al-dente-gekochte Vollkornpasta zwei ganz bewusste Atmer, mit oder ohne Amen. Eigentlich fallen im körperbetonten Ganzjahresentsagen die sieben Wochen kaum auf. Ein fester Bauch ist unser Gott, 365 Tage lang. Autsch, das war jetzt ein blöder Kalauer, der bei luthersensiblen Zuhörerinnen und Zuhörern Ohrenschmerzen verursacht. Und keine Kasse zahlt die Therapie. Pardon.
    Also ernsthaft: Wie kann Fasten ein Stachel im Fleisch sein, wenn nur Veganes auf dem Teller liegt? Wie geht Verzicht, wenn sich so viele ohnehin ständig im Namen der Fitness kasteien? Womöglich verhilft derzeit nicht das Fasten zu einem spirituellen Ausnahmezustand, sondern die Völlerei. Das ahnten schon die Schweizer Reformatoren um Zwingli. Die rebellierten im März 1522 mit einem Wurstessen gegen die Kirche. Allerdings provoziert so etwas heute keinen Kleriker mehr. Die katholischen Bischöfe der USA haben ganz tiefenentspannt bekannt gegeben, dass Hummer und andere edle Schalentiere in der Fastenzeit völlig okay sind. Mit Meer im Magen, wird der Kopf frei für interessante Gedanken.
    Eigentlich wollten wir an dieser Stelle sieben Wochen ohne Trump verbringen. Das geht aber nicht, jetzt, da er in der Nacht zum Aschermittwoch ausnahmsweise unverbissen vor dem Kongress gesprochen hat. Wahrscheinlich hat ihm die DAK eine Hummerkur spendiert.