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Staatsjubel XXL

Luther-Tomaten, Luther-Oper, Luther-Münzen: Kunstgewerbe statt Auseinandersetzung, moniert unser Kommentator. Das Reformationsgedenken hat noch gar nicht richtig angefangen, da machen sich in Wittenberg schon Ermüdungserscheinungen bemerkbar.

Von Christoph D. Richter | 26.10.2016
    Im Kreuzgang des Augustinerklosters präsentiert eine Frau am 12.07.2016 in Erfurt (Thüringen) ein Tablet, auf dessen Bildschirm die neue Luther-App zu sehen ist. Sie wurde am selben Tag von der Thüringer Tourismus GmbH (TTG) vorgestellt.
    Smartphone-App für Luther-Touristen wird in Erfurt vorgestellt. (dpa / picture alliance / )
    Königin Margarethe aus Dänemark, König Carl Gustav aus Schweden: Der Adel gibt sich in Wittenberg die Klinke in die Hand, Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff freut‘s. Das 500. Reformationsjubiläum: Es hält Hof in der Lutherstadt Wittenberg. Und man hört fast das Grummeln aus der Gruft in der Schlosskirche Wittenberg, dort wo Luthers sterbliche Reste begraben sind.
    Das Reformationsjubiläum wird zu einem mächtigen PR-Tourismus-Marketing Event, zu einem großen Staatsakt gemacht. Dutzende Ausstellungen, Luther-Tomaten, Luther-Oper, Luther-Münzen, eine Luther-App: Kunstgewerbe statt Auseinandersetzung. Die Reformationsfeierlichkeiten zum 500. Jahrestag werden musealisiert, zu einer Event-Maschinerie hochgejazzt. Aktuelle Aspekte der Reformation – wie die Selbstertüchtigung, das Ankämpfen der Menschen gegen Entmündigung, Demütigung und Bevormundung – bleiben außen vor. Genau das ist es, was die Reformation heute den Kirchenmännern – Frauen sind es ja kaum - sagen könnte: Seid Seelsorger und Kümmerer für die Erschöpften, gebt ihnen – in der Öffentlichkeit – eine wirkmächtige, laute, klare, vielleicht auch mal polternde Stimme. Macht das, was die Politik versäumt. Stattdessen setzen sich die Kirchenoberen an die fein gedeckten Gala-Tische der Staatskanzleien, zelebrieren Häppchenkultur, feiern Gottesdienste mit Königen und Königinnen; sie könnten sich einfach mal an die Mittagstische der Bürger zu begeben, um ihnen dort – wie Luther vielleicht sagen würde - aufs Maul zu schauen.
    Das stößt den Menschen bitter auf, beispielsweise in Sachsen-Anhalt, bis heute als eine der weltweit entkirchlichsten Regionen. Da hat die DDR ganze Arbeit geleistet. Aber auch, weil die Menschen erleben, dass die Reformations-Feier der Amtskirche lediglich nach innen gerichtet ist. An einen elitär erlauchten Kreis. Statt Inklusion betreibt die Kirche Exklusion.
    Dabei bräuchten gerade die Menschen im Osten Deutschlands die Kirche als eine überparteiliche Stimme, die ihnen laut sagt, was für eine Kraft in der Freiheit, in der offenen Gesellschaft steckt. Doch das passiert nicht.
    Stattdessen ist aus dem Reformations-Jubiläum ein großes Kirchensanierungsprogramm geworden, ein Fest der Superlative. Problematisch auch die Nähe zwischen Staat – der laut Grundgesetz zur religiösen Neutralität aufgerufen ist - und der evangelischen Kirche. Das reicht bis in die höchsten Gremien, so wurde im Bundestag der bundesweit einmalige Reformations-Feiertag 2017 beschlossen. Wie bedenklich nahe sich Staat und Kirche kommen, wird im Kuratorium "Luther 2017" überdeutlich. Versammelt sind dort ein illustrer Kreis, neben der Spitze der EKD wie Mitteldeutschlands Landesbischöfin Ilse Junkermann, sitzen Außenminister Frank-Walter-Steinmeier, Innenminister Thomas de Maizière, Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow oder der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio.
    Zum Vorschein kommt ein Elitenprojekt. In Luthers-Predigerkirche, in St. Marien in Wittenberg, mussten bereits die sommerlichen Orgelkonzerte eingestellt werden. Kein Geld heißt es, weil die Kosten für das Reformationsjubiläum jetzt schon deutlich überschritten wurden.