Mittwoch, 24. April 2024

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Starke Einschnitte

Große Geister alle Arten,

Von Axel Brower-Rabinowitsch | 03.01.2005
    ja die sprüh'n nur so vor neuen Taten,
    Agenda zehn in ihrem Lauf,
    halten weder Ochs noch Esel auf.
    Rulla, rulla, rullala,
    rulla, rulla, rullala:
    Agenda zehn in ihrem Lauf,
    halten weder Ochs noch Esel auf.

    Doch es gibt Alternativen – mmmh –
    wissenschaftlich ausgewiesen,
    Clement in die Produktion
    für 'nen Euro Stundenlohn.
    Rulla, rulla, rullala,
    rulla, rulla, rullala:
    Clement in die Produktion
    für 'nen Euro Stundenlohn.
    (Spottlied von Gerald Wolf)

    Der bissige Berliner Kabarettist Gerald Wolf singt Lieder, die den Betroffenen aus dem Herzen sprechen. Denn die Stimmung ist schlecht. Für viele bedeutet das Arbeitslosengeld II so starke finanzielle Einschnitte, dass sie nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt künftig angemessen bestreiten sollen.

    Der 47-jährige Hinrich Garms, der vor fünfeinhalb Jahren seinen Job im Wissenschaftsbereich verlor, ist einer der Betroffenen. Garms, der bisher Arbeitslosenhilfe bezog, rechnet vor, womit er künftig monatlich auskommen muss:

    Ja, das ist klar: 345 Euro plus etwa 180 Euro für Miete. Da wird noch das Wasser herausgerechnet. Und das ist es dann. Im Moment werde ich noch dagegen protestieren. Und umziehen muss ich wahrscheinlich nicht, weil ich schon einen Untermieter habe. Das heißt, da wird das Amt auch nichts dagegen haben. Mit der Miete gibt es keine Probleme. 345 Euro sind kein Pappenstiel, insbesondere, wenn man noch ein Kind ernähren muss. Ich weiß auch nicht, wie es weiter geht.

    Denn das sei nur noch ein gutes Drittel dessen, was ihm die Arbeitslosenhilfe bisher zahle. Während arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger in aller Regel keine Einbußen haben, oft sogar etwas besser als bisher wegkommen, müssen viele Bezieher von Arbeitslosenhilfe erhebliche Abschläge verkraften. Das hängt damit zusammen, dass sich die Arbeitslosenhilfe nach der Höhe des vorher gezahlten Arbeitslosengeldes richtet und das wiederum nach dem früheren Arbeitseinkommen. Wer gut verdient hatte, erhielt deshalb eine Arbeitslosenhilfe, die deutlich über dem Sozialhilfesatz lag, der jetzt für das Arbeitslosengeld II – kurz ALG II genannt - maßgeblich ist. Je höher also das Einkommen vor der Arbeitslosigkeit war, desto tiefer ist nun der Absturz durch Hartz IV.

    Hartz IV ist nicht nur das Wort des Jahres 2004, es ist von jetzt an Realität für rund zweieinhalb Millionen Langzeitarbeitslose und ihre Angehörigen. Weitere voraussichtlich 200.000 Betroffene erhalten entweder keine Leistungen mehr, weil sie oder ihre Partner ein zu hohes Vermögen haben, das sie zuerst einsetzen müssen, oder weil sie von vornherein den Antrag auf ALG II nicht eingereicht haben. Das Arbeitslosengeld II legt die bisherige Sozialhilfe für arbeitsfähige Bezieher und die Arbeitslosenhilfe zusammen und beträgt für Alleinstehende 345 Euro im Westen und 331 Euro im Osten. Für Paare gibt es 622, beziehungsweise 596 Euro.

    Hinzu kommen die Wohnkosten samt Heizung, Kinderzuschläge und Aufstockungsbeträge für jene früheren Bezieher von Arbeitslosenhilfe, die sonst zu große Einschnitte hinnehmen müssten. Sie sind allerdings auf zwei Jahre nach Zahlung der ersten Arbeitslosenhilfe begrenzt und halbieren sich nach dem ersten Jahr. Wer schon mehrere Jahre ohne Arbeit ist, profitiert davon also nur kurz oder gar nicht.

    Grundsätzlich gilt, dass man – wie heute schon in der Sozialhilfe – eigenes Vermögen einsetzen muss, bevor man das ALG II erhält. Nicht eingerechnet werden dabei Wohneigentum, ein angemessenes Auto und sonstige Rücklagen, sofern sie die Freibeträge nicht überschreiten. Die betragen je Kind 4100 Euro und für ein älteres Ehepaar zum Beispiel bis zu 33.800 Euro. Die Gewerkschaften monieren aber, dass Betriebsrenten aufgelöst und eingesetzt werden müssen. Das widerspreche der Forderung aller Parteien, private Altersvorsorge zu betreiben.

    Wie bisher in der Sozialhilfe erstatten die Kommunen über das Arbeitslosengeld II die Kosten für eine angemessene Wohnung. Die Höhe richtet sich nach Größe und Miete. Notfalls muss der Betroffene innerhalb des ersten Halbjahres 2005 in eine kleinere oder günstigere Wohnung umziehen. Daniela Meznarc, die in der Arbeitsagentur Berlin Mitte die Anträge auf ALG II bearbeitet, erläutert allerdings:

    Wir haben ja auch die Dienstanweisung erhalten, dass wir jetzt vorerst die Leute nicht dazu auffordern, umzuziehen. Das wäre ein zu hoher Arbeitsaufwand. Wir müssten ja dann auch die Umzugskosten, eventuell Mietkautionen übernehmen. Wir machen das jetzt auch nicht direkt fest an der Quadratmeterzahl. Da haben wir ja auch einen bestimmten Richtwert – für eine Person liegt er bei 50 qm maximal. Und wir überprüfen aber in erster Linie: Ist die Wohnung wirklich von der Kaltmiete her angemessen. Wenn ja, dann ist uns das eigentlich auch im Prinzip egal, wie groß die Wohnung ist. Wichtig ist halt für uns nur, dass diese Mietobergrenze nicht überschritten wird.

    Die meisten Experten erwarten deshalb keine Umzugswelle, obwohl bei Umzügen noch ein halbes Jahr Galgenfrist gewährt wird. Arbeitsfähige Bezieher von Sozialhilfe sind ohnehin nicht betroffen, denn für sie galten die Auflagen bei der Wohnung bereits. Auch die lange gehegte Befürchtung, die Anträge könnten nicht rechtzeitig bearbeitet und das ALG II würde somit Hunderttausenden Anfang Januar nicht ausgezahlt werden, ist dann gegen Ende Dezember bei den meisten Beteiligten verflogen. Wer vor Weihnachten noch den 16-seitigen Antrag vollständig ausgefüllt abgeliefert hat, erhält sein Geld pünktlich. Wer später kommt, dem wird nach Prüfung eine Abschlagzahlung überwiesen. Peter Clever, von den Arbeitgebern entsandter Verwaltungsratschef, lobte denn auch den in vielen Überstunden erreichten Stand bei der Bundesagentur für Arbeit:

    Sie hat sich einer fast unlösbaren Aufgabe mit einer enormen Energie gewidmet, so dass ich jetzt auch davon ausgehe, dass wir nicht perfekt, aber mit Rumpeln den Einstieg in die Auszahlung von Hartz IV hinkriegen.

    Abgelehnt wurden bisher knapp acht Prozent der Anträge. Das sind mehr als 120.000 Langzeitarbeitslose, die wegen ihrer eigenen Vermögensverhältnisse oder der ihrer Partner gar keine Leistungen mehr erhalten. Man hatte mit einer deutlich höheren Quote gerechnet. Auch die Zahl der Einsprüche gegen ergangene Arbeitslosengeld-II-Bescheide liegt nach bisherigen Erhebungen deutlich unter einem Prozent – und das, obwohl nach Auskunft der Bearbeiter mehr als die Hälfte der Anträge anfangs nur unvollständig ausgefüllt war.

    Am Ende, wie gesagt, erhalten über 90 Prozent der Antragsteller dennoch das Arbeitslosengeld II. Da das ALG II vom Bund als Fürsorgeleistung – wie bisher schon die Arbeitslosenhilfe – bezahlt wird, entsteht hier ein neues Risiko für den Bundeshaushalt, weil man deutlich weniger Leistungsbezieher erwartet hatte. Das gilt umso mehr, als ja gleichzeitig die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld drastisch auf generell zwölf, für ältere Arbeitslose auf 18 Monate verkürzt wird. Damit rutschen Arbeitslose künftig viel schneller als früher in die Arbeitslosenhilfe, beziehungsweise in das Arbeitslosengeld II.

    Vergeblich haben Gewerkschaften, aber auch die SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen längere Übergangszeiten gefordert – auch weil die neue Regelung den älteren Arbeitslosen den Übergang in die Frühverrentung erschwert. Wegen des kürzeren Bezugs von Arbeitslosengeld wird die zeitliche Lücke zwischen dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes und dem Beginn der Frühverrentung immer größer. Die Wenigsten aber könnten es sich wegen der hohen Abzüge leisten, vier oder fünf Jahre vor der Altersgrenze von 65 Jahren in Rente zu gehen. Die Gewerkschaften kritisieren deshalb, dass ältere Langzeitarbeitslose die größten Nachteile durch Hartz IV hätten.

    Vorteile haben dagegen die meisten arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger: Erstmals werden für sie Sozialabgaben gezahlt. Und erstmals werden sie in die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagenturen einbezogen. Für bisherige Sozialhilfebezieher sind – anders als für Arbeitslosenhilfebezieher - die so heftig diskutierten Ein-Euro-Jobs nichts Neues. 350.000 solcher Arbeitsgelegenheiten bieten Kommunen und Kreise seit längerer Zeit schon ganz unabhängig von Hartz IV an.

    Diese Jobs, die mit bis zu zwei Euro die Stunde bezahlt werden können, sollen ebenso wie andere Eingliederungshilfen, verstärkt angeboten werden. Langzeitarbeitslosen, die Arbeitsangebote ablehnen, wird das ALG II für drei Monate um 100 Euro gekürzt. Jedem jungen Arbeitslosen bis zu 25 Jahren muss ein Angebot unterbreitet werden - dazu zählen auch Ausbildungsplätze oder berufsvorbereitende Maßnahmen. Die Zumutbarkeit einer Arbeitsaufnahme wurde für beide Gruppen verschärft: Neben Ein-Euro-Jobs müssen alle Angebote angenommen werden, die bis zu 30 Prozent unter ortsüblichem Lohn liegen.

    Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement hofft auf bis zu 650.000 Ein-Euro-Jobs in diesem Jahr. Das scheint deutlich zu hoch gegriffen. Zwar berichten manche Sozialämter und Arbeitsagenturen, dass sich immer mehr Langzeitarbeitslose für diese Jobs melden, aber noch ist das Angebot sehr begrenzt – in Berlin waren es bisher rund 8000. Hinrich Garms jedenfalls hat schon lange keine Jobangebote mehr erhalten:

    Nein, aber ich hatte zwei sehr schöne Fortbildungsmaßnahmen, in denen ich gelernt habe, wie man den Computer an- und ausschaltet. Das konnte ich auch schon vorher, weil ich es mir selber beigebracht habe vor acht Jahren.

    Auch ein 49-jähriger Berliner Diplom-Verwaltungswirt, der vor eineinhalb Jahren den Job verlor und seinen Namen lieber nicht nennen möchte, hat ähnlich negative Erfahrungen gemacht. Realistische Angebote oder Ein-Euro-Jobs habe er von der Arbeitsagentur bisher nicht erhalten – schon gar nicht, seitdem die Ämter mit der Bearbeitung der Hartz-IV-Anträge offenbar heillos überlastet seien:

    Die sind ja jetzt mit sich selbst beschäftigt - schon seit Ewigkeiten – mit Stellenangebote nicht. Oder es waren "nur" 120 Bewerbungen. Das heißt also: Man hat irgendetwas zugeschickt gekriegt, 120 Stück waren vor einem schon da. Und da war die Auswahl natürlich denn schon vollzogen.

    Genau das war auch die Kritik von Peter Clever. Wegen der Belastung vor allem durch Hartz IV habe es bei der groß angekündigten Organisationsreform der Arbeitsagenturen in Sachen Vermittlung bisher keinerlei Fortschritte gegeben. Im Gegenteil: Die Zahl der Vermittlungen sei sogar um rund ein Viertel gesunken, monierte er. Das hat zwar teilweise auch statistische Gründe – etwa weil Jobvermittlung über ausliegende Angebote oder den Internetservice der Arbeitagenturen nicht mehr gezählt werden. Aber selbst Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement räumte ein, dass manches notgedrungen liegen bleiben muss im Zuge des Reformprozesses. Dennoch bekundete er durchaus Sympathie für die Forderung von SPD-Chef Franz Müntefering nach Ablösung Peter Clevers :

    In jedem Unternehmen, in dem der Aufsichtsratsvorsitzende - oder wie hier der Verwaltungsratsvorsitzende - sich öffentlich auslässt über das Unternehmen, bei dem er tätig ist, der würde sofort gehen müssen. Tatsächlich ist es natürlich so: Wir sind mitten in der Umstellung, wir bauen alles um in der Bundesagentur. Dass dabei nicht alles so weiter läuft punktgenau wie im Jahr zuvor, das ist klar. Wir bereiten ja die größte Reform vor, die es je gegeben hat. Dass dabei anderes nicht mit der gleichen Kraft betrieben werden kann, das sagt ja die menschliche Logik - schlicht und ergreifend. Es findet ja nicht nur Vermittlung statt. Es findet Zeitarbeit statt, Personalserviceagentur, Leiharbeit, Minijobs. Um das alles, um Trainingsmaßnahmen und so weiter, kümmert sich die Bundesagentur. Es geht also nicht allein um die Vermittlungsarbeit, sondern um dieses ganze Paket, das bewältigt werden muss.
    Während viele hoffen, sich mit Ein-Euro-Jobs wenigstens ein Taschengeld nebenher verdienen zu können, will sich der Verwaltungswirt mit dieser Art von Beschäftigung nicht anfreunden. Zwar räumte er ein, dass er natürlich ein solches Angebot annehmen würde, weil andernfalls das sowieso geringe Arbeitslosengeld II gestrichen würde. Aber er hat sich schon überlegt, wie man die Billigjobs aushebeln könnte:

    Ich würde dann gucken, wie sind die Arbeits- und Lebensbedingungen dort, und würde dann gegen die verantwortlichen Leiter unter Umständen Strafanzeige stellen. Das heißt also, wenn das Arbeitszeitgesetz nicht eingehalten wird, und das Urlaubsgesetz oder das Arbeitsstättengesetz nicht eingehalten wird, dann kann man natürlich einige Maßnahmen gegen diese entsprechenden Leute machen.

    Als Verwaltungswirt kennt er natürlich die gesetzlichen Vorschriften. Aber die Chance, dass er einen Ein-Euro-Job erhält, ist nicht so groß. Immerhin wurden 2,7 Millionen Anträge auf Arbeitslosengeld II verschickt. Auch wenn einige Zehntausend Betroffene die Anträge nicht zurückgeben, weil sie entweder ein zu hohes Vermögen haben oder lieber schwarzarbeiten als Gefahr zu laufen, für einen Euro Stundenlohn zusätzlich zu ALG II jobben zu müssen, werden die Billigjobs nicht vom Himmel fallen. Selbst wenn sich die Hoffnung von Clement erfüllen sollte, dass 650.000 geschaffen werden, würde nicht einmal jeder vierte Langzeitarbeitslose davon profitieren. Aber Clements Zahl halten die Kommunen sowieso für illusorisch. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund:

    Es wird sicherlich über 100.000 geben. Ob wir die Zahl von den 650.000 erreichen innerhalb eines Jahres, das halte ich nicht für sehr realistisch; wobei Clement ja bei den 650 auch die 350.000, die jetzt schon bestehen, wohl mitgerechnet hat.

    Derartige Kritik brachte Clement immer wieder auf die Palme. Monatelang reiste er durchs Land und erläuterte den Menschen die Vorteile von Hartz IV. Dabei setzte er – vor allem in den neuen Bundesländern mit ihrer rapide steigenden Zahl an Langzeitarbeitslosen - vorrangig auf Ein-Euro-Jobs. Es gehe voran, betonte der Minister immer wieder im vergangenen Jahr:

    Es werden überall Menschen in diese Zusatzjobs vermittelt. Und das ist auch gut so. Wir brauchen das, damit die Menschen später über diese Stufe in den ersten Arbeitsmarkt kommen können. Und für viele ist das eine Rettung. Viele Menschen sind sehr dankbar, dass das stattfindet. Schauen sich die Zahlen an in Ostdeutschland. Wir haben jetzt schon über 60.000 drin. Also dass wir im nächsten Jahr über 100.0000 kommen, ist selbstverständlich.

    Dass diese zeitlich begrenzten Hilfsarbeiten tatsächlich eine Brücke zur regulären Beschäftigung sein können, bezweifeln allerdings manche Experten. Es sei eher eine sinnvolle Wiedergewöhnung an Arbeit. Aber um die von der Wirtschaft angebotenen Jobs konkurrieren die Langzeitarbeitslosen mit denen, die erst kurz arbeitslos sind und deshalb bessere Chancen haben. Das gilt umso mehr, als sich überall im Land Arbeitsagenturen und Sozialämter mit Wirtschaft und Gewerkschaften darauf verständigen, dass die Arbeitsgelegenheiten nicht zur Konkurrenz für bestehende Arbeitsplätze werden, die dann vielleicht sogar gegen Billigjobs für Langzeitarbeitslose abgebaut würden. Was dann noch an Möglichkeiten für die Langzeitarbeitslosen übrig bleibt, erläutert Landsberg:

    Das ist der Bereich des Umweltschutzes, das ist der Bereich der Altenpflege, der Jugendhilfe. Wenn Sie sich die Schulen anschauen: Wir haben im Integrationsbereich Defizite, wo in einer Klasse von 30 Schülern 20 die deutsche Sprache nicht annähernd beherrschen. Dann ist es natürlich sinnvoll, zusätzlich eine arbeitslose Erzieherin einzustellen, damit sie diese Kinder mit betreut. Das qualifiziert sie, das nützt der Sache, das nimmt niemandem einen Arbeitsplatz weg, weil weder die Kommunen noch die Länder das Geld haben, das erforderliche Personal einzustellen.

    Der DGB mag an die Segnungen der Ein-Euro-Jobs nicht glauben. Hier würden Qualifikationen vernichtet, wenn man gut ausgebildete Langzeitarbeitslose mit Hilfstätigkeiten beschäftige. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer nennt ein weiteres Problem:

    Wir befürchten vor allem eben einen Druck auf die Löhne und eine weitere Schwächung der Binnenkonjunktur und damit nur noch höhere Arbeitslosigkeit, und die Festschreibung von einer Spirale nach unten, die niemandem nutzt – schon gar nicht der Bundesrepublik als einem Land, das über gute Leistungen und gute Produkte den Wohlstand erarbeitet und nicht durch massenhafte Niedriglohnsektoren.

    Das sehen natürlich Bundesregierung und Arbeitgeber ganz anders. Die Arbeitsmarktreformen stehen unter dem Motto "fordern und fördern". Auch von den Langzeitarbeitslosen wird erwartet, dass sie sich selbst um Beschäftigungsmöglichkeiten kümmern. Eingliederungspläne sollen dabei helfen. Die Zahl der Vermittler in den Arbeitsgemeinschaften aus Arbeitsagenturen und Sozialämtern sowie den 69 Kreisen und Kommunen, die die Langzeitarbeitslosen allein betreuen, liegt deutlich höher als in den anderen Bereichen der Arbeitsagenturen. Natürlich brauchen die Arbeitsgemeinschaften noch einige Monate Zeit, räumt Clever ein, betont aber:

    Wenn dann sehr rasch auch die Förderungsleistung, die Vermittlung nach oben gefahren wird, dann glaube ich, ist das sogar ein Beitrag zur sozialen Befriedung in unserem Land, weil es zu mehr Beschäftigung führt.

    Die Erwartungen von Arbeitgebern und Gewerkschaften in Sachen Beschäftigungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose durch Hartz IV widersprechen sich also diametral. Geht man allein von der Statistik aus, dann wird Hartz IV erst einmal die Arbeitslosenzahlen kräftig nach oben treiben, wie Wolfgang Wiegard, Vorsitzender der fünf Wirtschaftsweisen erläutert:

    Wir gehen davon aus, dass im Februar, möglicherweise auch schon im Januar die Zahl der registrierten Arbeitslosen auf über fünf Millionen ansteigen wird. Es ist wirklich ein rein statistischer Effekt, bedingt dadurch dass etwa 330.000 erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger, die gegenwärtig nicht als arbeitslos registriert sind, in die Arbeitslosenstatistik eingebucht werden.

    Tatsächlich steigt die Arbeitslosigkeit dadurch nicht – außer auf dem Papier. Es kommt dennoch entscheidend darauf an, ob es wirklich gelingt, neben den jugendlichen Arbeitslosen, für die ja Angebote vorgeschrieben sind, eine nennenswerte Zahl von älteren Langzeitarbeitslosen in Beschäftigung, Qualifikation, befristete Arbeitsverhältnisse oder Ein-Euro-Jobs zu vermitteln. Misslingt das, wird Hartz IV für lange Zeit die Arbeitslosenstatistik trüben und den Bundeshaushalt finanziell belasten.

    Minister Clement, der sein Schicksal mehrfach eng mit dem Erfolg der Arbeitsmarktreformen verknüpft hat und den der Bundeskanzler persönlich für das Gelingen verantwortlich macht, erwartet aber im laufenden Jahr einen Aufschwung am Arbeitsmarkt.