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Start der Fußball-Bundesliga
"Ohne signifikante Impfquote werden wir Schwierigkeiten bekommen"

Der 1. FC Köln lässt nur noch Geimpfte und Genesene ins Stadion. Die vielen geimpften Fans erwarteten Lösungen, um perspektivisch wieder ein „volles Haus“ erleben zu können, sagte der Geschäftsführer des Fußballvereins, Alexander Wehrle, im Dlf. Ohne signifikante Impfquote bestehe wieder Lockdown-Gefahr.

Alexander Wehrle im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 12.08.2021
Alexander Wehrle ist Geschäftsführer des 1. FC Köln
Alexander Wehrle ist Geschäftsführer des 1. FC Köln (picture alliance / Geisler-Fotopress/ Christoph Hardt)
Als erster Bundesligist will der 1. FC Köln ab dem zweiten Heimspiel nur noch Geimpfte und Genesene in sein Stadion lassen. Ein negatives Testergebnis reicht dann nicht mehr für den Zugang aus. Die Entscheidung hat eine Diskussion über einheitliche Beschränkungen für Stadionbesuche ausgelöst. Der Geschäftsführer des 1. FC Köln, Alexander Wehrle, erklärte den Schritt im Deutschlandfunk mit einer Verantwortung des Vereins denjenigen gegenüber, die gerne wieder ins Stadion gehen würden. Der Ansatz, dass Genesene und Geimpfte unter freiem Himmel und unter Einhaltung eines Hygienekonzeptes zusammenkommen, ermögliche perspektivisch Planungssicherheit und ein volles Stadion, sagte Wehrle im Dlf. Das Feedback der Fans sei positiv.
Wehrle ist auch Präsidiumsmitglied der Deutschen Fußball Liga, der Interessenvertretung der Clubs aus der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga. Das Impfen sei der entscheidende Faktor zurück in eine sich verändernde Normalität im Umgang mit Corona, so Wehrle. Darin seien sich alle 36 Clubs der DFL einig.
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Das Interview im Wortlaut:
Jörg Münchenberg: Herr Wehrle, nur noch Geimpfte und Genesene dürfen ins Stadion des 1. FC Köln bei Heimspielen kommen. Warum diese harte Maßnahme?
Alexander Wehrle: Zunächst gibt es natürlich auch Ausnahmen. Die 6- bis 16-Jährigen und die Fans, die aus medizinischen Gründen sich nicht impfen lassen, werden weiterhin auch mit Tests in Rheinenergie-Stadion gehen können. Aber wir haben lange und intensiv diskutiert und wir haben schon auch eine Verantwortung gegenüber den vielen, vielen FC-Fans, die geimpft sind und die von uns auch Lösungen und Maßnahmen erwarten, damit wir perspektivisch auch wieder ein volles Haus in Köln erleben können. Von daher haben wir uns für das zweite Heimspiel für diese Maßnahme entschieden.
Aber man darf auch nicht vergessen, dass die Politik eigentlich schon vorgibt (zumindest in Nordrhein-Westfalen), dass bei einer Inzidenz von über 35 – und da sind wir in Köln deutlich; wir sind heute bei 50,4 – von den 16.5000, die dann zugelassen sind, 15.500 bereits genesen und geimpft sein müssen. Das heißt, es sind so oder so nur tausend Fans zugelassen, die mit einem Test kommen könnten. Wenn man davon die Kinder, die 6- bis 16-Jährigen, und die mit medizinischen Gründen abzieht, dann würde auch nicht mehr viel übrig bleiben an Personen, die mit Tests reinkommen dürfen.

"Sport und Kultur benötigen Planungssicherheit"

Münchenberg: Trotzdem wollte die Politik diesen Schritt nicht so weit gehen, sich auf eine Impfpflicht zu verständigen. Sind Bund und Länder am Ende doch zu zögerlich?
Wehrle: Ich glaube, wir sind uns nahezu alle einig, dass wir ohne signifikante Impfquote Schwierigkeiten bekommen werden – nicht nur der organisierte professionelle Sport in Deutschland oder die Kultur -, sondern die Gefahr bestünde ja schon, wenn wir keine signifikante Impfquote bekommen, dass wir uns dann von Lockdown zu Lockdown hangeln, und das ist ja auch keine Perspektive. Denn Kultur, Sport, aber auch andere Einrichtungen benötigen wirklich perspektivische Planungssicherheit und da ist unser Ansatz schon der, dass wir sagen, wenn Genesene und Geimpfte unter freiem Himmel, mit Abstand, mit einem Hygienekonzept, mit der Nachvollziehbarkeit der Infektionsketten, dann muss es auch möglich sein aus unserer Sicht, perspektivisch wieder auch ein volles Haus zu haben.
Münchenberg: Haben Sie denn schon eine Rückmeldung von den Fans bekommen?
Wehrle: Ja, selbstverständlich! Wir haben am Freitag auch alle 25.000 Dauerkarteninhaber angeschrieben und es ist schon eine Diskussion entstanden. Allerdings kriegen wir erfreulicherweise positives Feedback. Wir haben 113.000 Mitglieder und bislang haben sich 71 dazu entschieden, ihre Mitgliedschaft zu kündigen beziehungsweise haben es angekündigt. Mit denen gehen wir natürlich auch in einen Dialog, denn jede Kündigung schmerzt. Wir versuchen, auch unsere Gründe noch mal im Detail darzulegen. Aber in der Verhältnismäßigkeit bei 113.000 Mitgliedern und 71 Kündigungen: Wenn wir einen Trainer entlassen, dann haben wir immer zwischen 250 und 500 Kündigungen.

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"Erwartungshaltung, dass die Spieler sich impfen lassen"

Münchenberg: Ein klares Votum. Herr Wehrle, noch mal die Frage: Jetzt haben wir über die Zuschauer gesprochen - was ist eigentlich mit den Spielern? Dürfen beim 1. FC Köln auch nur noch geimpfte Spieler aufs Feld?
Wehrle: Es ist ja so, dass wir nahezu alle Spieler geimpft haben. Das ist eine persönliche, das ist eine individuelle Entscheidung natürlich auch bei den Spielern. Aber wir haben klar gesagt – und das wissen die Spieler auch; das hat Christian Seifert, der Chef der Deutschen Fußball Liga, in einem Brief an alle Clubs kommentiert -, dass die Erwartungshaltung schon ist, wenn wir in den Spielbetrieb reinkommen wollen, wo es keine Verlegungen mehr gibt, dass die Spieler sich dann auch impfen lassen sollten.

"Nicht nur an Inzidenz als Referenzgröße festhalten"

Münchenberg: Nun ist ja der 1. FC Köln vorgeprescht. Die anderen Clubs sind da deutlich zurückhaltender. Wäre es nicht viel besser gewesen, man hätte sich hier auf eine einheitliche Vorgehensweise vorab geeinigt?
Wehrle: Grundsätzlich ist eine einheitliche Vorgehensweise immer gut. Wir haben im Vorfeld aber auch Gespräche geführt, auch mit Politik, und sind dann intern zur Entscheidung gekommen, dass wir dieses Zeichen setzen wollen, weil wir eine Verantwortung denen gegenüber haben, die gerne wieder ins Stadion gehen würden. Wir sind nun mal jetzt beschränkt. Die Politik hat das vorgegeben. Natürlich wünschen wir uns auch von der Politik – das haben wir auch klar kommuniziert -, dass wir perspektivisch nicht nur an der Inzidenz als Referenzgröße festhalten können, sondern dass auch die Hospitalisierungsrate und die Impfquote möglichst in eine neue Kennziffer mit überführt wird. Daran würden wir dann schon eine Volllast mit 2G messen. Deswegen hoffen wir und wünschen wir uns, dass man zumindest in der nächsten Corona-Schutzverordnung – nicht die am 19. 8. von den Ländern, sondern die danach – nicht mehr nur an der Inzidenz hängt. Baden-Württemberg hat das, glaube ich, gestern vorgemacht. Da ist die Inzidenz nicht mehr Referenzgröße. Aber perspektivisch müssen wir da auch andere Kennziffern hinzunehmen, denn eins ist doch klar: Über allem steht die Stabilität des Gesundheitssystems. Wir wollen jetzt als Fußball auch nicht fordern, dass wir 2G und ein volles Haus haben, wenn dabei die Intensivstationen überlaufen. Deswegen ist die Hospitalisierungsrate aus unserer Sicht ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Deswegen sagen wir, nicht nur die Inzidenz, sondern auch das muss im Zusammenhang mit 2G eine Rolle spielen.
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"Das Impfen ist der entscheidende Faktor"

Münchenberg: Herr Wehrle, Sie haben ja trotzdem beide Hüte auf, sind Geschäftsführer des 1. FC Köln, Sie sind aber auch im Präsidium der Fußball Liga. Da stellt sich die Frage: Wie kontrovers wird das Thema dort diskutiert?
Wehrle: Alle 36 Clubs sind sich einig und das haben wir auch bei der letzten DFL-Mitgliederversammlung besprochen, dass alle fürs Impfen werben. Das Impfen ist der entscheidende Faktor zurück in eine sich verändernde Normalität im Umgang mit Corona. Ganz viele Clubs machen Aktionen, Maßnahmen, wir auch am Sonntag. Es gibt zwei Impfstationen, einmal in Kooperation mit dem Impfzentrum der Stadt Köln, einmal mit der AOK, so dass sich jeder impfen lassen kann. Denn das Problem ist – das hat mir der Leiter des Gesundheitsamtes in Köln gesagt -, die Hälfte aller Neuinfektionen in Köln stammt von den 19- bis 29-Jährigen. Und nicht, weil die 19- bis 29-Jährigen Impfgegner sind, sondern weil immer noch offensichtlich der Glaube vorherrscht, Du kriegst keinen Termin, das dauert ewig, Du musst Dich nachts einloggen, das habe ich bei meinen Eltern gesehen. Nein! Jeder kann sich impfen lassen. Auch hier gilt die Botschaft des Fußballs und da machen auch alle 36 mit, lasst euch impfen. Nur darüber werden wir perspektivisch wieder in eine veränderte Normalität kommen.

"Jeder Club hat sein Hausrecht"

Münchenberg: Sie sagen, das ist die Botschaft des Fußballs. Aber trotzdem stellt sich die Frage: Warum können sich die Clubs nicht auf eine einheitliche Vorgehensweise einigen, dass nicht manche vorpreschen wie der 1. FC Köln und andere sagen, wir warten lieber mal ab?
Wehrle: Weil natürlich auch die Regelungen in den Ländern unterschiedlich sind. In Nordrhein-Westfalen gilt beispielsweise über 35 die Drittel-Regelung, die ich vorhin beschrieben habe, mit den 16.500. Da sind wir durch den Föderalismus bei den Ländern unterschiedlich aufgestellt. Von daher ist es schwierig, dann eine einheitliche Regelung hinzukriegen von den einzelnen Clubs, denn jeder hat sein Hausrecht und jeder hat innerhalb seines Hausrechts auch Haftungsfragen, die es zu berücksichtigen gilt. Natürlich haben uns auch einige Dauerkarten-Inhaber, die geimpft sind, damit konfrontiert, macht ihr was oder macht ihr nichts, was das volle Haus angeht, weil am Ende kann auch jeder, jedes Mitglied oder jeder Dauerkarten-Inhaber eine individuale Verfassungsklage anstreben. Von daher gibt es da schon ein paar Dinge zu berücksichtigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.