Dienstag, 19. März 2024

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Stasi und Kunsthandel
Echtes Geld für falsche Kunst

Der Devisenbeschaffer der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski, verkaufte Kunst in den Westen - auch Fälschungen. Ein neuer TV-Film geht den Methoden von damals auf den Grund. Bei der Premiere in Gotha wurde auch die Frage diskutiert, ob die Stasi womöglich am Kunstdiebstahl von 1979 beteiligt war.

Von Henry Bernhard | 11.12.2019
Kopie des Selbstportraits mit Sonnenblume nach Anthonis van Dyck (Antwerpen 1598/9-1641 London)
Wurden in der DDR auch van Dycks gefälscht? Hier die Kopie eines Selbstportraits des Malers (Stiftung Schloss Friedenstein)
Am Anfang steht ein Brief. Im Mai 1975 wird im Kulturministerium der DDR ein Schreiben verfasst: der Adressat Werner Tübke, einer der Malerfürsten in der DDR. Der Absender: Fritz Donner, Leiter Hauptabteilung bildende Künste, fragt vertraulich an, …
"…ob Tübke bereit wäre, eine Kopie von einem mittelalterlichen Meisterwerk aus der Sammlung Schloss Friedenstein in Gotha anzufertigen. Fritz Donner, höchstrangiger Kulturfunktionär und bei der Staatssicherheit als "IM Fritz" geführt, merkt an: Ich glaube, diese unsere Absicht brauche ich Ihnen nicht noch zu erklären."
Um die Frage, was die Absicht hinter dem Ansinnen war, das Gothaer "Liebespaar", ein anmutiges Meisterwerk unbekannter Hand aus dem 15. Jahrhundert, zu kopieren, dreht sich der Film von Romy Gehrke und Matthias Thüsing. Die Frage stellte auch Werner Tübke, damals Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, den potentiellen Auftraggebern. Ferner wollte er wissen, welche Signatur auf der Kopie zu sehen sein sollte, erläutert Romy Gehrke in der Podiumsdiskussion nach der Filmpremiere:
"Wann wird eine Kopie zur Fälschung? Sie wird zur Fälschung, wenn der Name gefälscht ist. Und das war ja dieses Spiel mit dem Ministerium immer: Was passiert mit meinem Namen unter diesem Bild?"
Devisen durch Kunsthandel
Die Frage, ob Tübke das Gothaer "Liebespaar" überhaupt kopiert hat und wenn, auch noch die Signatur nachgeahmt und damit eine Fälschung produziert hat, kann der Film nicht klären. Möglich ist es aber. Denn die sogenannte KoKo, der Bereich Kommerzielle Koordinierung im DDR-Außenhandelsministerium mit enger Anbindung an die Staatssicherheit, war zur Devisenbeschaffung auch im großen Maßstab im Kunsthandel aktiv und verkaufte Kunst und Antiquitäten en gros in den Westen. Darunter auch Fälschungen, meinte Podiumsteilnehmer Peter Tiede, Chefreporter der BILD-Zeitung und KoKo-Spezialist: Die KoKo habe die Museen der DDR systematisch ausgeplündert.
"Man ist wohl offensichtlich relativ früh dazu übergegangen, Bilder aus den Depots zu fälschen, dann die Fälschungen zu verkaufen. Später ist man dann systematisch dazu übergegangen, weil es schon aufflog, im großen Stil Fälschungen in die DDR-Depots zu stellen und die Originale zu verkaufen."
Eigentum oder Hehlerware?
Natürlich ging es in Gotha auch um die fünf Bilder, die 1979 gestohlen wurden und seitdem verschwunden blieben. Der größte Kunstdiebstahl der DDR. Es wird nicht ausgeschlossen, dass er im Auftrag der KoKo geschah. Vor einer Woche wurde bekannt, dass die für ewig verloren geglaubten Bilder wieder aufgetaucht sind und der Stiftung Schloss Friedenstein für 5 Millionen Euro zum Kauf angeboten wurden. Noch werden sie auf Echtheit überprüft. Noch ist nicht sicher, ob die Bilder von den jetzigen Besitzern gutgläubig erworben wurden oder ob die Stiftung durch den Diebstahl das Eigentum nie verloren hat, der Verkauf heute also Hehlerei wäre. Der einzige Kontakt zu den Anbietern lief über ein Jahr über Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch:
"Wenn die Gothaerinnen und Gothaer oder die Deutschen eines von mir gelernt haben in den letzten Tagen: Ich kann schweigen."
Wer Kreuch kennt, weiß, wie neu diese Fähigkeit ihres Oberbürgermeisters für die Gothaer sein muss. Kreuch verweigerte jegliche Auskünfte zum Fall, um einen eventuellen Handel nicht zu gefährden, beklagte aber massiv die Rechtslage, die einen gutgläubigen Erwerb von Diebesgut anerkennt, und den Umgang der deutschen Kulturpolitik mit Gotha. Die einst europaweit gerühmten Kunstsammlungen seien schon durch Enteignungen und Plünderungen im 20. Jahrhundert erheblich geschädigt worden:
"Und dann kam das Trauma 1979. Noch einmal wurde Gotha so tief geschädigt wie keine andere Kunstsammlung im Osten. Wir sind, wir bleiben auch nach diesem Krimi die am meisten geschädigte Kunstsammlung in Deutschland. Hier macht sich das deutlich, was das 20. Jahrhundert bedeutet. Und das muss aufgearbeitet werden! Und da steht die Bundesregierung in einer verdammten Pflicht, das endlich zu tun!"
Fälschung oder Original?
Es geht Kreuch um Provenienzforschung auch für die Zeit vor 1933 und nach 1945 und um die Fragen: Was gehört wohin? Was ist echt, was gefälscht in ostdeutschen Museen? Dafür müsste mehr Geld bereitgestellt werden. Wann die vor 40 Jahren gestohlenen Bilder zurückkehren könnten, konnte er nicht beantworten: "Na ja, 40 Jahre dauert es sicherlich nicht mehr. Das ist unser einziger Trost."