Freitag, 29. März 2024

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Stefan Mappus hält Rentenerhöhung für gerecht

Der CDU-Politiker Stefan Mappus hält die Rentenerhöhung über die Aussetzung des sogenannten Riester-Faktors für richtig. Zugleich jedoch mahnte er Reformbedarf im Rentensystem an. Es sei zu fragen, ob anstelle des derzeitigen Kapitalumlageverfahrens nicht ein Kapitaldeckungsverfahren treten müsse, sagte der CDU-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag.

Moderation: Christoph Heinemann | 08.04.2008
    Christoph Heinemann: Weihnachten kurz nach Ostern im Kabinett: Ausdehnung der Riester-Förderung auf Wohneigentum, Weiterentwicklung des Kindergeldzuschlages, Erhöhung des Wohngeldes - lauter Geschenke. Ein besonders großes Paket hat die Regierung für die Senioren geschnürt. 1,1 Prozent mehr Rente in diesem und rund 2 Prozent im Bundestagswahljahr 2009 steckt drin, wo nicht mehr Riester draufsteht. Denn um die Sonderrentenerhöhung zu ermöglichen, wird der sogenannte dämpfende Riester-Faktor für zwei Jahre außer Kraft gesetzt. Mit ihm hätten die Senioren 2008, also in diesem Jahr, lediglich ein Plus von 0,46 Prozent erhalten. ( MP3-Audio , Beitrag von Martin Steinhage)

    Am Telefon ist Stefan Mappus, der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. Guten Tag!

    Stefan Mappus: Guten Tag, Herr Heinemann!

    Heinemann: Zwei Sätze. Erstens: Eie Renten werden erhöht, Punkt. Zweitens: Im kommenden Jahr wird ein neuer Bundestag gewählt. Herr Mappus, mit welcher Konjunktion würden Sie diese beiden Hauptsätze verbinden?

    Mappus: Ich würde sie zunächst mal mit gar keiner verbinden, weil ich einfach glaube, dass das Prinzip richtig ist, dass man für die Rentner nach einigen Nullrunden wieder was tun muss.

    Heinemann: Also das Wort "weil" kommt Ihnen gar nicht in den Sinn?

    Mappus: Ich verstehe, dass man das Politikern immer unterstellt, dass sie nur in Wahlzyklen denken, aber ich bestreite, dass es so ist.

    Heinemann: Da ist Ihr Parteifreund Leonhard Kuckart, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Seniorenunion, vielleicht etwas deutlicher: "Wenn in Zukunft nicht 50 Prozent der Rentner CDU wählen, dann wird die CDU nicht regierungsfähig sein."

    Mappus: Na ja, richtig ist natürlich, dass die Gruppe der älteren Menschen über 60 bekanntermaßen zunimmt. Richtig ist auch, dass mit höherem Alter die Wahrscheinlichkeit größer wird, dass sie auch CDU wählen. Aber ich glaube, das sollte jetzt nicht der alleinige Beweggrund für die Rentenpolitik sein, sondern da sollten schon sachliche Erwägungen die entscheidende Rolle spielen.

    Heinemann: Für diese Leute sollte man schon was tun.

    Mappus: Ich bin generell der Meinung, dass man für die Rentner was tun muss, und zwar vor allem für diejenigen, die eine geringe Rente haben. Weil: Wenn sie in den letzten Jahren nur Nullrunden haben bei steigender Inflation, dann haben vor allem die Rentner mit einer geringen Rente natürlich ein Problem.

    Heinemann: Das entspricht der Situation von Familien.

    Mappus: So ist es! Nur dass Familien, jedenfalls viele Familien, sukzessive auch am Aufschwung in Deutschland bei einer guten Konjunkturentwicklung teilhaben in zunehmendem Maße, während natürlich bei den Rentnern dies nicht automatisch der Fall ist, sondern die sind angewiesen auf das, was in Berlin entschieden wird beziehungsweise was auf Basis der Rentenformel bei ihnen ankommt. Das ist bekanntermaßen ziemlich wenig in den letzten Jahren.

    Heinemann: Teilhabe am Aufschwung von Familien, meinen Sie höhere Mehrwertsteuer, Wegfall der Eigenheimzulage, Kürzung der Pendlerpauschale und so weiter?

    Mappus: Sie hätten jetzt natürlich auch aufzählen können sinkende Lohnnebenkosten und anderes mehr. Das haben Sie natürlich wohlweißlich nicht getan. Aber dass die Lohnerhöhungen in den letzten ein, zwei Jahren deutlich höher geworden sind, dass sie in diesem Jahr auch höher werden, das werden Sie ja sicherlich nicht bestreiten. Aber gerade deshalb sind natürlich Rentner meines Erachtens auch richtig orientiert, wenn sie sagen, wir wollen dann auch eine gewisse Teilhabe an diesen Erhöhungen.

    Heinemann: Rentenerhöhungen von heute sind aber die Steuer- und Beitragserhöhungen von morgen.

    Mappus: Das kann man natürlich so sehen. Das ist ja auch nicht ganz falsch. Aber klar ist auch, dass die Rentner, die heute Rente bekommen, natürlich in den letzten 40 Jahren auch die Beiträge für diejenigen bezahlt haben, die damals Rente bekamen. Ich glaube schon, dass es einem gewissen Gerechtigkeitsempfinden entspricht, wenn diese Rentner dann Vertrauen darin setzen, dass sie angemessen auch entsprechende Rentenerhöhungen bekommen. Ich sage dies ausdrücklich vor allem für diejenigen, die eine geringe Rente haben. Ich glaube, man kann jemand erklären, dass er einige Jahre geringe Erhöhungen hat, wenn er eine gute Rente hat. Das ist erträglich. Aber wenn jemand 600, 700 Euro Rente hat, dann können sie viel über Ordnungspolitik erklären. Wenn der real innerhalb von wenigen Jahren 20, 25 Prozent weniger hat, dann hat er relativ wenig Verständnis dafür. Und das kann ich gut nachvollziehen.

    Heinemann: Das ändert aber nichts an der Alterspyramide, Herr Mappus. Warum wurde der Riester-Faktor beschlossen, wenn er jetzt kassiert wird?

    Mappus: Der Riester-Faktor ist ja im Prinzip auch richtig. Aber wenn er über die Jahre hinweg zur Altersarmut führt - und ich sage nochmals vor allem in den unteren Rentengruppen, in denen, die wenig bekommen, was dann dazu führt, dass über andere Stützungsmaßnahmen des Staates trotzdem Geld nachgeschossen werden muss -, dann ist das doch eine Milchmädchenrechnung. Dann spare ich vielleicht ein bisschen Rente, aber über Sozialhilfe und andere Maßnahmen muss ich wieder nachfinanzieren. Das heißt, unter dem Strich spare ich gar nichts. Deshalb glaube ich schon, dass es einem entsprechenden Werteempfinden entspricht, wenn man sagt, vor allem diejenigen Rentner mit niedrigen Renten muss man in angemessener Art und Weise teilhaben lassen an dem, was auch im Rest der Gesellschaft stattfindet. Schauen Sie: Ich habe im Moment etwas das Gefühl, dass quasi ein Keil in diese Gesellschaft reingetrieben wird, zwischen den Rentnern und den Nichtrentnern. Und ich glaube, das tut dieser Gesellschaft mit Sicherheit nicht gut.

    Heinemann: Der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen, der in Ihrem Bundesland, nämlich in Freiburg, arbeitet, nennt die Aussetzung des Riester-Faktors eine Aussetzung der Gleichbehandlung zwischen Rentnern und Erwerbstätigen zu Lasten letzterer.

    Mappus: Ich würde Herrn Raffelhüschen insofern zustimmen, dass eine Aussetzung des Rentenfaktors für zwei Jahre, zumal man das ganze ja nachholen will in 2012, 2013, natürlich konzeptionell jetzt nicht unbedingt der Riesenrenner ist. Deshalb glaube ich schon, dass man in den nächsten Jahren konzeptionell nacharbeiten muss. Denn einfach ein, zwei Jahre was auszusetzen und es danach wieder reinzuholen, halte ich auch für schwierig, zumal das Reinholen ausgerechnet im Jahre 2013 stattfinden soll bei der nächsten Bundestagswahl. Deshalb glaube ich auch nicht so wahnsinnig daran. Herr Raffelhüschen hat insofern Recht, dass das konzeptionell sicherlich ein bisschen eine etwas schwierige Aktion ist.

    Heinemann: Also Rente und Wahltag hat schon was miteinander zu tun?

    Mappus: Ich würde es mal so sagen: Wenn im Jahre 2013 die Nachholung dieses Riester-Faktors dazu führen würde, dass die Rentenerhöhung bei Null ist, dann bin ich mir nicht so sicher, ob man den politischen Mut hat, das zu machen. Deshalb wäre ich schon dafür, dass man konzeptionell mittel- und langfristig arbeitet, denn dass die Alterspyramide da ist und der demografische Faktor da sein muss, ist unbestritten. Aber andererseits wird auch niemand bestreiten, dass wir keine Altersarmut in Deutschland erzeugen wollen und dass man deshalb ich betone nochmals vor allem für diejenigen Rentner mit niedrigen Renten in den nächsten Jahren etwas tun muss.

    Heinemann: Im Prinzip erleben wir aber doch zurzeit die Fortsetzung der Sozialpolitik der Regierung Kohl. Das heißt, wir füttern die Rentner, vernachlässigen die Familien und wundern uns, dass keine Kinder geboren werden, die - und da schließt sich der Kreis dann - eines Tages die Renten wieder zahlen müssen.

    Mappus: Zunächst einmal bestreite ich, dass die Bundesregierung nichts für Familien tut. Wenn Sie das Thema Elterngeld zum Beispiel betrachten und daraus resultierend, oder aus was auch immer, sehen, dass im letzten Jahr die Geburtenrate seit vielen Jahren endlich mal wieder angestiegen ist, und anderes mehr. Senkung von Lohnnebenkosten, die stabil unter 40 Prozent wieder sind, was wir vor den Wahlen versprochen haben, da würde ich schon mal bestreiten, dass man nichts für Familien tut. Aber dass das immer noch ein bisschen mehr sein kann, ist sicherlich richtig. Aber nochmals: Es muss etwas für Familien getan werden, aber auch für Rentner. Ich möchte nicht ein Entweder-Oder - deshalb befürchte ich, dass die Generationen gegeneinander ausgespielt werden -, sondern ich möchte ein Sowohl-Als-Auch, und zwar ein konzeptionell sauberes Sowohl-Als-Auch.

    Heinemann: Wenn ein Teil der Gesellschaft, nämlich die Älteren, künftig immer mehr werden und die anderen immer weniger und sich politisch immer weniger durchsetzen können, was folgt daraus für die Politik langfristig?

    Mappus: Daraus wird das folgen, was die CDU in Baden-Württemberg vor Jahren auf Bundesebene schon gefordert hat, nämlich dass man sich mittel- und langfristig fragen muss, ob das Kapitalumlageverfahren, so wie wir es jetzt haben, zukunftsfähig ist, oder ob man nicht sukzessive umsteigen muss auf ein Kapitaldeckungsverfahren. Ich glaube, eine der Lehren aus der jetzigen Diskussion ist, dass man im System diskutieren muss und dass es halt wenig bringt, dass wir für ein, zwei Jahre im System einen Faktor einfach aussetzen und danach weitermachen wie bisher. Deshalb, glaube ich, muss es Aufgabe der CDU sein, darüber zu diskutieren, wie wir den Generationenkonflikt, der ja ein Stück weit droht, in der Zukunft verhindern können - unter anderem über die Fragestellung, ist das System, so wie es ist, richtig?

    Heinemann: Stefan Mappus, der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag von Baden-Württemberg. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Mappus: Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören!