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Steigende Corona-Neuinfektionen
"Was mich tatsächlich besorgt, ist die Dynamik"

Das Infektionsgeschehen in einigen europäischen Ländern sei zum Teil wahrscheinlich nicht mehr unter Kontrolle, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Dlf. Deutschland sei aber deutlich besser vorbereitet als im Frühjahr. Mit neuen Strategien solle das Infektionsrisiko im Winter minimiert werden.

Jens Spahn im Gespräch mit Christiane Kaess | 21.09.2020
Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit bei der Bundespressekonferenz
Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit bei der Bundespressekonferenz (imago/Thomas Trutschel)
Die Coronazahlen steigen weltweit, auch in Europa. Im Vergleich zu seinen Nachbarländern steht Deutschland derzeit noch gut da. Frankreich etwa verzeichnete zuletzt täglich mehr als 10.000 nachgewiesenen Ansteckungen, in Deutschland waren es im Schnitt 1.700. Am vergangenen Samstag allerdings meldete auch das Robert Koch Institut (RKI) einen Höchststand an Corona-Neuinfektionen seit fünf Monaten mit fast 2.300 neue Fälle. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass es weiter nur wenige Todesfälle gibt. Dies wird damit begründet, dass sich derzeit vor allem junge Menschen infizieren.
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Deutschland ist deutlich besser vorbereitet
Eine Einschätzung, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) teilt. Bei Jüngeren gebe es deutlich geringere schwere Verläufe und deutlich geringeren Behandlungsbedarf, sagte er im Deutschlandfunk. Die Erfahrung zeige jedoch, dass nach einer Zeit die Infektionen auch wieder auf ältere Menschen und gefährdete Gruppen überspringen. Das Gesundheitswesen in Deutschland sei aber deutlich besser vorbereitet als im Frühjahr. Auch weil man dazugelernt habe, etwa die Intensivbettenbelegung durch digitale Register besser zu steuern.
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Virologin: Wir haben gelernt die Risikogruppen zu schützen
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Betrachte man alle Zahlen, neben den Neuinfektionen, auch die Belegung der Krankenhäuser und der intensivmedizinischen Kapazitäten sowie die Zahl der Todesfälle, sei die aktuelle Situation eine, mit der Deutschland und das Gesundheitswesen hierzulande gut umgehen könne. Was ihn jedoch besorge sei die Dynamik des Infektionsgeschehens vor allem in den direkten europäischen Nachbarländern. Diese hätten deutlich höhere Infektionszahlen wie Deutschland und eine Dynamik die wahrscheinlich entglitten und nicht mehr unter Kontrolle sei, etwa in Spanien. Durch Mobilität und Austausch über die die Grenzen hinweg hätten die Infektionszahlen in den Nachbarländern auch immer direkten Einfluss auf Deutschland.
Neue Strategie für den Winter
Es komme jetzt darauf an, den Infektiontionseintrag in die Bereiche zu verhindern, wo die besonders gefährdeten leben. Unter anderem sollen Fieberambulanzen als Anlaufstelle für Menschen mit COVID-19-, Grippen- oder Erkältungssymptome sollen im Herbst und Winter verhindern, dass das Ansteckungsrisiko in Arztpraxen steigt, erläuterte Spahn. Zudem sollen durch den ergänzenden Einsatz von Antigenschnelltest in bestimmten Bereichen, etwa in Pflegeheimen, Infektionsrisiken schneller erkannt und minimiert werden.
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Spahn betonte erneut, dass eine künftige Impfung gegen das Coronavirus nur ein Angebot sei und auf Freiwilligkeit beruhe. Zu Beginn werden aber auf jeden Fall nicht gleich für jeden ausreichend Impfstoff vorhanden sein. Deshalb sei es wichtig, zu priorisieren, wer als erstes und in welcher Rangfolge weiter geimpft werden soll. Dies müsse im Vorfeld auf der Grundlage von ethisch, rechtlich und medizinischen Gründen festgelegt werden. Diese sollen nun durch den Ethikrat, die Impfkommission und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina erarbeitet werden.

Lesen Sie hier das vollständige Interview im Wortlaut.
Christiane Kaess: Schauen wir erst auf die steigenden Zahlen. Wie groß ist Ihre Sorge?
Jens Spahn: Zuerst einmal sind die Zahlen, auch die Zahlen, die zusätzlich zu denen der Neuinfektionen zu betrachten sind: Wie schaut es aus in den Krankenhäusern, in der Intensivmedizin, auch die Zahl der zu beklagenden Sterbefälle. Wenn man das ganze Bild macht, ist das alles eine Situation, mit der wir, Stand heute, gut umgehen können, mit der das Gesundheitswesen auch gut umgehen kann. Was mich allerdings tatsächlich besorgt ist die Dynamik, und zwar nicht nur die Dynamik in Deutschland, sondern vor allem in unseren direkten europäischen Nachbarländern, ob es Frankreich ist, ob es Österreich ist, ob es die Niederlande sind. Alle diese Länder haben mehrfache Inzidenz-Zahlen von uns, deutlich höhere Infektionszahlen und eine Dynamik, die wahrscheinlich zum Beispiel in Spanien entglitten ist und damit nicht mehr unter Kontrolle.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Kaess: Warum muss uns das so stark besorgen?
Spahn: Weil wir ja mobil sind in Europa. Wir sehen mit steigender Mobilität, mit Reisetätigkeit, mit Austausch. Wir sind ein Land in der Mitte des Kontinents, nicht eine Insel. Wenn ich die Zahlen von Neuseeland sehe, ist das am Ende der Welt, aus unserer Sicht jedenfalls, auf einer Insel. Das ist natürlich was anderes als mitten auf einem Kontinent mit regem Austausch über die Grenze. Und Zahlen in unseren Nachbarländern haben immer auch durch den Austausch direkten Einfluss auf uns. Früher oder später gibt es Eintrag nach Deutschland hinein.
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Infektionen kann wieder auf Risikogruppen überspringen
Kaess: Herr Spahn, es fragen sich wahrscheinlich jetzt viele: Wenn wir das sehen in anderen Ländern, wie in Spanien, wie in Frankreich, wo die Zahlen viel höher sind, und das Gesundheitssystem bricht dort nicht zusammen, ist dann in Deutschland noch viel Luft nach oben?
Spahn: Was wir schon sehen, nehmen Sie Marseille, nehmen Sie auch Regionen von Spanien – ich habe mich mit meinem spanischen Kollegen am Wochenende noch ausgetauscht -, ist, dass zeitversetzt es auch wieder zunehmend Behandlungsbedarf in den Intensivkapazitäten in den Krankenhäusern gibt. Warum? – Wir leben hier Gott sei Dank nicht generationengerecht. Auch die 20-, die 30-Jährigen haben ja Großeltern, die sie besuchen. Manch einer mag in der Pflege arbeiten, im Gesundheitswesen arbeiten, oder hat auch immungeschwächte Geschwisterkinder oder Freunde.
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Was ich wichtig finde ist nicht dieses Gefühl nach dem Motto, es sind im Moment eher die Jüngeren, und ja, Stand heute, bei den Jüngeren sehen wir deutlich geringere schwere Verläufe, deutlich geringeren Behandlungsbedarf. Aber was wir sehen in einigen Ländern auf der Welt ist, dass nach einer Zeit es dann auch natürlich innerhalb der Familie oder innerhalb des Bekanntenkreises, der Arbeit dann doch die anderen Generationen auch betrifft. Darum ging es ja von Anfang an, dass wir aufeinander achten, aufeinander Acht geben, nicht nur, weil es um einen selbst geht, sondern auch um die um einen herum, etwa in der Familie.
"Wir sind deutlich besser vorbereitet als im Frühjahr"
Kaess: Und jetzt kommt ausgerechnet am Wochenende die Meldung, dass die Kliniken ihre Intensivbetten reduziert haben in Deutschland, weil die so lange leer geblieben sind. Und wir haben jetzt weit weniger Betten als zu Beginn der Pandemie. Und noch etwas kommt dazu: Der Berufsverband der deutschen Anästhesisten warnt, es gebe auch zu wenig Personal. Dort heißt es: Wenn es einen starken Anstieg von schweren Corona-Fällen gäbe, werde es Engpässe bei den Intensivpflegekräften geben. Kann das gut gehen?
Spahn: Zuerst: Was die Zahl der Intensivbetten angeht, die frei sind, haben wir, Stand heute, übrigens immer noch mehr Intensivbetten frei, als Italien und Frankreich zusammen überhaupt haben. Und was wir gelernt haben seit März ist auch, dass wir sie besser steuern können, dass man weiß, wenn Zahlen steigen innerhalb von drei, vier, fünf Tagen, wenn man planbare Operationen verschiebt, werden Intensivbetten auch wieder frei. Werden weniger gebraucht, stehen mehr für Covid-19 zur Verfügung. Das können wir deutlich besser auch regional steuern, durch Online-Register, durch die Erfahrungen der letzten Monate, als das etwa am Anfang des Jahres war. Deswegen bin ich da auch zuversichtlich, dass wir das im Fall der Fälle dann gut gesteuert bekommen.
Was die Frage des Personals angeht, haben viele Kliniken auch in den letzten Monaten die Zeit genutzt, auch die Zeit der Vorbereitung im März/April genutzt, um zusätzliches Personal auszubilden, um es zu schulen, auch dann im Fall der Fälle in der Intensivmedizin zu arbeiten. Wir sind jedenfalls deutlich besser auf alles vorbereitet, was kommen kann, als wir es im Frühjahr waren.
Fieberambulanzen als erste Anlaufstellen bei typischen Symptomen
Kaess: Dann schauen wir voraus auf die nächsten Wochen, auf den Herbst, auf den Winter. Sie wollen jetzt sogenannte Fieberambulanzen einführen. Wie muss man sich das vorstellen?
Spahn: Was wir ja sehen, was wir übrigens jeden Herbst, Winter sehen, ist, dass es mehr Menschen mit Atemwegserkrankungen gibt, mit den typischen Symptomen von Erkältungen und Grippe. Und das sind auch die gleichen Symptome wie bei Corona. Wichtig ist ja dann, dass im Gesundheitswesen selbst, wenn man im Wartezimmer sitzt beim Arzt, oder wenn man im Krankenhaus ist, die höchsten Ansteckungszahlen sind. Das ist übrigens auch jenseits von Corona ein Thema, aber jetzt in diesem Herbst, Winter natürlich besonders.
Fieberambulanzen sind Anlaufstellen, die die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Ärzte machen, entweder wirklich Anlaufstellen außerhalb der Praxen, oder Schwerpunktpraxen mit Sprechstunden, wo alle, die typische Symptome haben für Grippe, Corona, Erkältung, dann gezielt hingehen, wo gezielt getestet wird, um herauszufinden, um welche dieser Erkrankungen geht es, und wo man dann auch besonders geschützt ist, um da nicht andere Patienten anzustecken.
Eigentlich wäre das sogar etwas, was wir über Corona hinaus uns erhalten sollten, finde ich, aber was in dieser Herbst-Winter-Saison besonders wichtig ist, dass nicht innerhalb der Arztpraxen das größte Ansteckungsrisiko entsteht, wenn man zusammen etwa im Wartezimmer sitzt.
Kaess: Sie wollen auch bis Mitte Oktober die Teststrategie anpassen. Da ist die Rede von Schnelltests. Was sollen die bringen, wenn man doch weiß, dass die eine sehr hohe Fehlerquote haben?
Spahn: Die sogenannten Antigenen-Schnelltests werden immer besser. Sie sind noch nicht da, wo der PCR-Test ist, den wir heute regelhaft anwenden.
Schnelltests sollen Infektionsrisiken minimieren
Kaess: Das müssen Sie kurz erklären. Da geht es tatsächlich jetzt um Tests, die feststellen sollen, ob jemand schon Antikörper hat? Oder um welche Tests geht es genau?
Spahn: Bei den Antigenen-Tests geht um Test, die tatsächlich die akute Infektion anzeigen können. Aber Schnelltest heißt, dass man tatsächlich zum Beispiel in der Pflegeeinrichtung, wenn ein Besucher kommt, um den Angehörigen zu besuchen, innerhalb von 15, 20 Minuten vor Ort durch eine Speichelprobe oder einen Nasenabstrich feststellen kann, ist jemand jedenfalls nach diesem Test infiziert oder nicht. Er ist nicht ganz so gut wie der PCR-Test, der Test, der heute in die Labore eingeschickt wird, den wir heute anwenden, aber er ist deutlich besser geworden, weil auch die großen Unternehmen, die in der Diagnostik bekannt sind, mittlerweile solche Tests anbieten.
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Ich möchte gerne, dass wir für bestimmte Situationen, die wir definieren, zum Beispiel der Besuch im Pflegeheim, zum Beispiel rund um die Reiserückkehrer, dass wir diesen Schnelltest deutlich häufiger – und damit meine ich eher millionenfach jeden Monat - einsetzen, um Infektionen zu erkennen und Infektionsrisiken zu minimieren. Er ist eine Ergänzung zu dem PCR-Test, den wir heute haben, aber er ist aus meiner Sicht …
Kaess: Darf ich da noch mal einhaken, Herr Spahn? Das muss man sich tatsächlich dann so vorstellen, dass das flächendeckend so wäre, wenn jemand Angehörige im Pflegeheim besucht, dann muss er sich diesem Test unterziehen?
Spahn: Ob er es muss, oder ob es nicht eher ein Angebot ist – wir können es nicht klassisch vorschreiben. Aber ich finde, es gehört zu einem Hygiene- und auch Infektionsrisikokonzept, Minimierungskonzept dazu, das Angebot zu machen an Angehörige, an die Pflegekräfte, die in der Einrichtung arbeiten, an die Pflegebbedürftigen selbst, sich dann regelmäßig testen zu lassen. Heute haben wir ja das Problem, das war die Debatte vor drei, vier Wochen: Wir haben begrenzte Testkapazitäten. Wir können sie auch nicht unendlich ausweiten – nicht wegen des Geldes, sondern weil Personal und Test-Kits, die Ressourcen dafür nicht unendlich zur Verfügung stehen.
Mit diesen Antigenen Schnelltests vor Ort können wir viel mehr Sicherheit geben, etwa bei dem Besuch in einer Pflegeeinrichtung, und darum geht es ja. Das knüpft eigentlich an das an, was wir Anfang des Gespräches gesagt haben. Es kommt jetzt vor allem darauf an, den Eintrag in die Bereiche zu verhindern, wo die besonders Gefährdeten sind. In den Pflegeeinrichtungen haben wir - das haben wir am Anfang der Pandemie in Wolfsburg und Würzburg als Stichwort gesehen - gerade in den Pflegeeinrichtungen besonders Gefährdete. Wenn das Virus da mal drin ist, schlägt es brutal zu, und da können diese Tests helfen.
Experten sollen Plan für Impfstrategie erstellen
Kaess: Sie wollen auch bis Ende Oktober regeln, wie ein Impfstoff, wenn er denn da sein sollte, verteilt wird. Dazu wollen Sie eine Expertengruppe einberufen. Warum ist die nötig? Das klingt fast so, als wäre für Sie schon sicher, dass nicht genügend Impfstoff da sein wird.
Spahn: Es wird in jedem Fall zumindest zu Beginn nicht gleich für alle ausreichend Impfstoff da sein. Es wird innerhalb von Wochen und Monaten sicherlich immer wieder neue Lieferungen geben und es wird sicherlich auch, wenn es einen Impfstoff gibt, dann innerhalb von Monaten ausreichend für alle da sein. Aber am Anfang gleichzeitig auch sicher nicht, weil wir kriegen ja nicht gleich 60 Millionen Dosen eines Impfstoffes. Da finde ich es wichtig zu priorisieren.
Wenn ich sage, auch in Veranstaltungen zuerst die, die im Gesundheitswesen arbeiten, die ein besonderes Risiko haben, auch die Risikogruppen wie etwa die Höchstbetagten, die Pflegebedürftigen, dann sind viele da, die auch nicken und sagen, ja, stimmt eigentlich. Aber ich bin sehr sicher: Wenn der Impfstoff dann konkret da ist und wir ihn verimpfen in den Impfzentren, dann wird auch manch einer dort erst mal kommen und sagen, ich möchte geimpft werden, dem man dann sagt: Nee, Sie sind erst später dran. Das braucht eine gute Fundierung, das braucht eine gute Herleitung, warum aus ethischen, rechtlichen, medizinischen Gründen wir das genauso priorisieren, und das möchte ich, dass das der Ethikrat, die Impfkommission und die Leopoldina zusammen erarbeiten.
Kaess: Aber was soll diese Gruppe noch festlegen, wenn Sie die Linie eigentlich schon vorgegeben haben?
Spahn: Ich habe sie nicht vorgegeben. Ich habe nur beschrieben, wohin es gehen kann. Das meinte ich gerade mit denen, die im Gesundheitswesen arbeiten. Aber ich finde es auch wichtig, das wirklich herzuleiten aus ethischen, wie gesagt, rechtlichen und medizinischen Abwägungen und das gut zu fundieren und das auch rechtzeitig zu machen. Jetzt ist noch Zeit, das auch miteinander in der Gesellschaft zu diskutieren, dass es eine Priorisierung braucht und dass es eine Abstufung braucht, wer zuerst und wer dann nach und nach geimpft werden kann, im Übrigen freiwillig geimpft werden kann. Das ist auch ganz wichtig, dass wir das klarmachen. Es geht um eine freiwillige Impfung, um ein Angebot, damit das auch eine hohe Akzeptanz in der Gesellschaft hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.