Freitag, 19. April 2024

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Stein: Keine Verhandlungen über Waffenstillstand oder Gefangenenaustausch

Der israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, hat die Militäraktion im Libanon verteidigt. Der Einsatz der israelischen Armee gegen die Hisbollah-Miliz sei keinesfalls unverhältnismäßig, sagte Stein. Die Hisbollah sei eine Terror-Organisation, die sich die Zerstörung Israels zum Ziel gesetzt habe. Daher werde man weder über einen Waffenstillstand noch über einen Gefangenenaustausch verhandeln.

Moderation: Dieter Jepsen-Föge | 23.07.2006
    Dieter Jepsen-Föge: Herr Botschafter, Israel ist im Krieg. Aber es ist ein anderer Krieg als alle anderen zuvor. Diesmal sind die Gegner nicht Staaten, sondern militante islamistische Organisationen, die Hisbollah und die Hamas. War Israel darauf überhaupt vorbereitet?

    Shimon Stein: Zunächst zur Klarheit: Israel hat keinen Krieg erklärt und - glaube ich - ist von Anfang an von uns klargestellt, dass ja kriegerische Handlungen stattfinden, aber eine Kriegserklärung von Israel hat ja eben nicht stattgefunden.

    Jepsen-Föge: Aber Ministerpräsident Olmert hat gesagt, Israel sei im Krieg.

    Stein: Wir sind in einem Kampf gegen die Terrororganisationen Hisbollah im Norden, wie auch die Hamas im Süden. Waren wir vorbereitet? Wir sind vorbereitet. Kam es als eine Überraschung? Für einen Nasrallah ganz sicher. Er hat ja nicht damit gerechnet, dass wir, nachdem wir über fünf Jahre uns zurückhielten und auf seine Positionen nie eingegangen sind, war er, so meinen manche Experten, von unserem militärischen Einsatz jetzt überrascht.

    Jepsen-Föge: Nasrallah, der Führer der Hisbollah. Sie haben darauf angespielt: Israel hatte sich einseitig zurückgezogen aus dem Libanon, hatte sich zurückgezogen aus dem Gazastreifen. Ist das als Zeichen der Schwäche gewertet worden?

    Stein: In der Tat kann man das auch als Zeichen der Schwäche eben sehen. Und als wir uns im Mai 2000 aus dem Libanon zurückgezogen haben, Sie werden sich auch erinnern, damals waren die Vorbereitungen für die Camp-David-Gespräche zwischen US-Präsident Clinton, Jassir Arafat und dem Ministerpräsidenten Barak gewesen, und manche haben gesagt: Für Arafat gilt das Modell des einseitigen Rückzugs aus dem Libanon, was am Ende auch zu einer gewissen Komplizierung unserer Gespräche mit Arafat und Clinton in Camp David geführt hat. Ja, Rückzüge werden von unseren Nachbarn, von unseren Feinden, als Schwäche angesehen und nie belohnt.

    Jepsen-Föge: Welche Konsequenz muss daraus gezogen werden?

    Stein: Daraus muss die Konsequenz gezogen werden, Israel muss sich ganz genau überlegen, wie Israel seine nationalen Interessen weiter fortsetzt. Das ist ja eben nicht so bedeutend, dass wir auch in der Zukunft unter Umständen uns nicht gezwungen sehen, auch uns weiter bedingungslos oder einseitig zurückziehen. Sie werden sich auch erinnern, dass der Ministerpräsident Sharon und sein Nachfolger, Ministerpräsident Ehud Olmert haben angekündigt, dass Israel, wenn es keinen Partner gibt, sich weiter aus Teilen der Westbank zurückziehen, um - und das ist für uns das allerwichtigste am Ende - unsere nationalen Ziele zu verfolgen. Und das ist, den jüdischen und demokratischen Charakter des Staates Israel aufrecht zu erhalten.

    Jepsen-Föge: Verstehen Sie die Entführungen der Soldaten, zunächst an der Grenze zum Gazastreifen und dann an der Grenze zum Libanon, als bewusste Provokation, um Israel in einen Krieg hineinzuziehen? Ist das vielleicht sogar ein "Stellvertreterkrieg", das heißt, stellvertretend für Syrien, für den Iran?

    Stein: Sie sprechen hier zwei wichtige Themen an, und lassen Sie mich kurz auf die erste Frage nach der Entführung eingehen. Die kam für uns als keine Überraschung. Nasrallah im Norden kündigt schon seit geraumer Zeit eben an, dass er ein Interesse hat, weiter israelische Soldaten zu entführen oder Zivilisten, um dann die Entführten, die er auch unter seine Kontrolle nimmt, gegen Palästinenser und Libanesen, die in israelischen Gefängnissen sitzen, auszutauschen. Insofern war das keine Überraschung. Das ist eigentlich ein Teil seiner Strategie, das ist auch in Hinblick auf die Hamas eine Strategie, um palästinensische Häftlinge, die im Gefängnis sitzen, zu befreien. Das ist, glaube ich, keine Überraschung. Es ist ein Teil eines Kampfes, der aus der Sicht der Terrororganisationen mit allen Mitteln weiter gegen Israel geführt werden muss.

    Nun auf die Frage nach dem Stellvertreterkrieg. Sie spielen hier auf eine wichtige Frage an. Man muss eben das, was sich momentan bei uns abspielt, ja auf verschiedene Ebenen sehen. Es gibt die lokale Ebene, und das, was sich zwischen Israel und dem Libanon - Stellvertreter Nasrallah - und auch zwischen Israel und der Hamas geschieht, das sind lokale Auseinandersetzungen. Aber diese lokalen Auseinandersetzungen haben auch eine regionale Dimension. Wir sind fest davon überzeugt, dass weder Hamas noch die Hisbollah eine Chance gehabt hätten, so zu agieren, wenn sie nicht mit der vollen Unterstützung vom Iran und Syrien hätten rechnen können.

    Jepsen-Föge: Nun wissen wir: Der Iran und Syrien haben beide Organisationen immer mit Waffen ausgestattet, mit Waffen unterstützt. Aber ist es in diesem Moment im Interesse des Iran und Syriens, jetzt Israel zu provozieren?

    Stein: Ich glaube, der Iran verfolgt hier eine langfristige Strategie. Was die momentane Lage angeht, so wissen alle, dass der Iran momentan etwas Angst eben hat, dass die internationale Staatengemeinschaft weiter Druck auf den Iran wegen der nuklearen Frage ausüben wird. Und wie wir ja wissen, tagen die sechs Nationen und machen sich Gedanken im Hinblick auf die Tatsache, dass der Iran auf das Angebot der sechs Nationen nicht eingegangen ist.

    Und als die G8-Staaten in Sankt Petersburg zusammengekommen sind, um unter anderem als Schwerpunkt sich mit der Nuklearfrage im Iran zu befassen, könnte die Entführung der Soldaten auch als eine Ablenkung gesehen werden. Und ob es Zufall ist oder nicht: Laridschani, der Unterhändler des Iran in Sachen Nuklear, war kurz vor der Entführung auch in Damaskus. Das gibt Anlass zur Annahme, dass er auch unter anderem mit Syrien darüber gesprochen hat. Und die Hisbollah ist für den Iran ein Instrument, um die iranischen strategischen Ziele im Nahen Osten eigentlich zu vertreten.

    Jepsen-Föge: Ist es im momentanen Interesse des Iran und Syriens - oder eines beider Staaten -, diesen Konflikt, diesen Krieg auszuweiten?

    Stein: Wenn man die Außenpolitik des Iran betrachtet, dann sind wir fest davon überzeugt, und das sind eigentlich nicht nur wir - wir haben momentan noch nicht über das gemäßigte Arabische Lager gesprochen, das auch mit großer Besorgnis die iranische expansionistische abenteuerliche Außenpolitik verfolgt, genau so wie die arabischen gemäßigten Staaten auch mit großer Sorge die Hisbollah-Aktivitäten und die Hamas verfolgen. Das grundsätzliche iranische Interesse ist, dass es nicht zu einer Stabilisierung im Nahen Osten kommt. Ich glaube, man muss - und das haben wir schon gesagt - die Erklärungen des iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad so nehmen, wie sie eigentlich sind. Und sein strategisches Ziel, das eigentlich über Israel hinausgeht, aber zunächst, was Israel anbelangt, ist, Israel auf der Landkarte zu tilgen. Und daran arbeitet der Iran auch mit den Stellvertretern, das ist die Terrororganisation Hisbollah und auch die Hamas.

    Jepsen-Föge: Herr Botschafter, die internationale Staatengemeinschaft, die Vereinten Nationen, die EU, der G8-Gipfel, alle haben das selbstverständliche Recht Israels auf Selbstverteidigung betont und haben auch dargestellt - Angela Merkel etwa, die Bundeskanzlerin - , man müsse nicht Ursache und Wirkung vertauschen. Dennoch wird von Tag zu Tag mit steigenden Opferzahlen stärker auch Israel kritisiert unter dem Aspekt, das ist nicht mehr nur Selbstverteidigung, hier wird die Zivilbevölkerung im Libanon getroffen, unschuldige Menschen, hier wird die Infrastruktur getroffen, diese Reaktion Israels sei unverhältnismäßig.

    Stein: Unserer Auffassung nach ist das, was wir tun, verhältnismäßig und auch im Einklang mit unserer Analyse, vor welcher Bedrohung Israel steht. Deshalb muss die Verhältnismäßigkeit, was Israel anbelangt, in einem großen Kontext gesehen werden. Die Verhältnismäßigkeit hängt ja eben für uns nicht von einer Einzelaktion, sondern von der Analyse der Bedrohung, vor der wir stehen, beziehungsweise nicht nur der Bedrohung, sondern wir stehen vor einer Terrororganisation, die eigentlich klare Ziele hat - und deshalb, wenn wir von Verhältnismäßigkeit oder Unverhältnismäßigkeit sprechen, dann bitte ich diejenigen, das auch zu berücksichtigen, dass die Bedrohung, der Charakter der Bedrohung, die Fähigkeit der Organisation und deren Absichten bei uns Grund für Überlegungen sind, die uns zur Reaktion veranlassen. Und wir stehen vor einer Organisation, die entschlossen ist, die iranische Politik in die Tat umzusetzen, Israel langfristig zu zermürben, um Israel zu zerstören.

    Diese Organisation, was die Fähigkeit anbelangt, hat seit Anfang der 90er Jahre bis heute ein unwahrscheinliches Potential aufgebaut. Wir schätzen, dass es zwischen zehn- und zwölftausend Raketen verschiedener Reichweiten eben sind. Und deshalb, wenn die Absichten dieser Organisation eben klar sind, wenn die Fähigkeit dieser Organisation klar ist, dann muss erst dann die Frage gestellt werden: Ist das, was wir tun, verhältnismäßig oder unverhältnismäßig mit dem, was ich eben gesagt habe.

    Zum zweiten Punkt, und das ist die Bevölkerung. Das ist leider auch uns klar, und zwar nicht erst seit heute. Übrigens bin ich immer überrascht von der Tatsache, dass die Menschen im Westen so überrascht sind, wenn wir uns verteidigen. Die Kriegsführung der Terrororganisationen ist so, dass sie eigentlich hinter der Bevölkerung sich verschanzen, sei es im Gazastreifen, sei es in der Westbank und erst recht im Libanon. Die haben jahrelang libanesische Dörfer als Geisel genommen, ihre Munition und Raketen dort versteckt und aufgebaut, und so bleibt uns leider nichts anderes übrig, als gezielt gegen die anzugehen mit dem Wissen, dass sie eigentlich die Bevölkerung missbrauchen, um sich zu verteidigen.

    Jepsen-Föge: Sie haben ja die Kampfhandlungen ausgeweitet, auch mit Bodentruppen. Es heißt, auch die Militärs in Israel sagen, wir wollen keinen wirklichen Einmarsch in den Libanon, aber doch einen verstärkten Bodenkrieg. Ist das erklärte Ziel, die Hisbollah zu entwaffnen oder so zu schwächen, dass Israel nicht mehr angegriffen wird und dass sie den Krieg so lange ausweiten, bis das Ziel erreicht ist?

    Stein: Ich meine, unser erklärtes Ziel ist ja, lieber Herr Jepsen-Föge, nicht, in zwei Jahren hier in Ihrem Studio uns noch einmal zu unterhalten und die Frage zu stellen, warum bombardiert Israel Ziele der Terrororganisation Hisbollah im Libanon. Mit diesen militärischen Folgen und hoffentlich auch mit dem militärischen Vorgehen, das anschließend erfolgen soll, hoffen wir, nicht wieder zu dem Status quo ante zurückzukehren. Und mit den militärischen Vorgängen, die Hisbollah-Infrastruktur zu zerstören, wollen wir die Rahmenbedingungen schaffen, um langfristig das Ziel, das die Staatengemeinschaft sich beim G8-Treffen in St. Petersburg gestellt hat und das der Weltsicherheitsrat dokumentiert hat, zu erreichen.

    Und das ist eigentlich die Auflösung der Milizen, sprich Hisbollah im Libanon, die Ausdehnung der libanesischen Souveränität im ganzen Land, was heute leider nicht der Fall ist, sprich die Stationierung der libanesischen Kräfte entlang der Grenze und nicht, wie es bis vor kurzem war, die Hisbollah entlang der Grenze. Und viel wichtiger ist auch als Folge der letzten Provokation der Hisbollah, die israelischen Soldaten zu befreien. Das sind unsere Ziele und nichts anders. Der Libanon ist ja übrigens nicht unser Feind. Der Libanon ist als Geisel genommen und dem Libanon muss geholfen werden, sich frei zu entfalten.

    Jepsen-Föge: Aber gerade, wenn man das als das wichtigste Ziel nimmt, den Libanon, wie Sie es formulieren, als Geisel zu befreien, auch den Libanon langfristig zu stabilisieren, bewirkt dann nicht das israelische harte militärische Vorgehen das Gegenteil? Denn die Hisbollah erhält ja Zulauf. Sozusagen mit jedem Angriff auch auf die Zivilbevölkerung gibt es immer mehr Menschen, die die Hisbollah unterstützen. Und auf der anderen Seite ist es ähnlich mit der Hamas.

    Stein: Ob man Hisbollah unterstützt oder ob Hamas auch unterstützt wird, wollen wir wirklich unter die Lupe nehmen. Die Außenminister der Arabischen Liga kamen am letzten Wochenende in Kairo zusammen, um über die Lage zu beraten. Und sie konnten sich eigentlich nicht einigen. Auf diesem Treffen wurde ganz klar, dass es sich hier um zwei Lager handelt, das gemäßigte Lager, um Saudi-Arabien, Jordanien, Ägypten, Golfstaaten, um Maghreb, die genau so die Gefahr und die Bedrohung der Hisbollah sehen und über die Hisbollah hinaus die Gefahr, dass, wenn wir aus dieser Auseinandersetzung nicht als Sieger hervorgehen werden, dann werden auch die gemäßigten arabischen Regime von dem Radikalislam bedroht. Und auf der anderen Seite lag ein kleines Lager der radikalen Arabischen mit Syrien, dem Sudan, Jemen und draußen auch selbstverständlich der Iran.

    Insofern, glaube ich, sehen auch innerhalb der arabischen Welt die gemäßigten Kräfte die große Sorge und verfolgen ganz genau, wie diese Auseinandersetzung zu Ende kommen wird. Eine zusätzliche Bemerkung zu Ihrer Frage, über die wir schon gesprochen haben: Greifen wir nicht zu Terror, dann wird es als Schwäche wahrgenommen. Tun wir etwas, um uns gegen den Terror zu wehren, dann spielen wir in die Hände der Extremisten. So muss ich sagen, egal, was wir tun, man wirft uns immer vor: Entweder - oder. Aber am Ende glaube ich, wenn es uns nicht gelingt, die Hisbollah zu entwaffnen - und das ist ja nicht eine Aufgabe von jetzt auf gleich, die muss auch mit der Hilfe der Staatengemeinschaft angegangen werden – sendet das ein klares negatives Signal über die lokale Szene in die regionale und globale Szene was die Fähigkeiten des Westens angeht, sich gegen den Terror zu verteidigen.

    Jepsen-Föge: Sie sprechen die Hilfe der Staatengemeinschaft an. Die Staatengemeinschaft fordert beide Seiten - es sind nicht beides Staaten, Israel und die Hisbollah - auf, zunächst einen Waffenstillstand zu schließen, die Waffen ruhen zu lassen um dann weitere Schritte zu ermöglichen. Wäre Israel dazu bereit?

    Stein: Ich glaube nicht, dass es das ist, was die Staatengemeinschaft von uns fordert. Ich habe zunächst die Ausführungen der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice von gestern, und sie meint nicht, dass man jetzt zu einem sofortigen Waffenstillstand kommt.

    Jepsen-Föge: Der UN-Generalsekretär hat das gefordert. Auch in der Bundesregierung ist das gefordert worden.

    Stein: Ich glaube, wir halten uns an das, was die G8-Staaten letzte Woche in St. Petersburg verabschiedet haben. Und die Prinzipien, die ja auch die als Basis für einen Waffenstillstand dienen sollen, sind die bedingungslose Befreiung der israelischen Soldaten. Die darf man nicht vergessen und Israel wird es auch nicht vergessen. Dann der Stopp der Raketenbedrohung und erst dann die Implementierung der UNO-Resolution. Und wenn eigentlich durch die Befreiung und den Stopp der Raketen ein Waffenstillstand erreicht werden kann, dann werden wir auch dafür sein. Aber ein Waffenstillstand an sich ist ja kein Zweck.

    Jepsen-Föge: Gerade an diesem Wochenende hat nun doch eine rege internationale diplomatische Aktivität begonnen. Bundesaußenminister Walter Steinmeier hat sich am Samstag in Ägypten aufgehalten, an diesem Sonntag in Israel. Condoleezza Rice, die amerikanische Außenministerin, wird reisen. Andere sind unterwegs gewesen. Es gibt im Hintergrund viele Bemühungen. Welche Art von internationaler Aktivität halten Sie für aussichtsreich?

    Stein: Was wichtig ist, ist, dass wir uns über die Ziele und Prinzipien, eine Regelung, einen Waffenstillstand und langfristig eine Stabilisierung der Lage erleben. Und wir sind uns alle im Klaren, die Frage ist die der Umsetzung dieser Prinzipien. Und dahin, glaube ich, sollen auch die Gespräche, die internationalen Bemühungen gehen. Alle Versuche jetzt einen Waffenstillstand - übrigens, zwischen wem und wem? Zwischen Israel und der Hisbollah? Auf keinen Fall. Israel wird sich eben nicht auf einen Waffenstillstand mit der Hisbollah einlassen. Wir würden auch mit der Hisbollah über einen Waffenstillstand nicht verhandeln.

    Jepsen-Föge: Auch nicht über einen Gefangenenaustausch?

    Stein: Um das klar zu stellen, das ist auch nicht unsere Absicht. Ich habe gesagt, dass wir uns nicht noch einmal auf die alten Spielregeln einlassen werden. Wir haben es einmal probiert, und das wurde nicht belohnt. Denn, wie ich Ihnen gesagt habe, Nasrallah hat es als Zeichen der Schwäche genommen und jetzt noch einmal Soldaten entführt. Sollen wir uns auf solche Spielregeln von Fall zu Fall einlassen? Das ist ja eben klar nicht unsere Absicht. Deshalb glaube ich, die internationalen Bemühungen sollten dazu dienen, die Beschlüsse des Weltsicherheitsrates des Gipfels in St. Petersburg in die Tat umzusetzen.

    Jepsen-Föge: Wie kann das in die Tat umgesetzt werden? Sollte eine Friedenstruppe an die Grenze zwischen Israel und den Libanon entsandt werden? Und welcher Art? Hier in Deutschland wird ja diskutiert, dass das dann mit einem robusten Mandat sein sollte, also nicht nur eine Beobachtermission.

    Stein: Das sind bereits Modalitäten. Über die werden wir und die Staatengemeinschaft diskutieren. Wichtig ist hier, was Ihre Bemerkung über die Stationierung von internationalen Truppen entlang der Grenze angeht. Ich habe vorher, als Sie mich über die Verhältnismäßigkeit gefragt haben, über das Bedrohungspotential gesprochen und dazu auch ein paar Bemerkungen gemacht. Stationieren wir internationale Kräfte entlang der Grenze, bauen wir dort eine Pufferzone von zwei, drei Kilometern, geht das auf die Bedrohung der Raketen, die ja in 30, 40, 50, sogar 70 Kilometer und darüber hinaus entfernt sind. Insofern glaube ich, jede Truppe, jede Lösung muss sich mit den Ursachen, die zu dieser Eskalation geführt haben befassen. Um zukünftige Eskalationen zu vermeiden, müssen wir Lösungen finden, die auf das Bedrohungspotential der Hisbollah eingeht. Deshalb ist die Entwaffnung erforderlich, und ich könnte mir wohl vorstellen, eine internationale robuste Truppe wird mit dieser schwierigen Aufgabe befasst, die Hisbollah zu entwaffnen.

    Jepsen-Föge: Könnten zu dieser Truppe auch deutsche Soldaten gehören?

    Stein: Momentan ist das verfrüht, darüber nachzudenken.

    Jepsen-Föge: Aber eine Möglichkeit wäre das?

    Stein: Das wird dann die Entscheidung der Bundesrepublik sein.

    Jepsen-Föge: Herr Botschafter, zum Schluss: Wie bewerten Sie die Haltung der Bundesrepublik und nicht nur der Regierung, sondern auch der Opposition, die gesellschaftliche Diskussion, wie Sie sie hier erleben?

    Stein: Ich freue mich, dass die Bundesregierung Verständnis für den Kampf hat, den Israel jetzt gegen den Terror führt. Ich freue mich, dass weitgehend Einigung besteht, dass Israel sich jetzt in einem Verteidigungskrieg befindet. Ich bin froh, dass die Bundesregierung hinter der G8 und den Nationen steht, die ja eigentlich diese Krise zum Anlass nehmen will, um für eine langfristige Stabilisierung sowohl im Libanon als auch zwischen uns und den Palästinensern einen Beitrag zu leisten.

    Jepsen-Föge: Haben Deutsche das Recht, trotz der Verbrechen, die sie verübt haben, trotz des Holocaust, Israel zu kritisieren?

    Stein: Jeder Freund hat das Recht, wenn er es gut meint, uns zu kritisieren. Es geht ja nicht um das Prinzip, ist das legitim oder illegitim. Es kommt auf die Art und Weise an, wie man uns kritisiert und was die Motive für diese Kritik sind. Deshalb sage ich, Deutsche, Amerikaner, Franzosen haben das Recht, uns zu kritisieren. Aber wohlgemerkt, es muss konstruktiv sein, dass es eben nicht aus Motiven geschieht, die ja nur dann die Kritik eigentlich zum Anlass nehmen um etwas anderes zu sagen. Das haben wir auch in der Bundesrepublik in den letzten Jahren erlebt.