Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Steinbrück: Neues Rettungspaket für Hypo Real Estate unvermeidlich

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hält das neue Sicherungspaket für den Münchener Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate für unvermeidlich. Ein Zusammenbruch hätte wegen der Vernetzung des Unternehmens einen Flächenbrand im gesamten Bankenbereich ausgelöst, sagte Steinbrück. Der SPD-Politiker schloss nicht aus, dass der Finanzrahmen für die Rettung des Konzerns noch einmal erhöht werden müsse. Steinbrück bezeichnete es zugleich als undenkbar, mit dem derzeitigen Management der Hypo Real Estate weiter zusammenzuarbeiten.

Peer Steinbrück im Gespräch mit Silvia Engels | 06.10.2008
    Silvia Engels: Am Telefon ist nun der Bundesfinanzminister von der SPD. Guten Morgen, Peer Steinbrück.

    Peer Steinbrück: Guten Morgen.

    Engels: Als vor einer Woche das erste Rettungspaket für Hypo Real Estate geschnürt wurde, da sagten Sie mit Blick auf die Bedrohung des Finanzsystems, man habe zwischendurch in den Abgrund geschaut. Was haben Sie denn gestern getan?

    Steinbrück: Das Entsetzen war größer, weil wir natürlich nach einer Woche nicht damit gerechnet haben, dass sich in diesem Fall bei der Hypo Real Estate ein weiteres Liquiditätsloch auftut und dies auch noch aus der Presse erfahren. Das ist die Situation gewesen, mit der die Kanzlerin und ich am Samstagabend konfrontiert waren.

    Engels: Wie haben Sie es denn nun geschafft, dass nun die privaten Banken stärker mitziehen?

    Steinbrück: Das sind komplexe Lösungen. Lassen Sie mich versuchen, das umgangssprachlich so auszudrücken: Die Notenbanken, die Europäische Zentralbank und die Bundesbank sind bereit, ihr Sicherheitsfenster zu öffnen. Will sagen: Sie sind bereit, zusätzlich Wertpapiere zu beleihen, die bisher nicht notenbankfähig gewesen sind. Das bedeutet, dass wir darüber zusätzliche Liquidität schöpfen können und, wie ich hoffe, der Hypo Real Estate damit über die jetzigen Schwierigkeiten so hinweg helfen können, dass wir das Thema nicht schon wieder demnächst auf der Tagesordnung haben.

    Engels: Dann lassen Sie mich laienhaft zurückfragen: Diese Dinge, die bis jetzt nicht notenbankfähig waren, könnte das dann hinten herum doch wieder zu einer Belastung für die Bundesbank führen?

    Steinbrück: Die ehrliche Antwort lautet, das weiß keiner. Nicht, weil ich es verstecken will, nicht, weil ich geheimnisvoll irgendetwas zurückhalten will, sondern das weiß keiner. Wiederum umgangssprachlich formuliert: Das sind Wertpapiere, die wir in einem geordneten Verfahren verwerten wollen, also verkaufen wollen auf dem Markt. Aber das setzt voraus, dass wir ein solches geordnetes Verfahren organisieren können. Je besser dies gelingt, desto weniger fallen die Risiken zu Buche und desto weniger muss eine Bürgschaft des Bundes in Anspruch genommen werden.

    Engels: Wird denn die Höhe, die jetzt feststeht, reichen?

    Steinbrück: Es sind noch mal zusätzlich 15 Milliarden, wie ich zugebe für alle, die uns zuhören, eine unfassbare Summe. Aber man muss verstehen: Wenn wir dieses Institut jetzt fallen lassen, das ist so vernetzt mit Genossenschaften, mit Banken, mit Landesbanken, mit Ländern, mit Kommunen, mit Berufsgenossenschaften, was immer Sie wollen, dass das einen Flächenbrand auslöst. Das ist das Verständnis, um das ich werbe bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist nicht einfach der Fall, dass Banken Geld rübergeschoben wird, sondern wir haben es mit einer Situation zu tun, wo eine solche Dynamik, eine solche Erschütterungsdynamik entstehen kann, dass wir Verantwortung tragen, das jetzt zu lösen.

    Engels: Nun hatte ja die Bank Hypo Real Estate Ihnen in der vergangenen Woche Mitschuld an der erneuten Schieflage gegeben. Sie hätten öffentlich von Abwicklung des Finanzierers gesprochen und das hätte Spekulationen gegen die Hypo Real Estate in Gang gesetzt. Was antworten Sie?

    Steinbrück: Das ist so eine Art, sich frei zu sprechen von dem, was man selber zu verantworten hat, und dem Bund und der Politik die Risiken zuzuordnen. Der Unterschied zwischen geordneter Abwicklung und geordneter Verwertung ist garantiert nicht der Grund, warum sich zusätzliche Liquiditätslöcher von 15 Milliarden auftun. Ich bin da ziemlich betroffen, dass wir auf der einen Seite als Bund diese Bank retten sollen und auf der anderen Seite in eine Art anwaltlichem Schriftverkehr mit dieser Bank geraten. Da wundert man sich nur als Politiker.

    Engels: Verlangen auch Sie den Rücktritt von Hypo Real Estate Vorstandschef Georg Funke, wie Stimmen aus der CDU und den Grünen das fordern?

    Steinbrück: Viel wichtiger ist, dass es Stimmen aus dem Bankensektor selber sind, wie ich gestern Abend oder heute Nacht noch mal feststellen konnte. Ich halte es für undenkbar, dass mit dem jetzigen Management weiter zusammengearbeitet wird.

    Engels: Gestern hat die Bundesregierung erstmals eine staatliche Garantie für private Spareinlagen ausgesprochen. War das nötig? War es so eng?

    Steinbrück: Ja. Es war ein Signal der Bundeskanzlerin und mir, dass den Sparerinnen und Sparern in Deutschland signalisiert wird, ihr müsst nicht Angst um euere Spareinlagen haben. Das ist wichtig in dieser Situation, weil wir vermeiden wollen, dass die aus Unsicherheit, aus Angst plötzlich zu ihren Kreditinstituten laufen und Geld abheben. Das würde die Liquiditätsengpässe noch weiter verstärken. Insofern ist dies ein Signal der Politik, einfach Sicherheit zu signalisieren.

    Engels: Es ist ein Signal. Aber ist so etwas überhaupt abzusichern? Konservativ geschätzt geht es da ja um 570 Milliarden Euro. Wie kann ein Staat so etwas garantieren?

    Steinbrück: Man muss wissen, dass wir in Deutschland ein Einlagensicherungssystem vorgeschaltet haben. Einige sagen - und das zitiere ich -, es ist eines der besten Einlagensicherungssysteme weltweit. Diese Summe ist ungeheuerlich. Kein Mensch kann die fassen. Kaum einer weiß, wie viele Nullen da hinter irgendeiner 1 oder hinter einer 10 stehen. Wir wollen damit aber deutlich machen, über dieses Einlagensicherungssystem hinaus, das ja funktioniert, ist die Bundesrepublik Deutschland bereit, den Sparern zu signalisieren, habt keine Angst um euere Spareinlagen.

    Engels: Bekommen Sie denn nun international Ärger mit anderen europäischen Regierungschefs, denn die Briten zum Beispiel standen ja dieser Staatsgarantie für private Einlagen bislang skeptisch gegenüber?

    Steinbrück: Na ja, wir haben auf der europäischen Ebene in der Tat einen Prozess, auf den man achten muss, dass nicht alle zurückfallen nur in ihre nationale Sichtweise. Das Bedauerliche ist: Die Iren haben damit angefangen, andere haben nachgezogen. Wir werden uns in Europa verabreden. Heute tagt die Euro-Gruppe. Daran werde ich leider nicht teilnehmen können. Aber morgen tagt der Finanzministerrat der Europäischen Union. In Washington tagt der G7-Kreis am Donnerstag, Freitag, Samstag. Das sind die Gelegenheiten, um sich international weiter abzustimmen.

    Engels: Österreich hat schon eingelenkt. Auch die Österreicher wollen solche Garantien aussprechen. Haben Sie weitere Signale, dass das nun die flächendeckende Lösung in Europa wird?

    Steinbrück: Die Dänen sind dabei, andere Länder sind auch dabei. Das ist nicht so furchtbar Neues, was da gerade passiert. Wichtig ist, dass wir bezogen auf die Krisenprävention uns weiter abstimmen. Wie gehen wir weiter damit um, dass nicht außerhalb der Bilanzen erhebliche Risiken geführt werden? Wie wird Eigenkapital unterlegt? Wie ist es mit den Bilanzierungsregelungen? - Das hört sich alles sehr technokratisch an, ist aber sehr wichtig, um zukünftig solche Entwicklungen zu vermeiden, wie wir sie im Augenblick haben.

    Engels: Letzte Frage, Herr Steinbrück. Schließen Sie aus, dass der Staat seinen Bürgschaftsrahmen für Hypo Real Estate noch erhöht?

    Steinbrück: Nein. Das kann ich gar nicht, sondern wir müssen jetzt versuchen, über eine singuläre Lösung bei Hypo Real Estate in Deutschland insgesamt einen Schirm zu spannen, damit wir nicht von einem Fall zu dem anderen Fall geraten, ohne dass ich irgendeinen weiteren Fall herbeireden will. Glauben Sie mir, daran wäre ich als letzter interessiert.

    Engels: Der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in den "Informationen am Morgen". Ich bedanke mich für das Gespräch.