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Steinmeier als Kandidat für Gauck-Nachfolge
"Es gibt keine riesige Begeisterung in der CSU"

Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer hat die Unterstützung seiner Partei für Frank-Walter Steinmeier als neuen Bundespräsidenten bekräftigt. "Gegen die Person Steinmeier spricht nichts", sagte er im DLF. Der SPD-Politiker habe sich große Verdienste um das Land erworben. Doch so richtig glücklich ist man in der CSU trotzdem nicht.

Stephan Mayer im Gespräch mit Rainer Brandes | 14.11.2016
    In bunten Farben erstrahlt am Mittwoch (22.03.2006) das Schloss Bellevue in Berlin w
    Bellevue unplugged (dpa)
    Mayer räumte ein, er wolle nicht verhehlen, dass es keine riesige Begeisterung in den Reihen der CSU für Steinmeier gebe. Für ihn sei die Entscheidung aber vertretbar. Steinmeier habe das Amt des Außenministers mit bemerkenswerter Souveränität geleitet. Man müsse nicht mit jeder Entscheidung und jeder Wortwahl zufrieden sein, meine Mayer und brachte das Beispiel zum US-Wahlkampf: "Es war aus meiner Sicht nicht glücklich, den neu gewählten Präsidenten der USA, Donald Trump, im Wahlkampf als Hassprediger zu bezeichnen."

    Das Interview in voller Länge:
    Rainer Brandes: 8:30 Uhr heute Morgen, Telefonkonferenz der Unions-Spitzen. Kurz danach steht fest: Die Unions-Parteien sind jetzt auch für Frank-Walter Steinmeier, den amtierenden Außenminister und Sozialdemokraten, als Nachfolger von Joachim Gauck.
    Ich kann darüber jetzt mit Stephan Mayer sprechen, dem Innenpolitiker der CSU im Bundestag. Schönen guten Tag!
    Stephan Mayer: Guten Tag, Herr Brandes. Grüß Gott.
    Brandes: Herr Mayer, was spricht heute für Steinmeier, was gestern noch gegen ihn sprach?
    Mayer: Gegen die Person Steinmeier spricht nichts. Ich möchte nicht verhehlen, es gibt keine riesige Begeisterung jetzt in den Reihen der CSU, aber es ist aus meiner Sicht eine sehr gut vertretbare Entscheidung, den amtierenden Außenminister Frank-Walter Steinmeier als gemeinsamen Kandidaten der CDU/CSU und der SPD mit zu unterstützen. Er hat sich große Verdienste erworben um unser Land. Er hat aus meiner Sicht auch das Amt des Außenministers größtenteils sehr unfallfrei und auch für unser Land wirklich mit bemerkenswerter Souveränität auch geleitet.
    Man muss nicht immer mit jeder Entscheidung und mit jeder Wortwahl einverstanden sein. Es war aus meiner Sicht nicht sehr glücklich, den jetzt neu gewählten US-Präsidenten Trump im Wahlkampf als Hassprediger zu bezeichnen, und auch das Verzichten auf die Gratulation unmittelbar nach der Wahl war aus meiner Sicht nicht die glücklichste Antwort. Aber im Großen und Ganzen ist die Leistung von Frank-Walter Steinmeier vollkommen in Ordnung und wirklich auch sehr beachtlich. Vor dem Hintergrund, glaube ich, gibt es gute Gründe, ihn jetzt als gemeinsamen Kandidaten auch Seitens der CSU, aber auch Seitens der CDU mit zu unterstützen.
    "Die Frage war natürlich, geht man mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen"
    Brandes: Herr Mayer, wenn ich mir Ihre Wortwahl jetzt so anhöre, dann klingt das für mich danach, dass die Analyse von Stephan Detjen, unserem Leiter des Hauptstadtstudios, schon stimmt, dass Sie einfach keine personelle Alternative hatten. Müssen wir uns da langsam Sorgen um Ihre personelle Aufstellung machen?
    Mayer: Ich glaube, wenn man in die Länder sieht und sich auch auf der Bundesebene das Personaltableau der CDU/CSU ansieht, dann braucht man keine Angst und keine Bange haben um die Zukunft der beiden Unions-Parteien.
    Brandes: Na ja. Aber Sie hatten offenbar niemanden, den Sie Steinmeier entgegensetzen konnten.
    Mayer: Die Frage war natürlich, geht man mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen, unabhängig davon, ob man wirklich eine ernsthafte Chance hat, dann auch diese Wahl zu gewinnen. Und es stehen uns ja im nächsten Jahr sehr schwierige Wahlkämpfe bevor und auch sehr wichtige, auch sehr entscheidende Wahlen für unser Land: drei Landtagswahlen und dann im September 2017 die Bundestagswahl.
    Natürlich muss es unser Interesse als CDU/CSU sein, dass wir in dieses schwierige und sehr anspruchsvolle Wahljahr 2017 gut starten und nicht mit einer Wahlniederlage starten, und vor dem Hintergrund war diese Überlegung, glaube ich, sehr richtig und, wie auch berichtet, sehr vernunftsgeleitet, jetzt den amtierenden Außenminister, der sich im Inland wie im Ausland eine sehr hohe Reputation zu eigen gemacht hat, mit zu unterstützen.
    "Das war aus meiner Sicht eine sehr vernunftsgeleitete und richtige Entscheidung"
    Brandes: Sie haben nur Kandidaten, die gegen Steinmeier verloren hätten?
    Mayer: Na ja. Die Frage ist, ob es gelingt, selbst als größte Fraktion in der Bundesversammlung genügend Mitstreiter zu finden. Die Strategie von dem SPD-Vorsitzenden Gabriel war aus meiner Sicht deshalb auch nicht sehr fair, weil er sehr schnell ja mit dem Namen Steinmeier vorangeschritten ist. Mein Wunsch war es immer, dass man im Konsens einen gemeinsamen Kandidaten findet, aber nachdem der Vorschlag Frank-Walter Steinmeier sehr schnell im Raum stand, war natürlich die Frage die, ob es gelingt, aus den anderen Fraktionen in der Bundesversammlung genügend Mitstreiter zu finden.
    Da war die Überlegung, glaube ich, schon sachgerecht, dass es schwierig sein dürfte, genügend grüne Wahlmänner neben FDP-Wahlmännern davon zu überzeugen, einen Unions-Kandidaten mit zu unterstützen. Das hat nichts mit fehlendem Mut zu tun oder mit Feigheit, sondern das war aus meiner Sicht eine sehr vernunftsgeleitete und richtige Entscheidung.
    Brandes: Apropos grüne Wahlmänner. Sie hätten ja eine Alternative gehabt. Sie hätten Winfried Kretschmann vorschlagen können, den grünen Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg. Der hätte es gemacht, wenn er gefragt worden wäre. Wollten Sie dieses schwarz-grüne Signal so kurz vor der Bundestagswahl dann doch nicht setzen?
    Mayer: Man muss sich natürlich schon ansehen: Neben der hohen Reputation, über die der grüne Ministerpräsident Kretschmann verfügt, gibt es natürlich zwischen der Union und den Grünen aus meiner Sicht nach wie vor sehr überschaubare gemeinsame Schnittmengen.
    "Natürlich steht nicht nur der Kandidat zur Disposition, sondern auch die Partei"
    Brandes: Na ja. Aber bei Herrn Kretschmann sind die Schnittmengen schon ziemlich groß, oder?
    Mayer: Ja. Aber natürlich steht nicht nur der Kandidat zur Disposition, sondern auch die Partei, für die er steht, und Sie sagen ja richtig, mit einer Wahl von Kretschmann wäre natürlich auch ein Signal im Hinblick auf die Bundestagswahl ausgesandt worden. Und wenn ich mir insbesondere den Grünen-Parteitag vom letzten Wochenende in Münster zu Gemüte geführt habe und die Entscheidungen, die dort getroffen wurden, dann glaube ich, dass diese gemeinsamen Schnittmengen mit den Grünen nicht größer geworden sind. Ganz im Gegenteil.
    Wenn man sich ansieht, dass sich die Grünen von Sanktionen bei Hartz-IV-Betrügern verabschieden, dass das Ehegattensplitting zur Disposition gestellt wurde, dass in vielerlei Hinsicht, auch in außenpolitischer Hinsicht die Grünen wesentlich weiter links abgedriftet sind, dann glaube ich, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt ein falsches Signal gewesen wäre, mit Kretschmann jetzt einen gemeinsamen grün-schwarzen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Die Gemeinsamkeiten sind da eben sehr überschaubar.
    Brandes: Herr Mayer, nun hat sich die Union wochenlang gegen einen Kandidaten Steinmeier gewehrt. Jetzt stimmt sie ihm doch zu. Dieses wochenlange Geschachere, befördern Sie damit nicht letztlich die Politikverdrossenheit der Bürger noch mehr und es entsteht nur der Eindruck, denen geht es gar nicht um einen guten Kandidaten, sondern nur um die parteipolitische Macht?
    Mayer: Nein! Ich möchte wirklich auch in aller Deutlichkeit dem Eindruck entgegentreten, dass sich die Union gegen einen Kandidaten Steinmeier gewehrt hat. Wir haben immer dafür plädiert, dass ein gemeinsamer Kandidat in der Großen Koalition gefunden wird.
    "Diese Entscheidung, Frank-Walter Steinmeier mit zu unterstützen, ist keine, die mit Begeisterung getroffen wird."
    Brandes: Ja, zum Beispiel Herr Steinmeier.
    Mayer: Das ist jetzt Herr Steinmeier. Ich glaube aber schon, dass es auch das gute Recht der Union ist, die sowohl in den Reihen der CDU und der CSU die meisten Wahlmänner in der Bundesversammlung stellt, sich zunächst mal selbst Gedanken über einen eigenen Kandidaten zu machen. Wenn man dann keinen Kandidaten ins Rennen schickt, ist dies aus meiner Sicht jetzt kein Geschachere oder auch keine Entscheidung aus machtpolitischen Erwägungen, sondern das ist eine vernunftsgeleitete Entscheidung, die auch dazu führt, dem Amt auch keinen Schaden zuzuführen.
    Ich glaube nicht, dass es im Sinne des Amtes wäre, wenn jetzt ein aggressiver Wahlkampf entbrennen würde mit zwei vielleicht gleichrangigen, auch gleich veritablen Kandidaten, möglicherweise zwei Mitgliedern der Bundesregierung. Das wäre, glaube ich, bis zum 12. Februar nächsten Jahres auch kein wünschenswertes Szenario. Vor dem Hintergrund, glaube ich, ist diese Entscheidung, jetzt Frank-Walter Steinmeier mit zu unterstützen, keine, die mit Begeisterung getroffen wird. Das wäre jetzt auch naiv und auch verfehlt von mir, wenn ich es so darstellen würde. Aber es ist eine vernunftsgeleitete Entscheidung, die jetzt aber auch nichts mit Geschachere oder mit machtpolitischen Ränkespielen zu tun hat.
    "Man hat es der Bundeskanzlerin und der CDU-Vorsitzenden auch nicht einfach gemacht."
    Brandes: Täuscht eigentlich der Eindruck, dass Angela Merkel keine gute Hand im Finden von Bundespräsidenten-Kandidaten hat? Denn auch schon Joachim Gauck musste der Union ja sozusagen aufgedrückt werden. Den wollte Angela Merkel anfangs auch nicht.
    Mayer: Na ja, man könnte diesen Eindruck haben. Aber ich möchte dem auch entgegentreten. Die Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende hatte hier natürlich wirklich auch deshalb einen schweren Stand, weil es ihr der SPD-Vorsitzende Gabriel nicht leicht gemacht hat. Ich fand dieses sehr frühzeitige und sehr massive Vorpreschen des SPD-Vorsitzenden wirklich nicht sehr glücklich, gerade auch vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit, der auch vertrauensvollen Zusammenarbeit in der Großen Koalition und auch im Hinblick auf die Achtung vor dem Amt des Bundespräsidenten, und insoweit hat man es der Bundeskanzlerin und der CDU-Vorsitzenden auch nicht einfach gemacht.
    Ich glaube, dass jetzt eine wirklich sehr vertretbare, sehr gut vertretbare Entscheidung getroffen wurde, auch maßgeblich mit getroffen wurde von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, und mit der Entscheidung, sofern sie auch dann die Mehrheit in der Bundesversammlung findet, was natürlich sehr wahrscheinlich ist, glaube ich, kann auch Deutschland gut leben.
    Brandes: Stephan Mayer war das, Innenpolitiker der CSU im Bundestag. Herzlichen Dank!
    Mayer: Bitte schön! Schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.