Donnerstag, 18. April 2024

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Sterbehilfe
Schwierige Debatte im Bundestag

Wie soll das Thema Sterbehilfe künftig gesetzlich geregelt sein? Die Bundestagsabgeordneten haben in ihrer Orientierungsdebatte ihre persönliche Haltung geschildert. Bundestagspräsident Nobert Lammert (CDU) sprach von dem "vielleicht anspruchsvollsten Gesetzgebungsprojekt dieser Legislaturperiode".

13.11.2014
    Das Plenum des Bundestags bei der Debatte über die Pflegereform am 17.10.2014.
    Fast 50 Abgeordnete bezogen in der Orientierungsdebatte des Bundestags zum Thema Sterbehilfe Stellung. (picture alliance / dpa / Bern von Jutrczenka)
    In einem Punkt waren sich alle Abgeordneten in der rund vierstündigen Debatte einig: dass die Palliativmedizin weiter gestärkt werden soll, um die Schmerzen von todkranken Patienten zu lindern. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte in seinem Redebeitrag, dass die Große Koalition in den vergangenen Tagen ein Eckpunktepapier vorgelegt habe. Es sehe den Ausbau der medizinischen und pflegerischen Begleitung für Schwerst- und Sterbenskranke vor. Darin geht es unter anderem um eine bessere Finanzierung von Hospizen.
    Gröhe befürwortet, zusammen mit der Mehrheit der Unionsfraktion, ein weitgehendes Sterbehilfeverbot. Vereine, die Patienten bei der Umsetzung ihres Todeswunsches helfen sollen, oder auch die ärztlich begleitete Selbsttötung, sollten ihrer Meinung nach nicht erlaubt werden. Viele haben Befürchtungen wie der CDU-Abgeordnete Michael Brand: "Wir werden am Ende zur Tötung auf Verlangen kommen", das dürfe nicht passieren. Der Vorschlag aus der Unionsfraktion ist eines von insgesamt fünf Positionspapieren im Bundestag. Insgesamt nahmen in der Orientierungsdebatte knapp fünfzig Abgeordnete Stellung - viele berichteten von persönlichen Erfahrungen.
    Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bei seiner Rede im Bundestag.
    Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sprach sich für eine Stärkung der Palliativmedizin aus. (picture alliance / dpa / Bern von Jutrczenka)
    "Zwang zum Qualtod"
    Eine Parlamentariergruppe um die stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Carola Reimann und Karl Lauterbach fordern, den ärztlich assistierten Suizid zu ermöglichen. Dafür sollen sieben Bedingungen erfüllt sein, außerdem müsse der Patient den Selbstmord persönlich angehen - ihm dürfte also niemand anderes ein tödliches Medikament verabreichen. Diesem Papier hat sich auch der CDU-Politiker Peter Hintze angeschlossen. "Ich halte es für unvereinbar mit dem Gebot der Menschenwürde, wenn aus dem Schutz des Lebens ein Zwang zum Qualtod würde", begründete er seine Haltung im Plenum.
    Die SPD-Abgeordnete Eva Högl (SPD) setzt sich mit ihrer Parteikollegin Kerstin Griese für einen größeren Handlungsspielraum der Ärzte ein. Die Mediziner sollten in "ethischen Grenzssituationen" doch Patienten den Todeswunsch gestatten dürfen. Suizidbegleitung sei zwar keine ärztliche Aufgabe, dem einzelnen Mediziner müsse aber eine Gewissensentscheidung ohne Sanktionen möglich sein, sagte Högl.
    Suizidentscheidung ein Akt der Hilflosigkeit?
    Bei den Grünen gibt es die Idee, die Beihilfe zum Suizid für Verwandte und dem Patienten nahestehende Personen straffrei zu lassen - dazu könnten auch Ärzte gehören. Es stelle sich die Frage, ob von Selbstbestimmung die Rede sein könne, wenn die Entscheidung durch Angst vor Schmerzen, Einsamkeit und Hilflosigkeit falle, sagte die Abgeordnete Elisabeth Scharfenberg. Das könnten nahestehende Personen besser einschätzen als externe Vereine.
    Die Grünen-Politikerin Renate Künast sprach sich mit ihrem eigenen Konzept gegen rechtliche Änderungen aus. Die heutige Rechtslage sei klüger als alles, was zur Neuregelung der Sterbehilfe vorgeschlagen werde, so Künast. Grundsätzlich will sie Sterbehilfevereine erlauben, aber streng regulieren. Sie steht mit diesem Vorschlag bisher aber recht alleine da - eine Mehrheit ist für ein Verbot solcher Organisationen.
    Positive Reaktionen von Kirchen und Ärzten
    Dass sich eine Mehrheit für ein Verbot solcher Organisationen abzeichnet, hält Ärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery für begrüßenswert. Ärzte sollten aus seiner Sicht zudem nicht in die Beihilfe zum Suizid einbezogen werden. "Das Berufsethos verpflichtet den Arzt, Hilfe zum Leben zu leisten, nicht Hilfe zum Sterben", so Montgomery. Er lobte die Abgeordneten außerdem dafür, dass sie sich für das schwierige Thema so viel Zeit genommen hätten. Ähnlich äußerten sich auch Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland.
    Die Parlamentarier haben noch bis zum kommenden Herbst Zeit, sich über ihre Haltung zum Thema Sterbehilfe Gedanken zu machen, erst im Herbst 2015 soll ein neues Gesetz stehen. Der Fraktionszwang wird dann, wie üblich bei ethisch heiklen Fragen, entfallen.