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Stern im Sinkflug

Am 1. Juni ist Wahltag im Fußball-Weltverband FIFA. Die große Frage ist, ob sich doch noch ein Herausforderer für den Präsidenten Joseph Blatter findet. Ein FIFA-Exekutivmitglied macht seit Wochen mit Kritik an Blatter Schlagzeilen: sein ehemaliger Gefährte Mohamed Bin Hammam aus Katar, der Präsident der asiatischen Konföderation AFC.

Von Jens Weinreich | 31.01.2011
    Die Sport-Karriere von Mohamed Bin Hammam ist eng mit seiner Freundschaft zum Emir Hamad Bin Khalifa Al-Thani verbunden. 1995, als der Emir seinen in der Schweiz weilenden Vater aus dem Amt putschte, begann Bin Hammams steiler Aufstieg. Und das ging so: Der Fußball-Weltverband FIFA hatte die Junioren-WM U20 aus Nigeria zu verlegen und suchte einen Partner, der binnen sechs Wochen das Turnier ausrichten konnte. Katars damaliger Verbandschef Bin Hammam bot sich an - und der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter willigte ein. Wenngleich er wohl zunächst noch im Atlas nachschlagen musste, wo sich das Emirat befindet.

    Katar meisterte die Junioren-WM souverän. 1996 kam Bin Hammam ins FIFA-Exekutivkomitee. Und als Blatter 1998 im letzten Moment für den FIFA-Vorsitz kandidierte, war es der Emir von Katar, der seinen Wahlkampf sponserte. Im Jet des Emirs flogen Blatter und Bin Hammam monatelang durch die Welt und sammelten vor allem in Afrika Stimmen - 1998 und auch beim zweiten präsidialen Wahlkampf 2002. Es flossen viele Millionen Dollar, getarnt als Entwicklungshilfe. Blatter und Bin Hammam haben oft gesagt, dass sie selbstverständlich davon ausgehen, dass sich die Begünstigten bei FIFA-Wahlen erkenntlich zeigen. So funktioniert das Geschäft.

    2007 brauchte Blatter keinen Wahlhelfer - beim dritten Anlauf wurde er per Akklamation im Amt bestätigt. Spätestens damals wurde Bin Hammam unruhig. Denn irgendwann hatte ihm Blatter versprochen, dass er ihm nachfolgen dürfe. Doch Blatter denkt bis heute nicht daran, sein Amt aufzugeben, er wird im März 75 und kandidiert im Juni für weitere vier Jahre. Bin Hammam wird im Mai 62 Jahre alt. Blatter hat sogar damit kokettiert, 2015 ein fünftes Mal anzutreten. Und er hat schon vor zwei Jahren versucht, Bin Hammam als seinen potenziellen Nachfolger abzusägen: Blatter unterstützte einen arabischen Putsch des bahrainischen Scheichs Salman, der Bin Hammam als Präsident der Asiatischen Fußball-Konföderation AFC ablösen wollte.

    Bin Hammam siegte knapp nach einem schmutzigen Wahlkampf - das Tischtuch war zerschnitten. Bin Hammam ging zum Angriff über und feierte vor einem Jahr einen ersten Erfolg, als er dafür sorgte, dass Blatter seinen wichtigsten politischen Mitarbeiter und Trouble-Shooter Jerome Champagne entlassen musste.

    Während der WM-Bewerbung von Katar konnte Blatter Bin Hammam noch einige Zeit domestizieren. Es gab im April 2010 ein denkwürdiges Treffen mit Emir Hamad, bei dem klar gemacht wurde, dass Katar nur eine Chance auf die WM habe, wenn der Emir Bin Hammam bändigte. So geschah es. Bin Hammam stichelte einige Monate nicht mehr gegen Blatter. Katar dürfte sich die WM-Ausrichtung 2022 mit märchenhaften Summen erkauft haben.

    Doch Blatters Rechnung scheint nicht ganz aufzugehen: Denn seit diesem 2. Dezember 2010, seit der WM-Vergabe an Russland und Katar, ist sein Stern im Sinken. Mit der WM und den Milliarden des Emirs im Rücken geht Bin Hammam wieder zum Angriff über und erneuert Woche für Woche seine Kritik am FIFA-Präsidenten. Die Amtszeit sollte auf maximal zwölf Jahre begrenzt werden - das fordert Bin Hammam seit Ewigkeiten. Auch besteht er auf der Ausschreibung und dem Bewerbungsbuch und also darauf, dass die WM 2022 im Sommer und nur in Katar ausgetragen wird - nicht in anderen Emiraten und nicht im Winter.

    Bis 31. März können Präsidentschaftskandidaten benannt werden. Die Anzeichen verdichten sich, dass Bin Hammam gegen Blatter antritt. Wahrscheinlich wird ihn sogar sein alter Intimfeind unterstützen, der Hyundai-Milliardär Chung Moon-Jong, der sich aus anderen Gründen an Blatter rächen will. Die Probleme für Blatter werden täglich größer, seine Allianzen bröckeln. Jähe Wendungen sind keinesfalls ausgeschlossen.