Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Stern mit sechs Trabanten

Astronomie.- 1995 haben Astronomen den ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems entdeckt. Bis heute sind über 500 weitere solcher Exoplaneten hinzugekommen. Nun scheint die nächste Stufe erreicht: Die erste größere Planetenansammlung außerhalb des Sonnensystems ist ausgemacht.

Von Frank Grotelüschen | 03.02.2011
    Eigentlich sieht Jack Lissauer nicht aus wie jemand, der vorschnell Superlative in den Mund nimmt. Doch was die jüngste Entdeckung des Weltraumteleskops Kepler anbelangt, da gibt es für den NASA-Forscher nur ein angemessenes Wort:

    "Supercalofreshalisticexpialadocious!”"

    Seit anderthalb Jahren kreist Kepler im Orbit und starrt unentwegt auf ein kleines Himmelssegment nahe des Sternbilds Schwan. Rund 150.000 Sterne hat das NASA-Teleskop im Blick, um nach schwachen, aber charakteristischen Flimmer-Signalen zu suchen. Dieses Flimmern entsteht immer dann, wenn sich ein Planet für ein paar Stunden vor seinen Stern schiebt und ihn ein wenig abdunkelt. Mit dieser Methode konnte Kepler bereits eine Handvoll Exoplaneten aufspüren, etwa den Felsplaneten Kepler-10, oder Kepler-9, ein kleines Sonnensystem mit drei Planeten. Der größte Coup aber glückte jetzt – die Entdeckung von Kepler-11.

    ""Kepler-11 besteht aus sechs Planeten, die alle denselben Stern umkreisen. Dieser Stern ist sonnenähnlich und etwa 2000 Lichtjahre von uns entfernt. Das Licht, das Kepler heute sieht, hat den Stern zu jenem Zeitpunkt verlassen, als Julius Cäsar die Welt eroberte."

    Dann machten sich Lissauser und seine Kollegen an die genaue Datenanalyse – und stießen auf eine handfeste Überraschung.

    "Die fünf inneren Planeten umkreisen den Stern auf sehr engen Umlaufbahnen. Alle fünf Planeten befinden sich näher an ihrem Stern als Merkur, der innerste Planet unseres Systems, an der Sonne. Wir hätten nie damit gerechnet, dass es Sonnensysteme geben könnte, bei denen so viele Planeten so eng beieinander sind."

    Deshalb müsse man die Theorien der Planetenentstehung überdenken, meint Jack Lissauer. Die Umlaufbahnen der Planeten liegen derart eng beieinander, dass sie sich kraft ihrer Gravitation gegenseitig beeinflussen, sich gegenseitig ein wenig aus ihren Umlaufbahnen schubsen. Auch diese Abweichungen konnte Kepler messen. Und damit konnten Lissauer und seine Leute abschätzen, wie groß und schwer die fernen Planeten sind.

    "Diese Planeten sind nicht riesig, nicht so groß wie Jupiter. Aber sie sind auch nicht klein. Der kleinste hat den doppelten Durchmesser der Erde, der größte ist mehr als viermal so groß. Ihre Dichte ist allerdings deutlich niedriger als die der Erde. Es sind also keine Felsplaneten. Es sind aber auch keine reinen Gasplaneten wie Jupiter oder Saturn. Sie könnten einen festen Kern besitzen – wie ein Marshmallow mit einem kleinen festen Bonbon in der Mitte."

    Leben aber dürfte es auf keinem der Planeten geben, dazu ist es auf ihnen schlicht zu heiß. Doch Kepler hat schon die Signale von 1200 weiteren Kandidaten aufgeschnappt. Bei 50 dieser Kandidaten könnte es sich um erdähnliche Planeten handeln, die in einem lebensfreundlichen Abstand um ihre Sterne kreisen – einem Abstand, bei dem es weder zu heiß noch zu kalt ist für das Leben, sagt NASA-Forscher Douglas Hudgins.

    "Der Heilige Gral von Kepler ist natürlich die Entdeckung eines erdähnlichen Planeten, der in einer bewohnbaren Zone um einen sonnenähnlichen Stern kreist. Aber so eine Entdeckung wird Zeit brauchen. Denn Kepler ist erst seit anderthalb Jahren im All. Und es wird mindestens drei weitere Jahre an Datennahme brauchen, bis wir eine Chance haben, eine zweite Erde zu finden."

    Und wenn das tatsächlich klappt, wird es für NASA-Forscher Jack Lissauer nur ein angemessenes Wort geben:

    ""Supercalofreshalisticexpialadocious!”"