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Steueroasen in Europa
"Luxleaks"-Untersuchungsausschuss wird wahrscheinlicher

Viele Europaparlamentarier wollen die "Luxleaks"-Affäre nun doch mit einem Untersuchungsausschuss aufklären. Nötig ist dafür die Zustimmung von einem Viertel der Abgeordneten. Bisher hatten sich nur die Linken hinter die Forderung der Grünen gestellt - doch das ändert sich langsam.

Von Jörg Münchenberg | 08.01.2015
    Jean-Claude Juncker
    Dem EU-Kommissionspräsidenten und ehemaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker droht Ärger. (dpa/EPA/Olivier Hoslet)
    Es hat ein wenig gedauert, doch inzwischen ist die Unterstützerliste im Europäischen Parlament zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Steuervermeidungspraxis in vielen EU-Mitgliedsländern deutlich länger geworden. Bemerkenswert ist dabei vor allem der Sinneswandel im christdemokratischen Lager. Neben Werner Langen, CDU, hat jetzt auch Martin Ferber, CSU, den von den Grünen forcierten Antrag unterschrieben:
    "Mir geht's darum, dass wir im Bereich fairer Steuerwettbewerb wirklich Fortschritte erzielen. Und das gelingt nicht, indem wir mit den üblichen parlamentarischen Verfahren arbeiten, sondern ich halte nur einen Untersuchungsausschuss für das geeignete Instrument. Ich bin jetzt 20 Jahre mit dabei – vom Rücktritt der Santer-Kommission über andere Untersuchungsausschüsse hin überlebt: Nur wenn das Parlament diesen Druck aufgebaut hat, hat sich auch substanziell etwas verändert."
    188 Stimmen sind nötig
    Das Problem für die Initiatoren: Sie müssen mindestens 188 Stimmen erreichen, damit überhaupt ein solcher Untersuchungsausschuss eingerichtet werden kann. Das aber nur mit den Abgeordneten der europafreundlichen Parteien im EU-Parlament, betont der Grüne Sven Giegold, der sich maßgeblich für diese parlamentarische Waffe stark gemacht hat, die auch von der Linken unterstützt wird. 160 Stimmen habe man bereits beisammen. Daher, so der Grüne, sei es nur noch ein kleiner Schritt zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses:
    "Das europäische Recht verpflichtet alle Mitgliedsländer zur guten Kooperation. Das aber ist heute im Bereich der Steuern nicht der Fall, sondern die Länder greifen sich gegenseitig in die Tasche. Und herauszufinden, wer eigentlich Ross und Reiter sind und wer auch in der Vergangenheit Steuerkooperationen verhindert hat, darum geht es uns. Das kann niemand besser als ein Untersuchungsausschuss. Denn nur ein Untersuchungsausschuss hat Zugang zu Dokumenten, die ansonsten uns nicht zur Verfügung stehen."
    Hochpolitische Angelegenheit
    Doch die angestrebte parlamentarische Aufarbeitung von Luxleaks und anderen dubiosen Steuerpraktiken in der EU ist natürlich eine hochpolitische Angelegenheit. Das liegt auch an der neuerdings sehr engen Bindung zwischen EU-Parlament und EU-Kommission – die aber ausgerechnet vom ehemaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker geführt wird, der allerdings eine unmittelbare Verantwortung für die umfangreichen Absprachen zwischen Unternehmen und den Steuerbehörden in Luxemburg bestreitet.
    Trotzdem befürchten offenbar die Fraktionsspitzen von Sozial- und Christdemokraten ein mögliches Juncker-Bashing vor einem Untersuchungsausschuss. Deshalb einigten sich die beiden größten Fraktionen im Haus auf die Erstellung zweier Initiativberichte, die vor allem Vorschläge für eine bessere Steuergesetzgebung in Europa unterbreiten sollen. Das aber reiche nicht aus, sagt auch die portugiesische Sozialdemokratin Ana Gomes, die ebenfalls die Petition für den U-Ausschuss unterschrieben hat:
    "Die Große Koalition hat zugelassen, dass dieses System funktionieren konnte. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, denn ich gehöre einer dieser Parteien an. Aber gerade deshalb finde ich, dass wir als Sozialdemokraten und Sozialisten die Führung übernehmen müssen, wenn es darum geht, das System aufzudecken."
    Das politische Kalkül dabei: am Ende dürfte der Druck so groß werden, dass auch die Fraktionsspitzen von EVP und S&D den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Steueroasen in Europa unterstützen müssen, gibt sich Gomes optimistisch:
    "Wenn wir genügend Unterschriften zusammen bekommen – und da sind wir sehr nah dran, glaube ich, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass die Konferenz der Präsidenten den Vorstoß einer stattlichen Anzahl von Abgeordneten wieder einkassiert. Denn das hätte einen öffentlichen Aufschrei zur Folge."
    Formal müssen am Ende die Fraktionschefs und der Präsident des Europäischen Parlaments entscheiden. Aber schon in der nächsten Woche, so heißt es, könnte die notwendige Unterstützerzahl von 188 Abgeordneten erreicht werden. Praktischerweise eine Sitzungswoche des gesamten Parlaments in Straßburg.