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Steuerpolitik
"Den Soli endlich abbauen"

Solidität gehöre zum Markenkern der Union, sagte CSU-Finanzminister Markus Söder im Dlf. Stabile Finanzen und die Entlastung der Steuerzahler seien daher Hauptziele der Union. Weitere Steuererhöhungen, wie von der SPD vorgeschlagen, seien absurd.

Markus Söder im Gespräch mit Dirk Müller | 22.06.2017
    Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU)
    CSU-Finanzminister Markus Söder fordert den Abbau des Soli für alle. (picture-alliance / dpa / Matthias Balk)
    Dirk Müller: Das ist mal was, eine klare Kante der SPD, eine klare Kante von Martin Schulz. Ein Steuerkonzept hat der Spitzenkandidat vorgeschlagen. Kleinere und mittlere Einkommen sollen entlastet werden um rund 15 Milliarden Euro. Dafür sollen Besserverdienende durch einen höheren Spitzensteuersatz mehr Steuern zahlen. Die Kritik kommt programmiert von den zuständigen Seiten und Stellen, allen voran von der deutschen Industrie, von der deutschen Wirtschaft, aber auch von CDU und CSU. Aber wo ist das Steuerkonzept der Union? Wo ist das Steuerkonzept der Kanzlerin? Jetzt muss die Union so langsam aber sicher Farbe bekennen. Wer will welche Steuerpolitik? Das wird seit Jahren diskutiert. Seit Jahren Milliarden-Überschüsse im Haushalt. Jetzt haben die Sozialdemokraten Farbe bekannt, wir haben das gerade gehört. Nun warten alle auf die Union, auf die Vorschläge von Angela Merkel, von Wolfgang Schäuble. Und auf Markus Söder, bayerischer Finanzminister (CSU), der sich schon mehrfach klipp und klar für Steuersenkungen ausgesprochen hat. Er ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen!
    Markus Söder: Guten Morgen! – Grüß Gott.
    Müller: Herr Söder, wer bremst Sie die ganze Zeit aus?
    Söder: Keiner bremst. Wir haben ja schon seit langer Zeit die Diskussion um Steuersenkung begonnen, als die SPD gesagt hat, es muss eher um Steuererhöhung gehen. Und wenn man das Konzept der SPD anschaut, dann stellt man fest, dass es Entlastungen gibt. Das freut uns, aber leider wieder durch die Hintertür eine Menge, Menge an zusätzlichen Belastungen, und zwar nicht nur für Superreiche, sondern für die breite Mitte der Gesellschaft, die Leistungsträger. Insofern ist das SPD-Konzept ein klassisches Konzept, das reine Umverteilung ist, was das Gegenteil ist zu dem, was wir machen. Wir wollen Steuersenkung für alle und keine Steuererhöhung.
    Müller: Sie sagen das nach wie vor, es gibt Steuersenkungen. Horst Seehofer hat gesagt, die größte Steuersenkung aller Zeiten. Viele sind gespannt, was im Juli auf den Tisch kommt. Sie versprechen jetzt klipp und klar, es wird an keiner Stelle Steuererhöhungen geben?
    "Entlastung der kleineren, unteren Einkommen"
    Söder: Wir haben ja als CSU bereits von der Staatsregierung, von der Partei im letzten Jahr unsere gesamten Steuerkonzepte gemacht. Es hat uns sehr gefreut, dass die SPD jetzt quasi abschreibt. Denn die Entlastung der kleineren unteren Einkommen, das ist die Veränderung des Tarifs. Die stammt ja aus der Feder der CSU.
    Müller: Also ist das schon mal richtig, was die SPD vorgeschlagen hat.
    Söder: 15 Milliarden Entlastung ist das, was wir an Einkommenssteuer bei den kleineren und mittleren Einkommen wollen. Wir wollen einen faireren Spitzensteuersatz, weil es in Deutschland echt unfair ist, dass normale Arbeitnehmer, Facharbeiter, Handwerksmeister plötzlich im Spitzensteuersatz sind. Also das, was Fußballspieler, Millionäre und auch Moderatoren verdienen. Da muss noch mehr Gerechtigkeit an der Stelle herrschen, das fairer zu gestalten. Das ist das eine. Das zweite: Wir wollen den vollständigen Abbau des Soli gemeinsam, so wie es die Kanzlerin gesagt hat, schrittweise, und nicht etwa eine Mogelpackung. Warum sollen denn einige Teile der Bevölkerung deutlich später oder gar keinen Abbau beim Soli bekommen? Der Soli war gekoppelt an den Aufbau Ost.
    Müller: Weil sie mehr Geld verdienen, Herr Söder.
    Söder: Der Soli ist gekoppelt an eine Aufgabe, weil es eine Abgabe ist. Ich glaube, dass die Pläne der SPD vielleicht sogar verfassungswidrig sind, denn eine Abgabe hat einen Zweck. Wenn dieser Zweck wegfällt, also der Aufbau Ost, dann kann auch diese Abgabe nicht gehalten werden. Insofern hat die Kanzlerin völlig Recht, da hat sie unsere völlige Unterstützung, der Soli muss für alle abgebaut werden.
    Müller: Ich hatte zwischendurch noch mal gefragt, Sie haben das ja angesprochen. Die 15 Milliarden, das, was die SPD jetzt in einem ersten Schritt vorsieht, wie auch immer, die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen. Da haben Sie gesagt: Das ist eine Kopie dessen, was Sie eigentlich wollen. Das heißt, hier machen die Sozialdemokraten einen guten Vorschlag?
    "Tausende Arbeitsplätze in Deutschland verloren"
    Söder: Nein. Die SPD macht den Fehler, dass sie zwar bei den unteren und kleinen Einkommen entlasten will. Das hatten wir ja vorgeschlagen. Dafür bin ich übrigens selber von der SPD massiv angegriffen worden noch vor wenigen Wochen. Insofern ist dieser therapeutische Effekt ja positiv. Aber sie wollen das kompensieren durch massive Steuererhöhungen, durch erneut eine Veränderung der Erbschaftssteuer, was insbesondere beim Übergang im Unternehmensbereich dazu führen kann, dass Tausende von Arbeitsplätzen in Deutschland verloren werden. Genau diese Dinge wollen wir nicht. Wir wollen zum Beispiel auch Entlastung und Stärkung von Forschung und Entwicklung, ein Baukindergeld zur Stärkung für Familien des Wohnungsbaus. Wir wollen, was ganz besonders wichtig ist, dann auch die Abschreibebedingungen für das Thema Wohnungen in Deutschland verstärken. All das ist bei der SPD blank, da gibt es gar nichts, und insofern ist das leider im Wesentlichen ein klassisches Umverteilungskonzept, und das ist deswegen schade, weil es nicht gerecht wird der Tatsache, dass in Deutschland, wie Sie richtig gesagt haben, Rekordüberschüsse sind und gleichzeitig Niedrigzinsen, dass die vor allem die Sparer, die kleinen und mittleren Einkommen besonders belasten.
    Müller: Ja, das tun sie. Aber es geht ja offenbar so weiter in der Europäischen Zentralbank und die Bundesregierung trägt das dann auch offenbar mit Wolfgang Schäuble mit.
    Söder: Eben! Die Bundesregierung kann das ja nicht verändern, weil die Europäische Zentralbank unabhängig ist. Aber die Bundesregierung sagt ja auch, dass es eine Veränderung der Zinspolitik geben muss. Sie haben natürlich recht in der Einschätzung. Aber das bedeutet ja, wenn ich diese Null-Zins-Politik weiter habe, wenn ich die Rekordüberschüsse habe, dass deswegen jetzt die Zeit ist, etwas zurückzugeben. Und wenn ich den Satz noch schnell sagen darf: Es ist doch geradezu absurd bei Rekord-Steuereinnahmen, dass eine SPD jetzt in dieser Phase Steuern erhöhen will. Jetzt muss der Staat endlich mal den Bürgern was zurückgeben.
    "Die Aufgabe des Soli endet jetzt"
    Müller: Immerhin, Herr Söder, hat die SPD jetzt etwas vorgelegt. Viele werden sich jetzt fragen, Markus Söder, Union, CSU, sind ja auch beteiligt, in welcher Form auch immer, direkt, indirekt an der Regierungskoalition in Berlin. Sie sagen, da ist Vieles gelaufen, was ungerecht ist. Sie haben den Facharbeiter als Beispiel genannt. Was hat die Koalition in den letzten vier Jahren versäumt?
    Söder: Einiges ist natürlich erreicht worden, wenn Sie an Grundfreibeträge denken, wenn Sie denken: Abbau der Kalten Progression und der Streichung dazu. Da ist schon viel passiert.
    Müller: Kaum spürbar, sagen viele Steuerexperten.
    Söder: Aber Sie haben natürlich recht, weil die SPD jedes Jahr auf Steuererhöhungen beharrt hat, wir natürlich gesagt haben: Das ist ja geradezu absurd, in diesen Zeiten, in denen wir leben, von solchen Rekord-Steuereinnahmen, über Steuererhöhungen zu reden. Deswegen gab es an der steuerpolitischen Front immer, sagen wir mal, keinen echten großen Spielraum und Bewegung. Da haben wir jetzt die Chance dazu.
    Müller: Aber haben Sie sich gefallen lassen?
    Söder: Es gibt ja eine Große Koalition. Was heißt gefallen lassen? Wir haben verhindert, dass es Steuererhöhungen gibt. Wir haben bei der Erbschaftssteuer einen am Ende vertretbaren Kompromiss gefunden, der sehr, sehr zäh war, weil verschiedene SPD-Mitglieder da auch nur massive Erhöhungen wollten. Aber was mich freut: Jetzt ist die Zeit tatsächlich da, über Steuersenkungen zu diskutieren, und für mich ist das Wichtigste, ehrlich gesagt, dass wir den Soli endlich abbauen können, denn jetzt endet seine Aufgabe. Es ist ungerecht, ihn dann weiter fortzuführen. Da muss die SPD noch einmal wirklich springen, denn es ist unfair für viele Menschen in Deutschland, dass man denen heute sagt: Du musst den Soli weiter zahlen, obwohl der Aufbau Ost endet.
    "Konsolidierung des Haushalts und Steuerentlastung"
    Müller: Ich muss da noch mal nachfragen. Sie sagen, die SPD hat immer blockiert. Wir haben das auch noch versucht, zu eruieren und nachzulesen. Wolfgang Schäuble hat ja nun auch jahrelang gesagt, die schwarze Null geht vor und mit mir gibt es keine Steuersenkungen. Der Finanzminister hat ja auch blockiert und gebremst. Warum ist das jetzt anders?
    Söder: Die Blockade der SPD, die Sie ansprechen, ist ja etwas anderes. Bei der SPD ging es darum, …
    Müller: Ich wollte die Blockade des Finanzministers thematisieren, des Bundesfinanzministers.
    Söder: Nein, nein, nein. Entschuldigung! Aus meiner Sicht ist das falsch, weil der Bundesfinanzminister sagt, wir wollen zwei Dinge zusammenbringen: Konsolidierung des Haushalts und Steuerentlastung. Die SPD hat gesagt, den Haushalt konsolidieren ist nicht so wichtig. Ihr geht es mehr um höhere Steuern aus irgendwelchen Gerechtigkeitsgründen, die in der inneren SPD stattfinden. Das ist der Hauptunterschied. Denn was wir vorschlagen, vorschlagen werden jetzt am 2. und 3. Juli, heißt immer Folgendes: Das erste Ziel ist Solidität des Haushalts, stabile Finanzen, und dann, weil wir ja heute viel mehr Steuereinnahmen haben, die Entlastung. Das ist bei der SPD anders.
    Müller: …, die wir schon seit vielen Jahren haben, die wir seit vielen Jahren haben, die Überschüsse, die Milliarden-Überschüsse, Herr Söder, wenn ich Sie hier unterbrechen darf.
    "Investitionsstau in Deutschland ein großes Thema"
    Söder: Die SPD legt keinen Wert darauf, letztlich die Konsolidierung voranzubringen. Das sehen Sie an den ganzen Ländern, in denen die SPD regiert. Dort gibt es ja de facto keine Konsolidierung. Deswegen ist das ja der erste Schritt. Der zweite Schritt ist Entlastung. Der dritte Schritt – und das gehört dazu – sind Investitionen, und da ist zum Beispiel in Deutschland, das muss man ja wirklich sagen, in den letzten Jahren viel passiert. Den Weg der Investitionen in die Infrastruktur des Landes – das ist quasi das Gegenteil zu Nordrhein-Westfalen. Dort hat man jahrelang die Infrastruktur brach liegen lassen und dort bröckelt alles. Dort fällt alles zusammen. Die Wähler haben jetzt auch gesagt, dass das nicht mehr so weitergeht – den Weg geht Deutschland nicht.
    Müller: Investitionsstau oder Rückstau in Deutschland ist ein großes Thema, auch international immer wieder diskutiert. Viele Experten von außen sehen es ja völlig anders, dass Deutschland demnach zu wenig investiert hat oder viel mehr investieren muss. Aber darüber wollen wir nicht reden, Herr Söder. Ich muss bei dem Punkt noch mal bleiben. Sie sagen, die Solidität geht vor. Das hat im Grunde auch verhindert, dass Wolfgang Schäuble in die Offensive gegangen ist bislang mit Steuersenkungen, denn das haben wir von ihm ja jahrelang nicht klar gehört. Meine Frage ist jetzt, wenn Sie sagen, wir wollen auch …
    Söder: Das ist Ihre Einschätzung, würde ich so nicht teilen, weil wir haben immer gesagt, Solidität und Steuersenkung ja. Nur die SPD war immer ausdrücklich nur für Steuererhöhungen. Das war der Grund, warum es keine Veränderung gab und zu wenig Bewegung.
    Müller: Schuld daran hat nur die SPD, hat Rudi Carrell in den Siebzigerjahren schon gesungen, ist offenbar immer noch so.
    Söder: Und er hatte Recht, er hatte Recht, ja.
    Müller: Herr Söder, noch mal die Frage. Sie sagen, 15 Milliarden, okay, das machen wir mit für untere und mittlere Einkommen.
    Söder: Nur für die Einkommenssteuer.
    Müller: Nur für die Einkommenssteuer.
    Söder: Dazu wird der Soli kommen, die Frage der Entlastung beim Wohnungsbau, der Forschung und Entwicklung.
    Müller: Das wollte ich Sie gerade fragen.
    Söder: Ja, das kommt alles noch dazu.
    Müller: Das kommt alles noch dazu.
    Söder: Das wird im Moment gerechnet, zusammengestellt und überlegt, wie man das darstellen kann. Insofern ist das alles sehr seriös.
    Müller: Sie haben bei dem Punkt Solidität dann offenbar viel, viel mehr Spielraum, viel, viel mehr Geld in der Kasse als die Sozialdemokraten. Wo kommt das her?
    "Ich baue Schulden ab"
    Söder: Die Sozialdemokraten setzen ja bei der Gesamtdiskussion nicht auf die Frage, wie sie Solidität und Entlastung zusammenbringen können, sondern, wenn Sie ganz ehrlich sind, sind ja viele Fragen der Erhöhung darin. Insbesondere auch der Erbschaftssteuer, was jetzt neu gemacht wird, und der aus meiner Sicht völlig unfairen Belastung beim Soli. Solidität gehört zum Markenkern der Union. Als bayerischer Finanzminister, der ich jetzt bin, wenn Sie mich fragen, ich mache seit vielen Jahren keine Schulden, ich baue Schulden ab, gestern erst von der Landesbank erneut eine Milliarde bekommen, sofort in die Schuldentilgung gesetzt. Das ist praktisch der Maßstab, wie solide Finanzen gehen.
    Müller: Aber die SPD stellt immerhin ein Gegenkonzept vor, beziehungsweise wie sie es gegenfinanziert. Sie können sich das alles so leisten, ist jetzt meine Frage?
    Söder: Wir rechnen so, dass man sowohl die Solidität als auch die Entlastung gut darstellen kann und sowohl wuchtig ist als auch in der Tat die größte Steuersenkung ist, die es seit Jahren gibt.
    Müller: Wir haben jetzt 15 Milliarden SPD. Wenn ich jetzt schnell gerechnet habe, was ich gar nicht kann, aber ich tue jetzt mal so, dann kommen Sie mit 30 Milliarden?
    Söder: Ich nenne jetzt da keine Hausnummer, weil die Punkte werden berechnet. Aber natürlich werden es mehr als 15 Milliarden, weil am Ende kommen ja beispielsweise Soli. Allein der Abbau des Soli ist eine Extrabaustelle, die stattfinden wird. Deswegen hat die Kanzlerin Recht: Ein schrittweise Abbau ist verfassungsrechtlich, ist ja auch gesamtberechtigt geboten und vor allem auch gerecht, weil ich der festen Überzeugung bin, irgendwann mal ist gut. Wir haben jetzt lange genug diese Abgabe gehabt und jetzt ist Zeit, sie endlich abzuschaffen, und zwar für alle und nicht nur für einige wenige.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU). Vielen Dank, dass Sie für uns Zeit gefunden haben.
    Söder: Sehr gerne. Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.