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Steuerschätzer verbreiten Optimismus
Entlastungen bei der Einkommenssteuer im Fokus

Bund, Länder und Kommunen können auf mehr Steuereinnahmen hoffen. Allein für 2017 wird das Aufkommen voraussichtlich acht Milliarden Euro höher sein als zuletzt angenommen. Grundsätzlich einig sind sich Union und SPD, dass vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet werden sollen.

Von Stefan Maas | 11.05.2017
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble spricht am 11. Mai 2017 in Berlin bei der Bekanntgabe der Steuerschätzung für die kommenden Jahre.
    Bundesfinanzminister Schäuble bei der Bekanntgabe der Steuerschätzung für die kommenden Jahre: "Der Spitzensteuersatz tritt viel zu früh ein, das ist doch absurd." (picture alliance / Michael Kappeler/dpa)
    Es ist das letzte Mal in dieser Legislaturperiode, dass Wolfgang Schäuble die Zahlen der Steuerschätzung präsentiert. Die Wirtschaft läuft, der Ausblick ist positiv. Erwartetes Wirtschaftswachstum 1,5 Prozent in diesem Jahr, 1,6 im kommenden. Unter dem Strich ein voller Erfolg für die Große Koalition:
    "Wir haben gut Vorsorge geleistet, wir haben gut gewirtschaftet, die Erfolge kommen den Menschen zugute. Und die Steuerschätzung belegt, dass wir auf einem guten Weg sind."
    Eines aber weiß der Finanzminister auch aus Erfahrung: Schon bevor er die offiziellen Zahlen für die aktuelle Steuerschätzung präsentiert, haben sich alle in Stellung gebracht, Ministerkollegen, Parteifreunde und Opposition, Wirtschaft und Sozialverbände. Sie alle haben Ideen, wofür die Mehreinnahmen, die sich nach der am Nachmittag vorgestellten Schätzung bis zum Jahr 2021 auf gut 54 Milliarden Euro belaufen werden, am besten zu nutzen wären. Besonders in einem Wahljahr:
    "Ich glaube, es muss einen Dreiklang geben", erklärte der bayerische Finanzminister Marcus Söder im ZDF-Morgenmagazin. "Einerseits weiter konsolidieren. Net einfach über die Verhältnisse leben, investieren, aber natürlich auch dem Bürger Geld zurückgeben."
    Kleine und mittlere Einkommen sollen entlastet werden
    Grundsätzlich einig sind sich Union und SPD, dass vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet werden sollen. Einigkeit auch bei der Forderung, der Spitzensteuersatz solle erst später greifen. Findet auch der Bundesfinanzminister:
    "Der Spitzensteuersatz tritt viel zu früh ein. Das ist doch absurd."
    Denn der greift bei einem Single schon ab einem zu versteuernden Einkommen von rund 54.000 Euro, trifft also auch gut bezahlte Facharbeiter. Hinzu müsse der Abbau der kalten Progression kommen, fordert CSU-Mann Söder. Denn das träfe auch schon kleinere Einkommen.
    "Dort sind Entlastungen geplant, jedenfalls nach der Auffassung, die wir in Bayern haben, zwischen 200 und 500 Euro pro Jahr."
    Und auch der Soli, der müsse weg.
    SPD fordert mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur
    "Ich will ganz gezielt, diejenigen entlasten, die ganz wenig Einkommen haben. Und die zahlen keinen Solidaritätszuschlag."
    Kontert SPD-Finanzexperte Carsten Schneider. Besser seien mehr Investitionen. In Bildung, in Infrastruktur. Denn auch wenn SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz das Steuerkonzept seiner Partei erst am kommenden Montag vorstellen wird, Carsten Schneider verrät schon so viel - im Blick hat die SPD besonders diejenigen:
    "Die zwischen 1500 und 2000 Euro brutto verdienen, die zahlen fast keine Einkommenssteuer. Und jede Steuerentlastung geht an denen vorbei, deswegen ist dort der Hauptfokus eigentlich die Sozialabgaben oder die Kindergartenbeiträge in den Fokus zu nehmen."
    Die Grünen wollen die Mehreinnahmen für Investitionen und die Bekämpfung von Armut und Einkommensungleichheit einsetzen, die AfD möchte die Bürger auch bei der Mehrwertsteuer entlasten. Die FDP sieht gar einen Spielraum für Entlastungen von 30 bis 40 Milliarden Euro.
    Bund ist auf die Länder angewiesen
    Der Finanzminister warnt aber vor zu teuren Versprechungen und zu hohen Erwartungen. Auch aus den Ländern. Denn von den erwarteten höheren Einnahmen von rund 54 Milliarden Euro bis 2021 entfallen auf die Länder 29,6 Milliarden, auf die Kommunen etwa 27 Milliarden und auf den Bund nur rund drei Milliarden Euro. Denn er unterstützt zum Beispiel die Kommunen bei den Flüchtlingskosten, verzichtet dafür auf einen Teil der Umsatzsteuer.
    Die schrittweise Abschaffung des Soli schlägt nur beim Bund negativ zu Buche. Wenn ab 2020 der neue Länderfinanzausgleich greift, muss der Bund jährlich fast zehn Milliarden Euro an die Länder überweisen. Und auch bei allen in Aussicht gestellten Steuersenkung ist der Bund auf die Länder angewiesen. Denn die Länder müssen gemeinsam mit den Kommunen die andere Hälfte der Einnahmeausfälle finanzieren.