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Steuervermeidung
Strengere Regeln für Konzerne

200 Milliarden Euro gehen westlichen Industriestaaten laut Experten jährlich durch Steuertricks von Unternehmen verloren. Das Problem: Die Tricks sind oft legal. Die EU-Kommission will nun schärfer dagegen vorgehen.

Von Jörg Münchenberg | 22.01.2016
    Die EU-Kommission macht ernst. Nachdem die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kurz OECD, im Herbst vergangenen Jahres die Ergebnisse des Aktionsplanes gegen Steuervermeidung und Gewinnverlagerung vorgelegt hatte, will Brüssel nun Teile des Pakets umsetzen. Dazu wird die Kommission Mitte nächster Woche zwei Gesetzesinitiativen präsentieren, die diesem Programm vorliegen.
    Es gehe darum, so heißt es in den Papieren, zumindest einen grundlegenden Schutz der Steuersysteme in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Lob gibt es dafür von Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen im Europäischen Parlament:
    "Die vorliegenden Vorschläge sind auch ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Steuergerechtigkeit auch bei Großunternehmen. Denn im Moment nutzen ja große, transnationale Unternehmen häufig Steuertricks, um sich unfaire Steuervorteile zu verschaffen gegenüber kleineren und vor allem lokal gebundenen Unternehmen. Und die Kommission geht jetzt gegen die schlimmsten dieser Maßnahmen vor und das ist gut so."
    Künftig soll "Exitsteuer" fällig werden
    Demnach will die Kommission in sechs Bereichen gegen Steuervermeidungstricks vorgehen. So soll es unter anderem nicht mehr einfach möglich sein, Unternehmensteile einfach in ein Land mit niedrigen Steuersätzen zu verlagern. Stattdessen soll künftig eine sogenannte "Exitsteuer" fällig werden – in Höhe des Marktwertes derjenigen Unternehmensteile, die verschoben werden sollen. Auch der gängigen Praxis, durch Zinszahlungen an Unternehmensteile in Niedrigsteuerländern die eigene Steuerschuld zu drücken, will Brüssel einen Riegel vorschieben. Durch die Einführung von Schwellenwerten.
    Schließlich will die Kommission die Steuerbefreiung für im Ausland erzielte Gewinne unterbinden. Demnach sollen die Mitgliedstaaten künftig ein Minimum an Abgaben einfordern. Andernfalls dürfen die Steuerbehörden in dem Land, in dem die Gewinne erwirtschaftet werden, darauf zugreifen. Auch die Informationsgrundlage für die Steuerbehörden will die Kommission verbessern – demnach sollen die Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro künftig für jedes Mitgliedsland angeben, wie hoch Gewinne und die darauf zu zahlenden Steuern sind. Die Angaben sollen allerdings nicht veröffentlicht werden. Viele gute Ansätze, meint dazu Giegold, dennoch könnte die Kommission angesichts der Kreativität in den Steuerabteilungen der Großunternehmen schnell ins Hintertreffen gelangen:
    "Es werden sehr viele Einzelmethoden begrenzt, die derzeit angewendet werden von Großunternehmen, um Steuern zu sparen. Aber natürlich führt das dazu, dass sich die Unternehmen nur neue Methoden ausdenken werden. Welche das genau sind, ist auch nicht genau vorherzusagen. Deshalb wäre es so wichtig, dass wir in ganz Europa vereinbaren, es muss eine effektive Mindestbesteuerung geben. Darauf sollte die Bundesregierung auch weiterhin drängen in den Verhandlungen jetzt mit den anderen Mitgliedsländern."
    Doch dafür zeichnet sich bislang unter den Mitgliedstaaten keine Unterstützung ab. Ohnehin dürfte es auch bei dem neuen Gesetzespaket erheblichen Diskussionsbedarf geben. Schon die Vorlage der Kommission zum automatischen Datenaustausch zwischen den Mitgliedsländern über Steuervorabsprachen mit den Finanzbehörden wurde vom Rat deutlich verwässert. Angesichts der notwendigen Einstimmigkeit bei Steuerfragen dürfte dies auch bei den geplanten Maßnahmen gegen Steuerflucht und Gewinnverlagerung nicht viel anders sein.