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Stewens: Das ist kein Amigo-System

Seit bekannt wurde, dass bayerische Parlamentarier Familienmitglieder zu üppigen Löhnen in ihren Büros beschäftigen, steht die CSU in der Kritik. Fraktionschefin Stewens will davon nichts gewusst haben und wehrt sich gegen den Begriff Amigo-System. Die Politiker fordert sie zum Rücktritt auf.

Christa Stewens im Gespräch mit Peter Kapern | 29.04.2013
    Peter Kapern: Das hat der CSU gerade noch gefehlt: Fünf Monate sind es noch bis zur Landtagswahl, die Umfragen standen eigentlich gar nicht schlecht, sogar eine absolute neue Mehrheit im Freistaat schien nicht ausgeschlossen, und dann das – christsoziale Landtagsabgeordnete hatten deutlich gemacht, was sie unter der Förderung von Familienbetrieben verstehen, 17 von ihnen hatten Angehörige in ihren Büros beschäftigt und aus Steuergeldern bezahlt. Die Ehefrau des Fraktionsvorsitzenden Schmid hatte bis zu 5500 Euro monatlich aus dem Staatssäckel erhalten, und das kostete ihn den Job. Neue Fraktionschefin im bayrischen Landtag ist seit dem letzten Freitag Christa Stewens. Guten Morgen, Frau Stewens!

    Christa Stewens: Guten Morgen, Herr Kapern!

    Kapern: Frau Stewens, das ist ja keine leichte Aufgabe, die Sie da übernommen haben, Sie müssen mit der Amigo-Mentalität ihrer Fraktion aufräumen, wie wollen Sie das machen?

    Stewens: Also ich denke, wir werden uns jeden einzelnen Fall natürlich genau anschauen. Wichtig ist hier, als Erstes rasch zu handeln, sich die ganzen Dinge anzuschauen, rasch zu handeln, Konsequenzen zu ziehen, und, wenn notwendig, dann natürlich auch hart durchgreifen. Denn ich denke schon, es ist auch nicht alles politisch akzeptierbar, was durchaus rechtlich abgesichert ist.

    Kapern: Welche Konsequenzen schweben Ihnen da vor?

    Stewens: Das muss man natürlich von Fall zu Fall sehen, denn es gibt ja durchaus sehr unterschiedlich gelagerte Fälle, aber ich denke schon, dass es mit einer Rückgabe der Ämter verbunden sein muss.

    Kapern: Das heißt, von Übeltätern würden Sie verlangen, dass sie ihre Landtagsmandate niederlegen?

    Stewens: Die sind vom Volk gewählt, das muss jeder Einzelne natürlich selbst entscheiden, ob er sein Landtagsmandat zurücklegt oder nicht. Das kann ich als Fraktionsvorsitzende nicht entscheiden, aber was ich schon für wichtig halte, dass sie bestimmte Positionen zurückgeben dann, …

    Kapern: Was muss man darunter verstehen?

    Stewens: … so, wie es übrigens mein Vorgänger gemacht hat, der Georg Schmid, der dann auch zurückgetreten ist vom Fraktionsvorsitz.

    Kapern: Haben Sie davon gewusst, dass Fraktionskollegen Verwandte beschäftigen und aus Steuermitteln bezahlen?

    Stewens: Also wenn Sie mich ehrlich fragen, nein. Ich kannte zwar die Altfallregelung, doch bin ich persönlich davon ausgegangen, dass die ausgelaufen sei. Und Sie sehen, man muss doch immer sehr genau hinschauen.

    Kapern: Nun sind ja 17 Abgeordnete, die das getrieben haben, kein Pappenstiel, da ist es schwer vorstellbar, dass sich so was überhaupt nicht in der Partei oder Fraktion herumgesprochen haben soll.

    Stewens: Man muss auch dazu sehen, dass natürlich diese Altfallregelungen 2009 vom Ältestenrat und vom Präsidium, in dem alle Parteien vertreten sind, auch wieder verlängert worden ist und offensichtlich akzeptiert worden ist, und vor diesem Hintergrund, denke ich, muss man sich das Geschehen noch mal sehr genau anschauen. Wir werden aber auch die notwendigen Konsequenzen ziehen.

    Kapern: Aber wenn Sie jetzt so betonen, dass diese Altfallregelung noch einmal verlängert in großen … Einvernehmen verlängert worden ist, warum dann jetzt diese Aufregung? Warum stellen Sie sich dann nicht hinter Ihre Abgeordneten?

    Stewens: Die Fälle sind sehr unterschiedlich, Herr Kapern. Das ist das Problem eigentlich. Es sind Abgeordnete, die durchaus Arbeitsverhältnisse mit ihren Ehepartnern schon vor 2000 abgeschlossen haben, die ganz normal nach BAT-Tarif bezahlt haben, und es gibt aber auch Fälle, so wie jetzt von unserem Fraktionsvorsitzenden, wo man schlicht und einfach sagt, dass a muss es erst mal überprüft werden, ob es gesetzlich korrekt ist, und b, ist es von mangelnder politischer Sensibilität. Das akzeptiert die Bevölkerung schlicht und einfach nicht. Und hier muss wirklich ein Stück weit differenziert werden, und es muss auch aufgeräumt werden.

    Kapern: Ihr Vorgänger, Georg Schmid, hat seine Frau über Werkverträge bezahlt, was ja arbeitsrechtlich bedenklich ist, darauf haben Sie möglicherweise eben angespielt. Kommt da juristisch noch was nach?

    Stewens: Auch das muss noch überprüft werden. Der Georg Schmid ist ja jetzt wieder zu Hause und hat seine Steuerkanzlei und ein Rechtsanwaltsbüro beauftragt, das entsprechend zu überprüfen, wobei es hier eigentlich …

    Kapern: Seine eigene Kanzlei?

    Stewens: Nein, nein, das nicht, wobei es mir eigentlich gar nicht mal mehr so darum geht, ist das jetzt tatsächlich alles rechtlich korrekt. Das ist wichtig abgelaufen, sondern es geht mir schon auch darum, ist das etwas, was schlicht und einfach akzeptiert werden kann, oder hat es … ist es etwas, wo die Bevölkerung sagt, nein, verdammt noch mal, das geht nicht, das ist mangelnde politische Sensibilität. Man muss hier ja doch auch sehen, was verdient denn der Durchschnitt von Sekretärinnen bei uns in Deutschland und in Bayern. Und vor diesem Hintergrund verlange ich hier wirklich nicht nur die gesetzlichen Grundlagen einzuhalten, das ist wichtig, gar keine Frage. Aber es ist schon auch wichtig, hier die entsprechende Sensibilität, da wir ja alle im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, die entsprechende Sensibilität walten zu lassen.

    Kapern: Auch die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär, das berichtet der "Spiegel", soll ihren damaligen Verlobten und die Lebensgefährtin ihres Vaters beschäftigt haben in ihrem Bundestagsbüro. Da scheint die Spezl-Wirtschaft der CSU ja bis nach Berlin zu reichen.

    Stewens: Also ich bin schon der Ansicht, den Fall Doro Bär, soweit ich den jetzt kenne aus den Zeitungen und aus ihren Erwiderungen, der ist durchaus anders zu beurteilen. Das kann ja durchaus sein, dass auch ein Abgeordneter mal seine Sekretärin heiratet, sich verliebt in seine Mitarbeiterin und heiratet. Ich denke schon, da muss man genau hinschauen, was ist denn tatsächlich vorgefallen. Soweit ich das im Moment beurteilen kann, hat die Doro Bär nicht gegen das Abgeordnetengesetz verstoßen.

    Kapern: Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagt, je näher man bei der CSU hinschaut, desto schmutziger der alte Filz und das Amigo-System.

    Stewens: Also ich würde mich jetzt ganz massiv dagegen wehren, dass das ein Amigo-System ist. Hier gibt es Arbeitsverhältnisse, die offensichtlich nicht ganz … die nicht korrekt sind, da gibt es Arbeitsverhältnisse …

    Kapern: Also wenn darauf der Begriff Amigo nicht zutrifft, worauf dann?

    Stewens: Amigo- und Vetterleswirtschaft, ja. Es ist im Grunde, sind es Familienmitglieder, die angestellt worden sind. Aber ob ich jetzt – Amigo ist ja diese enge Verflechtung zwischen Wirtschaft und Abgeordneten gewesen, damals in dem Amigo-System vor 20 Jahren, was uns vorgeworfen ist. Da bin ich schon der Ansicht, man muss schon ein bisschen vorsichtiger argumentieren. Und man sollte sich auch ein Stück weit zurückhalten in diesen ganzen Vorwürfen. Es ist natürlich Wahlkampf, gar keine Frage. Aber man sollte wirklich erst mal warten, wie wir tatsächlich dann auch intern diese Affäre und in der Öffentlichkeit – Transparenz ist ja notwendig –, aber wie wir diese Affäre auch aufklären.

    Kapern: Apropos Verflechtung von Wirtschaft und Partei: Wie steht es um den Fall Hoeneß, Frau Stewens? Immerhin haben sich ja Parteigranden der CSU immer eng an den Macher des FC Bayern angeschmiegt.

    Stewens: Also eng angeschmiegt, Herr Kapern, würde ich jetzt nicht sagen, aber es gab natürlich persönliche Verbindungen. Der Hoeneß hat ja letztendlich auch sehr viel für den Fußballsport getan, er hat natürlich auch Spenden und Wohltätigkeit – da war er ja immer sehr großzügig –, aber auch hier, denke ich, muss man sehen, was ist denn tatsächlich vorgefallen, und man muss auch bereit sein, das Recht der Selbstanzeige noch mal kritisch zu durchleuchten, und da bin ich der Ansicht, hier ermittelt die Staatsanwaltschaft im Fall Hoeneß, und da können wir ja mal auf die Ergebnisse warten. Aber grundsätzlich ganz klar, es darf keine Steuerhinterziehung geben in Deutschland, und da bin ich auch … und das muss man auch klar beim Namen nennen und das entsprechend auch bestrafen.

    Kapern: Nun berichtet ja der "FOCUS", Frau Stewens, dass die bayrischen Behörden angeblich schon seit dem letzten Sommer vom Fall Hoeneß wussten und trotzdem nicht ermittelt haben, das wird dementiert. Halten Sie das trotzdem für möglich?

    Stewens: Also ich persönlich halte es ehrlich gesagt nicht für möglich, aber auch hier müssen wir warten, was die Staatsanwaltschaft uns in ihren Ermittlungen als Ergebnisse vorlegt.

    Kapern: Die neue Fraktionsvorsitzende der CSU im bayrischen Landtag, Christa Stewens, heute Morgen im Deutschlandfunk. Frau Stewens, danke für das Gespräch und Guten Tag nach München!

    Stewens: Danke schön, Herr Kapern!


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