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Stickoxide der Diesel-PKW
"Man muss eine chemische Fabrik in das Fahrzeug einbauen"

Husten, Asthma, Todesfälle: Das Umweltbundesamt fordert die Steuersätze für Dieselfahrzeuge anzuheben - unter anderem wegen der zu hohen Stickstoffdioxid-Werte. Doch warum entstehen die Stickoxide eigentlich nur bei Diesel-PKW? Und was lässt sich dagegen tun?

Von Thomas Wagner | 22.12.2015
    Ein Messschlauch eines Gerätes zur Abgasuntersuchung für Dieselmotoren steckt im Auspuffrohr eines VW-Autos.
    Messschlauch eines Gerätes zur Abgasuntersuchung für Dieselmotoren im Auspuffrohr eines Autos (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    "Das Umwelt-Bundesamt plädiert für ein Fahrverbot für Dieselautos in den Innenstädten."
    So meldeten es vor kurzem die Deutschlandfunk-Nachrichten – eine spektakuläre Forderung, die das Umweltbundesamt aber begründete:
    "Dadurch könnte die Atemnot- und Bronchitis auslösende Stickstoff-Dioxidbelastung gesenkt werden."
    "Stickoxide entwickeln sich zum Atemgift Nummer eins. Die EU-Kommission hat gerade dieser Tage veröffentlicht, dass in Deutschland ungefähr 10.000 Menschen vorzeitig an den Folgen von Stickoxiden – an Stickstoiff-Diosiden im Wesentlichen - sterben. Das sind doppelt so viele, wie jedes Jahr durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen."
    Für Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfte, sind Stickoxide somit eine Art Gift mit
    "negativen Auswirkungen auf das Atemsystem. Das heißt: Bronchitis. Das heißt Asthma. Besonders betroffen sind gerade Kinder und kranke Menschen."
    Dabei ist unstrittig, woher die häufig in hohen Konzentrationen auftretenden Stickoxide in den Innenstädten herkommen:
    Dieselmotoren – sie emittieren in viel höherem Ausmaß als Benzinmotoren Stickoxide. Sie entstehen während des Verbrennungsprozesses aus dem in der Luft enthaltenen Stickstoff und aus dem ebenfalls in der Luft enthaltenen Sauerstoff.
    "Und bei hohen Temperaturen entstehen aus diesen beiden Molekülen eben Stockoxide."
    Erklärt Professor Klaus Schreiner, der an der Hochschule für Wirtschafft, Technik und Gestaltung Konstanz das Fach "Verbrennungsmotoren" lehrt. Zwar treten Verbrennungsprozesse und hohe Temperaturen sowohl im Benzin- als auch im Dieselmotor auf. Allerdings gibt es beim Dieselmotor eine Besonderheit:
    "Nun ist es so, dass der Dieselmotor mit einem Luftüberschuss gefahren wird. Der braucht mehr Luft, als er eigentlich zum Verbrennen des Kraftstoffes benötigt: Und weil der Dieselmotor mehr Luft hat, hat er auch mehr Stickoxide."
    Der Diesel-Motor rußt weniger, hat aber mehr Stickoxide
    Dass der Dieselmotor mit deutlich mehr Luftzufuhr und damit mit mehr Stickoxid-Potential gefahren wird als ein Benzinmotor, hat einen technischen Grund:
    "Die Tatsache, dass der Dieselmotor mit viel Luft fährt, hat einen großen Vorteil. Das ist nämlich, dass der Dieselmotor wenig rußt. Würde man einen Dieselmotor so betreiben wie einen Otto-Motor, dann würde er sehr stark rußen, und dann könnte man das Fahrzeug nicht mehr einsetzen im Straßenverkehr."
    Grundsätzlich gilt beim Dieselmotor: Hohe Luftzufuhr gleich weniger Ruß und weniger Kraftstoffverbrauch, aber auch: Gleich mehr Stickoxide. Für die Motorenentwickler ergibt sich daraus ein Dilemma:
    "Alles, was dazu hilft, die Stickoxide zu bilden, hilft auch, den Kraftstoffverbrauch niedrig zu halten. Das bedeutet: Je sparsamer ein Motor eingestellt ist, umso mehr Stickoxide hat er. Und in diesem Dilemma steckt jeder, der Motoren entwickelt."
    Dennoch legt Motor Fachmann Klaus Schreiner Wert auf die Feststellung:
    "Nein, Dieselmotoren sind nichts Schlimmes."
    Mit der "SCR"-Technik lassen sich Stickoxide aus den Abgasen filtern
    Denn zum einen gebe ein Dieselmotor in viel geringerem Ausmaß als der Benzinmotor das als Klimakiller bekannt gewordene Abgas CO2 in die Umwelt ab. Zum anderen sei mit der so genannten "SCR"-Technik längst eine Entwicklung auf dem Markt, die die meisten Stickoxide aus dem Abgas eines Dieselmotors herausfiltern kann.
    "Bei der SCR-Technik braucht man einen zweiten Tank im Fahrzeug. Dort ist Harnstoff drin. Und dieser Harnstoff wird wohl dosiert dem Abgas beigemischt und beseitigt dann wieder die Stickoxide."
    So wird dann auch der sparsamere Diesel sauber – wenn denn die SCR-Technik im Fahrzeug verbaut worden ist. Da gibt es einen Haken:
    "Diese Abgasnachbehandlungssysteme beim PKW, diese SCR-Technik, ist auch sehr aufwendig. Letzten Endes muss man eine chemische Fabrik einbauen in das Fahrzeug. Und das bedeutet einen hohen Kostenaufwand."
    Deshalb, so die Kritik von Umweltschützern, verzichten viele Hersteller auf den Einbau solcher Anlagen, die sich übrigens bei Nutzfahrzeugen längst bewährt haben: Neuere LKW-Modelle sind durch die Bank mit entsprechenden Reinigungsanlagen ausgestattet – mit entsprechend niedrigeren Stickoxide-Emissionen.