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Stickstoffdioxid
Kampf gegen zu hohe Werte in der Luft

Die Konzentration an gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid in Städten soll schnellstens sinken. Das verlangt die EU-Kommission von der Bundesregierung. Pkws und Lkws lassen sich nicht so einfach von den Straßen verbannen. So kann es in einigen deutschen Städten noch 15 Jahre und länger dauern, bis der Grenzwert eingehalten werden kann.

Von Ralph Ahrens | 23.02.2015
    Dieselrauch kommt aus einem Auspuff eines Kleintransporters in Frankfurt (Oder) (Brandenburg), aufgenommen am 23.02.2013.
    Viele Autos blasen noch zu viel Stickstoffdioxid in die Luft (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    Hustet im Winter jemand, muss er nicht erkältet sein. Er kann einfach zu viel Stickstoffdioxid eingeatmet haben. Der Stoff kann Husten auslösen - aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen. Um Menschen davor zu schützen, hat die EU bereits 1999 einen Grenzwert für Stickstoffoxid festgelegt. Im Jahresmittel dürfe Luft nicht mehr als 40 Milligramm in einem Kubikmeter enthalten, erklärt Jens Hilgenberg vom BUND: "Alle Gremien wissen das, alle zuständigen Behörden wissen das. Seit 2010 muss dieser Grenzwert eingehalten werden. Und trotzdem: Nahezu alle deutschen Städte überschreiten diesen Grenzwert nach wie vor."
    Laut Umweltbundesamt haben 2010 immerhin 62 Städte diese Vorgabe nicht eingehalten. Die EU-Kommission will das - als Hüterin europäischer Gesetze - nicht länger hinnehmen. Sie fordert von Deutschland, den Zeitraum der Überschreitung des Jahresmittelwertes so kurz wie möglich zu halten. Kleinere Städte wie Bielefeld und Recklinghausen wollen die Vorgabe noch dieses Jahr einhalten, Städte wie Dortmund, Köln und Frankfurt wollen sich damit allerdings noch bis 2020 Zeit lassen, Stuttgart bis 2030 und München sogar bis nach 2030. "Das ist natürlich nicht so kurz wie möglich, wenn man jetzt davon redet, Grenzwerte erst in 15 Jahren einhalten zu wollen", so Jens Hilgenberg. In Städten sind Diesel-Fahrzeuge die Hauptquelle für Stickstoffdioxid. Das sollte allerdings nicht so sein. Immer schärfere Abgasgrenzwerte für Sickstoffoxide sollten helfen, die Belastung an Stickstoffdioxid deutlich zu senken. Hans-Joachim Hummel, im Bundesumweltministerium für Luftreinhaltung zuständig: "Die Grenzwerte, die festgelegt wurden, waren durchaus sehr anspruchsvoll."
    Senkung des Grenzwerts
    Zurzeit darf kein neuer Diesel-PKW die Luft mit mehr als 180 mg Stickstoffoxiden pro Kilometer belasten. Ab September sollen es noch deutlich weniger werden: Dann gilt die Euro 6-Abgasnorm für alle neuen Diesel-PKW und der Grenzwert wird auf 80 mg gesenkt und damit mehr als halbiert. Das Problem dabei: Die Fahrzeuge müssen diese Grenzwerte bisher ausschließlich an festen Prüfständen einhalten - quasi im Labor. Beim Fahren auf der Straße bilden die Motoren meist aber mehr Stickstoffoxide. Moderne Diesel-PKW stoßen in Städten im Schnitt mehr als 500 mg Stickstoffoxide pro Kilometer aus, wie eine Studie im vergangenen Jahr gezeigt hat.
    Ab 2017 will die EU daher ein neues Testverfahren einführen, bei dem die Emissionen bei der Fahrt gemessen werden. Neue Diesel-PKW sollen dann auch im Alltag deutlich weniger als 500 mg Stickstoffoxid pro Kilometer ausstoßen dürfen. Hummel: "Ziel sollte es sein möglichst schnell die Fahrzeuge auszutauschen mit anspruchsvollen Werten. Und die Werte, die dann im Realen gemessen werden, sollten möglichst nah an dem jetzigen Grenzwert liegen." Wenn das alles so klappt, soll nach Berechnungen der Automobilindustrie der Grenzwert für Stickstoffdioxid immerhin bis 2025 auf fast allen Straßen eingehalten werden. Rainer Vogt, Umweltfachmann des Autoherstellers Ford: "Wir haben ein Ingenieursbüro beauftragt, in detaillierten wissenschaftlichen Untersuchungen die Emissionen und damit die Luftqualität zu berechnen und kommen zu dem Schluss, dass 97 Prozent der Luftqualitätsstationen in 2025 - also schon in zehn Jahren - den Luftqualitätsgrenzwert erfüllen werden."
    Blaue Plakette
    Doch selbst dann würde 2030 an einigen Straßen immer noch zu viel Stickstoffdioxid zu messen sein. Doch nur auf sauberere Diesel-PKW zu hoffen, ist BUND-Mann Jens Hilgenberg sowieso zu wenig. Er will den Städten ein neues Mittel an die Hand geben: die blaue Plakette für die Umweltzone. Hilgenberg: "Die blaue Plakette bekommen nur Fahrzeuge, die Euro 6 wirklich einhalten - also wirklich auch auf der Straße, nicht nur auf dem Papier."
    Die Ausgabe der blauen Plakette, über die auch Bundesrat und Bundesregierung nachdenken, könnte bald beginnen. Hilgenberg: "Dann könnten in drei, vier, fünf Jahren die Städte anfangen, einzelne Gebiete innerhalb der Umweltzone nochmal neu zu regeln und könnten sagen, in diese Gebiete darf man nur noch mit blauer Plakette einfahren." Dann könnte der Grenzwert für Stickstoffdioxid schon bald überall eingehalten werden.