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Stilikone Frida Kahlo
Wie die Malerin Mode und Pop beeinflusste

Opulente Röcke, aufwendiger Haarschmuck und die markante Augenbraue - Frida Kahlo hatte einen unverkennbaren Stil. Die mexikanische Malerin nutze Mode als Ausdrucksmittel und wurde damit selbst zu einer Stilikone, die heute wiederentdeckt wird. In London ist ihr eine Ausstellung gewidmet.

Gesine Kühne im Kollegengespräch mit Ulrich Biermann | 16.08.2018
    "Frida Painting The Two Fridas" Ein Foto von Nickolas Mury.
    Frida Kahlo porträtierte sich oft selbst. Kleidung, Schmuck und Haare gehörten mit zu ihrer Selbstinszenierung. (imago/ZUMA Press)
    Ulrich Biermann: Viele Popstars wie Madonna oder Rihanna haben den Look von Frida Kahlo kopiert. Man denke nur an opulente Röcke und den aufwendigen Haarschmuck. Die mexikanische Malerin war selbst eine Ikone. Mode war für sie ein weiteres Ausdrucksmittel. Im Viktoria and Albert Museum in London ist ihr gerade eine Ausstellung gewidmet und das Buch dazu hat den Titel "Frida Kahlo Stilikone". Bei Frida Kahlo gibt es ja viele Zuschreibungen und Aneignungen: Ikone der Frauenbewegung, Leidensfigur der modernen Kunstgeschichte, Popstar am internationalen Kunstmarkt. Gesine Kühne, unsere Modeexpertin bei Corso, und jetzt Frida Kahlo auch noch Stilikone?
    Symbol von Kreativität und Autonomie
    Gesine Kühne: Sie ist eine Stilikone, aber vor allem ist sie ein Vorbild für viele junge Frauen, die selbstbestimmt leben wollen. Ohne sich dem Druck der Gesellschaft zu beugen, was junge Frauen heute alles sein sollen, was sie können müssen und wie sie im besten Fall auszusehen haben. Ich wollte von der Kunsthistorikerin Ina Hildebrandt genau wissen, warum Frida Kahlo eine Art Hype erlebt bei den 30-Jährigen und drunter. Das sagte sie: "Was meine Generation betrifft, da habe ich den Eindruck, dass sie eine Art Symbol ist für weibliche Kreativität und auch Autonomie. In ihr fließen all diese Dualismen zusammen, die Frauen heute beschäftigen: Körperlichkeit, Weiblichkeit, Sexualität, Autonomie und Selbstentfaltung. Ganz konkret: Kahlo war eigen und unfassbar stark, indem sie ihre eigene Verletzlichkeit offenlegte. Sie brachte zum Beispiel die Fehlgeburt ihres Kindes auf die Leinwand, und thematisierte den schweren Unfall, den sie als Jugendliche erlitt. Gleichzeitig war sie schwach, denn sie war von der Liebe ihres Mannes, dem mexikanischen Maler Diego Rivera regelrecht abhängig. Obwohl er sie betrog und sie sich trennten, heiratete sie ihn ein zweites Mal.
    Biermann: Frida Kahlo - eine Frau der Gegensätze. Machte sich das auch in ihrem Äußeren bemerkbar?
    Kühne: Absolut. Und da komme ich auch gleich darauf, warum sie Stilikone ist. Frida Kahlo war ein sehr androgynes Wesen, hatte sehr männliche Merkmale wie die markanten zusammengewachsenen Augenbrauen und den Damenbart. Das betonte sie, in ihrer Malerei, in ihren unzähligen Selbstportraits überzeichnete sie diese Merkmale regelrecht. Und dennoch war sie ganz weiblich, das lange Haar trug sie geflochten und verziert mit Blumen oder Schleifen. Ihre Trachten – opulente Röcke und folkloristische Stickerein - waren nicht nur sehr bunt, sondern zeigten, dass sie einen weiblichen Körper hat. Das macht Mut, mit Stilen zu spielen. Sich selbst zu inszenieren.
    Diversität von Schönheitsidealen
    Vor allem auch mit Genderfluidity zu experimentieren. Frida Kahlo hat zu einer Diversität von Schönheitsidealen beigetragen. Künstlerinnen wie CocoRosie und Peaches, die mit Geschlechtermerkmalen/rollen spielen, stehen im Prinzip in der Tradition dieser Frau aus der ersten Häfte des 20. Jahrhunderts. Ina Hildebrandt noch mal: "Ich denke auch, dass viele ihr nacheifern, weil sie diese Weiblichkeit so gefeiert hat, ohne aber damit eine bestimmte Art von Frau zu sein. Sie hat sich ja alles getraut, das war die komplette Freiheit. Ich ziehe Sachen an, die aus den mexikanischen Vorgebirgen kommen, obwohl das keiner trägt. Und so läuft sie durch New York oder Paris und es ist ihr komplett egal. Sie hat ihren Stil gefunden, sich kreiert. Und dieser Mut reizt einen." Beyonce und auch Gwen Stefanie zum Beispiel reizte es, zu Halloween sich als Frida Kahlo zu verkleiden.
    Biermann: Das ist jetzt der Pop, aber wie ist das mit der Mode?
    Kühne: Vor allem mit den opulenten Bildern ihrer Weiblichkeit. In den späten Neunzigern schickte Jean Paul Gaultier seine Models mit Frida-Kahlo-Frisuren auf den Laufsteg. Seine Kleidungsentwürfe waren zwar freizügiger als die Trachten Kahlo, man konnte aber auch in den Stücken die Zitate erkennen. Ricardo Tisci entwarf 2010 für Givenchy Roben mit Trachtenmomenten und auch heute gibt es Stickereien, die man sonst eher von traditioneller Kleidung kennt auf Blusen und Röcken.
    Biermann: Das ist jetzt wieder sehr folkloristisch. Kann man das Frida Kahlo jetzt unbedingt zuschreiben oder ist sie eigentlich größer?
    Kühne: Die Mode verläuft in Zyklen, dass heißt, der Folkloretrend ebbt auch mal wieder ein bisschen ab, aber Frida Kahlo bleibt, sie wird nach wie vor das Symbol starker, autarker Frauen bleiben, die auch mal eine Schulter zum anlehnen brauchen. Und sie wird weiterhin diese starken Frauen ermutigen, zu tragen, was sie wollen. Gegen Gendernormativität und andere Grenzen im Kopf.
    "Frida Kahlo Stilikone" im V&A Museum in London, noch bis zum 4. November 2018