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Stillstand an der Weser?

Bremen war einmal - unter Kurt Hübner - eine legendäre Theaterstadt; mittlerweile verfügt sie nur noch über ein Zwei-Spartentheater. Das Ballett wurde ausgegliedert und mit dem anderer Nachbarstädte kostensparend zusammengelegt.

Von Rainer Berthold Schossig | 21.05.2011
    Und nachdem der frühere Intendant nach viel Musical-Wind und wenig Fortune seinen Posten zurückgegeben hat, halten sich die Bremer Bühnen derzeit etwa in jenem Mittelmaß, wo auch Werder Bremen derzeit dümpelt und auf die nächste Saison hofft.

    Auch musikalisch wird Bremen erst weit nach den Bürgerschafts-Wahlen interessant werden, wenn das traditionelle "Bremer Musikfest" – mit wie immer ausgesucht guten Gästen, Orchestern und Solisten – wieder in die Stadtmitte und diese oder jene Lagerhalle am Hafen einlädt. Trauriger Alltag ist, dass zwei rivalisierende Chöre um die kirchenmusikalische Hegemonie im Bremer Dom streiten. Bleibt an überregionalem Glanz nur die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die allerdings vorsichtshalber schon im Namen andeutet, dass sie in erster Linie national und international, erst in zweiter lokal musiziert. Und ihr Auskommen müssen sich die Kammerphilharmoniker sowieso außerhalb verdienen.

    Auch in der Museums-Szene waren in diesem Wahlkampf keine Blockbuster zu erwarten. Die ehrwürdige Kunsthalle ist wegen Um- und Neubau bis zum Spätsommer geschlossen, ihre wunderbaren Bilder in der ganzen Republik als "Noble Gäste" verstreut. Wer der kommende neue Leiter des Traditionsmuseums wird, bleibt bisher Geheimsache des Kunstvereins. Die Weserburg – das Museum für zeitgenössische Kunst – muss zurzeit ohne Direktor auskommen, und auch der Standort auf der Teerhof-Insel in der Weser scheint bedroht, denn die vor zwanzig Jahren zum Museum umgebauten Gebäude einer alten Kaffee-Rösterei entsprechen nicht mehr den Standard-Anforderungen des internationalen Leihverkehrs.

    Da Bremen nie Verlags-Standort war, hält sich auch das literarische Leben in engen Grenzen. Der - in der Stadt selbst kaum beachtete - Bremer Literaturpreis hat – seit anno 1959 Bremer Kirchturmpolitiker Günter Grass und dessen bereits von der Jury ausgezeichneten Roman "Die Blechtrommel" zurückwiesen – in den vergangenen Jahren wenig überregionale Schlagzeilen machen können. Und Radio Bremen – einst wegen seiner kulturell innovativen Sendestrecken und politisch frechen Meinungsbildung als "Radio Hanoi" berüchtigt, zieht es vor, im Mainstream der ARD nicht aufzufallen; ist es doch weitgehend von der Finanzierung durch den Norddeutschen Rundfunks abhängig. Die dortigen Programmgewaltigen beschränken sich darauf, dass Radio Bremen möglichst sparsam wirtschaftet.

    Bleibt die aufstrebende Seestadt Bremerhaven. Die kann zwar mit einem gut besuchten Auswanderer-Museum und funktionierendem Klima-Haus, sowie mit einem - durch Privatinitiative entstandenen - nagelneuen Kunstverein aufwarten. Das populäre Schifffahrtsmuseum aber – übrigens eines der wenigen Leibnitz Institute der Republik – hat seit Jahren schwere Bauschäden: Der Regen rinnt in die Räume der von Hanns Scharoun entworfenen, in die Jahre gekommenen Avantgardearchitektur. Mittel für eine Reparatur scheinen angesichts leerer Kassen nicht in Sicht.

    Trotz alledem ist Bremen ein stolzes kultur- und wissenschaftsbewusstes Gemeinwesen. Freilich ist die von ihrem immer schwerer werdenden Speckgürtel finanziell strangulierte, hoffnungslos überschuldete Stadt kaum in der Lage, die laufenden Kosten für ihre kleinen, aber feinen Kulturinstitute aufzubringen – geschweige denn Sonder-Etats für überregional Kultur-Leuchttürme. Ist es da ein Wunder, dass weder die regierende rot-grüne Koalition noch die gelb-schwarze Opposition Gedanken darauf verschwendete, im Wahlkampf kulturelle Akzente zu setzen?