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Stillstand bei der Bahn

Er habe das Gefühl, dass die Deutsche Bahn versuche, den Streik auf dem Rücken der Fahrgäste auszusitzen, so Claus Weselsky. Ein Flächentarifvertrag und soziale Schutzbestimmungen seien für die GDL ein Muss, andernfalls werde man in der kommenden Woche erneut streiken.

Claus Weselsky im Gespräch mit Silvia Engels | 25.02.2011
    Silvia Engels: Sie haben es in den Nachrichten gehört: die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat für heute erneut zu einem Warnstreik aufgerufen. Ab 8:30 Uhr sollen Züge bundesweit stillstehen, und zwar bis 11:30 Uhr. – Zugeschaltet ist uns Claus Weselsky, er ist der Vorsitzende der GDL. Guten Morgen!

    Claus Weselsky: Schönen guten Morgen!

    Engels: Welche Strecken sind vor allem betroffen?

    Weselsky: Es sind alle Strecken betroffen. Wir haben diesmal eine Ausnahme, das hatte ich zugesichert: Wir nehmen die S-Bahn Berlin aus dem Arbeitskampf heraus. Ansonsten sind alle Strecken betroffen, weil sowohl die privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen als auch die der DB hier in die Maßnahme einbezogen sind.

    Engels: Herr Weselsky, Sie fordern ja bekanntlich einen Flächentarifvertrag, also eine einheitliche Bezahlung für Lokführer bei der Deutschen Bahn und für auch die niedrig bezahlten Kollegen bei den 6 größten privaten Bahnbetreibern. Wieso trifft es dann die Deutsche Bahn, die ja eigentlich am besten zahlt?

    Weselsky: Ja die Deutsche Bahn behauptet hier immer wieder, dass sie gar nicht bestreikt werden dürfte. Ich sage mal ganz einfach, wenn das alles ist, was deutsche Topmanager leisten können, außer permanenter Wiederholung, jeder weiß, wie ein Tarifkonflikt aus dem Weg geräumt wird, die von der Bahn gemachten Angebote, DB AG, reichen nicht aus, und zwar nicht in der Höhe, sondern in der Qualität. Flächentarifvertrag, soziale Schutzbestimmungen sind für uns ein Muss, das zeigen die Lokomotivführer hier ganz klar und deutlich, und an der Stelle, sage ich mal, habe ich das Gefühl, dass man es wieder aussitzt auf dem Rücken der Fahrgäste und uns nur medial versucht, den Ball zuzuschieben, dass wir dafür die Verantwortung tragen.

    Engels: Kritiker werfen Ihnen aber auch vor, dass die privaten Bahnbetreiber gar nicht so leicht von Ihnen zu treffen seien, weil dort viele Lokführer gar nicht bei der GDL engagiert sind. Können Sie wirklich die Privaten blockieren?

    Weselsky: Wissen Sie, das ist so eine tolle Mär. Wir reden über 26 Unternehmen des Schienen-Personennahverkehrs, von denen werden von uns 20 Unternehmen bestreikt, und zwar sehr wirksam, bis zum kompletten Stillstand. Ich weiß nicht, wer sich solche Lügenmärchen ausdenkt, um zu behaupten, dass wir keine Wirkung entfalten können.

    Engels: Das heißt, die Meldung, wonach beim letzten Warnstreik viele streikende Kollegen bei den Privaten durch nicht gewerkschaftlich engagierte Lokführer ersetzt wurden, trifft nicht zu?

    Weselsky: Das ist sachlich falsch, und zwar deshalb, weil die sechs hier versuchen, die Wirkung nach unten zu spielen und sich ein Stück weit selbst zu schützen.

    Engels: Wie sehen Sie die Stimmung unter den Bahnkunden? Viele können ja nicht mehr so recht verstehen, diese sehr detaillierten Forderungen, die Sie haben. Wie lange können Sie das noch durchhalten, ohne die Kunden dann wütend auf sich zu machen?

    Weselsky: Nun, ich denke, wir haben mit der heutigen Maßnahme Rücksicht auf Berufspendler genommen und wir machen auch nicht so lange, dass wir die Wochenendpendler dann ohne Eisenbahnverkehr hier ins Wochenende schicken, sondern wir machen 11:30 Uhr Schluss. Wir wissen, dass das eine heikle Angelegenheit ist. Allerdings haben wir immer wieder auch Verständnis von den Fahrgästen, wenn wir unsere Ziele klar und deutlich zum Ausdruck bringen, nämlich dass Lokomotivführer in diesem Land mit einem sicherheitsrelevanten Beruf eben auch ein vernünftiges Einkommen haben sollten, und zwar in allen Eisenbahnverkehrsunternehmen.

    Engels: Das ist jetzt, Herr Weselsky, der zweite Streik innerhalb dieser einen Woche. Was planen Sie für nächste Woche?

    Weselsky: Nun, ich gehe davon aus, dass wir Warnstreiks weitermachen können und werden. Allerdings wissen Sie, dass wir bereits am Dienstag die Urabstimmung eingeleitet haben. Am 4. sind die geheimen Briefwahlunterlagen wieder im Rücklauf bei uns und am 7. ist die Auszählung. Danach haben wir ein klares Votum unserer Mitglieder und würden dann auch dazu übergehen, bei null Bewegung auf der Arbeitgeberseite die Arbeitskampfmaßnahmen auszudehnen.

    Engels: Das heißt aber auch, der Montag vorher könnte schon betroffen sein, vor dem Ergebnis der Urabstimmung?

    Weselsky: Das wissen Sie, dass wir die Streiktage und die Streiktaktik nicht rauslassen, jedenfalls nicht so weit vorher. Wir haben bisher immer mehr als zwölf Stunden vorher darüber informiert, wann die Maßnahmen stattfinden. Ich denke, das ist ein großes Entgegenkommen. In den vergangenen Auseinandersetzungen waren wir wesentlich kurzfristiger. Die Fahrgäste können sich ein Stück weit darauf einstellen.

    Engels: Claus Weselsky war das, er ist der Vorsitzende der Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer (GDL). Wir sprachen mit ihm über die geplanten Warnstreiks, die in der kommenden Minute bundesweit beginnen. Vielen Dank für das Gespräch.

    Weselsky: Ich danke Ihnen auch.