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Stimmung bei Bayer
Ein Jahr nach dem Monsanto-Kauf

Vor gut einem Jahr hat Bayer den US-Saatgutkonzern Monsanto gekauft. Seitdem ist bei Bayer nichts mehr so wie es mal war. In den USA wird der Konzern wegen Glyphosat mit immer neuen Klagen konfrontiert. In Leverkusen wächst die Unsicherheit der Beschäftigten - 12.000 Stellen sollen abgebaut werden.

Von Vivien Leue | 13.06.2019
Luftbild vom CHEMPARK Leverkusen Bayer AG Werk mit Hauptverwaltung von Bayer und LANXESS Aktiengesellschaft am Carl-Duisberg-Park in Leverkusen
Unter einer schlechten Management-Entscheidung leidet vor allem die Belegschaft, so Bayer-Betriebsrat Klaus Hebert-Okon (imago / Hans Blossey)
"Hier können sie sich verlaufen…" Leverkusen, Besuchereingang des Chemparks. Klaus Hebert-Okon steigt in seinen silbernen Wagen und lenkt ihn – routiniert – in Richtung Betriebsgelände, vorbei am riesigen Bayer-Kreuz. Er würde sich hier nicht verlaufen.
"Wenn man früher sagte, auf die Frage: Wo arbeiten sie denn? Bei Bayer in Leverkusen, da war immer alles klar. Und wenn man dann heute sagt: Currenta im Chempark, kennt kein Mensch mehr."
Hebert-Okon hat 1969 bei Bayer angefangen – als Azubi. Seit 1980 ist er im Betriebsrat, mittlerweile bei der Service-Gesellschaft Currenta, die aktuell noch zu 60 Prozent Bayer gehört und die Chemparks in Leverkusen, Dormagen und Krefeld betreibt.
"So, herzlich Willkommen beim Betriebsrat Currenta."
Hebert-Okon hat schon viele Veränderungen mitgemacht, aber die anstehenden sind wahrscheinlich die gravierendsten. Denn Bayer will seinen Anteil an Currenta verkaufen. Hebert-Okon und die mehr als 3.200 Beschäftigten von Currenta würden dann gar nicht mehr zu Bayer gehören. Das belastet die Atmosphäre im Betrieb.
"Das äußert sich zum einen darin, dass die Unsicherheit groß ist: Was macht ein neuer Erwerber, welche Einheiten werden dann noch Bestand haben, werden welche abgebaut oder nicht?"
Umfangreicher Stellenabbau geplant
Unsicherheiten gibt es aber auch bei Bayer selbst. Der Leverkusener Konzern fokussiert sich nach der Monsanto-Übernahme und der Trennung von den Chemiegeschäften Covestro und Lanxess inzwischen auf das Agrargeschäft und den Pharmabereich – und hat große Veränderungen angekündigt. Unter anderem sollen 12.000 Stellen abgebaut werden. Andrea Eisfelder ist Betriebsrätin bei Bayer.
"Die Umstrukturierungsmaßnahmen, die jetzt anstehen, sind so umfangreich, dass keiner genau weiß, ob er morgen noch auf seinem Platz arbeitet oder nicht. Und das ist natürlich etwas, was verunsichert, obwohl man im Hinterkopf hat, dass man da nicht gekündigt werden kann."
Denn bisher werden betriebsbedingte Kündigungen bei Bayer ausgeschlossen – zumindest bis 2025. Bei Noch-Bayer-Tochter Currenta sieht das ganz anders aus:
"Da hat man schon seit Jahren keinen Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen mehr und da ist doch das Gefühl des Abgehängt-Seins von der großen Firma Bayer da."
Von Entfremdung und Enttäuschung
Für Mitarbeiter wie Klaus Hebert-Okon ist das hart.
"Man hat knapp 50 Jahre gearbeitet unter Bayer-Regie und nach der langen Arbeit will Bayer als Arbeitgeber nichts mehr mit einem zu tun haben, das ist schon ein komisches Gefühl."
Umstrukturierungen, Ausgliederungen, Neuzukäufe und Abspaltungen sind im internationalen Konzerngeschäft allerdings nichts Außergewöhnliches. Ein Leben lang bei einem Unternehmen – diese Berufsbiografien gibt es kaum noch, auch nicht bei Bayer.
"Ich bin auch in dritter Generation ein Bayer-Kind sozusagen. Aber die ganze Umwelt ist ja schneller geworden und auch globaler geworden."
Schwere Schlagseite durch Glyphosat
Gerade dieses globale Engagement könnte Bayer jetzt zum Verhängnis werden. Die rund 63 Milliarden US-Dollar schwere Übernahme des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto – und seines glyphosathaltigen Unkrautvernichters - hat Bayer in große Schwierigkeiten gebracht. In den USA sind mehr als 13.000 Klagen wegen Schäden durch Glyphosat anhängig, erste Richter haben für die Kläger geurteilt und ihnen Schadenersatz-Zahlungen zugesprochen. Bayer ist zwar in Revision gegangen, aber die Unsicherheit bleibt: Wird das Unternehmen mit den möglicherweise milliardenschweren Folgekosten der Monsanto-Übernahme fertig?
"Es gibt sicher viele, die sagen, musste das sein mit Monsanto, aber es gibt eben auch andere Beispiele bei Bayer, die gut geklappt haben. Eine Schering-Integration, die sicher mit vielen Blessuren, aber doch gut geklappt hat. Bei Monsanto merkt man, es ist schon deutlich anders."
Mangement-Fehler und die Folgen für die Mitarbeiter
Letztlich, sagt Hebert-Okon, sei es nicht die Aufgabe des Betriebsrats, sich in Management-Fragen einzumischen, aber klar sei natürlich:
"Wenn sich denn herausstellt, dass eine Management-Entscheidung schlecht war, dann wird die Belegschaft letztendlich darunter leiden."
Für Klaus Hebert-Okon könnte das Thema Glyphosat allerdings bald ohnehin keine Bedeutung mehr haben, denn Bayer will den Verkauf von Currenta schon in den nächsten Monaten abgeschlossen haben. Der Konzern wird den Erlös gut gebrauchen können. Seine Nettoverschuldung lag zuletzt bei rund 36 Milliarden Euro.