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Stinner: Deutsche haben keinen Einfluss auf Koreakonflikt

Nordkorea will mit seinen Provokationen gegen Südkorea nur von Problemen im Land ablenken, sagt der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner. Die USA könnten trotzdem nicht anders, als ihre militärische Macht zu demonstrieren. Deutschland bleibe nur deeskalierende Rhetorik.

Rainer Stinner im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 02.04.2013
    Tobias Armbrüster: An scharfe, an aggressive Rhetorik aus Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang sind wir inzwischen gewohnt. Aber trotzdem klingt es beunruhigend, was wir seit dem Wochenende aus diesem Land hören. Da ist von einer Kriegserklärung gegen den Süden die Rede. Außerdem droht der Norden mit einem Atomschlag. Südkorea wiederum hat für den Fall eines Angriffs Vergeltung angekündigt.

    Am Telefon ist jetzt Rainer Stinner, der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen!

    Rainer Stinner: Guten Morgen!

    Armbrüster: Herr Stinner, ist diese Kriegsrhetorik, die wir da aus Nordkorea hören, ist das etwas, das uns hier in Deutschland beunruhigen sollte?

    Stinner: Ja. Auf jeden Fall ist es ernst zu nehmen, wenn ein solcher Konflikt jedenfalls verbal sich aufschaukelt. Das ist keine Frage. Ich hoffe, dass meine Interpretation im Augenblick noch richtig ist, dass hier ein üblicher Mechanismus zum tragen kommt, nämlich von innenpolitischen Problemen abzulenken durch außenpolitische Kraftmeierei. Der neue Führer Nordkoreas ist alles andere als gesettled in seinem Land und er muss erst mal sich etablieren und muss Statur gewinnen, und so etwas gelingt eben häufig, ein klassisches Modell, durch außenpolitische Kraftmeierei. Aber das müssen wir sehr, sehr ernst nehmen, was da passiert.

    Armbrüster: Und die Präsidentin von Südkorea macht anschließend alles nur noch schlimmer mit ihrer Drohung, sofort zurückzuschlagen, wenn es nötig ist?

    Stinner: Ja das ist eben leider die Eskalation der Worte und die Eskalation, die hoffentlich keine Eskalation der Taten werden wird. Aber das ist eben auch durchaus verständlich: der Stolz ist getroffen und dann reagiert man so. Aber natürlich ist das nicht hilfreich, dass hier eine Kriegsrhetorik auf beiden Seiten gepflegt wird.

    Armbrüster: Das heißt, würden Sie dafür die Präsidentin von Südkorea kritisieren?

    Stinner: Nein, ich würde sie dafür nicht kritisieren. Angesichts der Situation ist klar, dass sie sagt, wenn wir angegriffen werden, verteidigen wir uns mit allen Mitteln. Das würde ich jetzt nicht kritisieren. Ich glaube, was bisher in der Betrachtung zu kurz gekommen ist – vielleicht wissen wir auch zu wenig darüber - ist die Rolle Chinas in dieser Geschichte. Ich habe das Gefühl, dass man in China sehr, sehr unglücklich ist darüber und dass China seinen Einfluss, seine Einflussmöglichkeit auf Nordkorea weitestgehend verloren hat, und das ist natürlich außerordentlich bedenklich. Nordkorea ist eigentlich auf China in vieler Hinsicht angewiesen und die Frage ist, wie lange die Chinesen dieses ‚Spiel‘ noch mitmachen und wann die Chinesen eventuell noch hartnäckiger sich mit Nordkorea beschäftigen.

    Armbrüster: Welche Möglichkeiten haben wir denn hier in Deutschland, auf diese Machenschaften, auf diese Politikstränge irgendwelchen Einfluss zu nehmen? Oder ist das alles viel zu weit weg für uns?

    Stinner: Wenn wir ehrlich sind, haben wir leider sehr, sehr wenig direkte unmittelbare Einflussmöglichkeit. Wir pflegen völlig zurecht eine Rhetorik und wir pflegen zurecht Forderungen, dass wir sagen, deeskalierend, nicht weiter machen, alles ganz schlimm. Das ist auch richtig, das verurteile ich auch gar nicht. Aber wenn wir ehrlich sind: konkrete Einflussmöglichkeiten haben wir Deutschen da nicht.

    Armbrüster: Sie haben jetzt, Herr Stinner, am Anfang gesagt, dass sich da leicht etwas aufschaukelt. Wo könnte das alles denn enden, wenn wir mal nicht den schlimmsten Fall, den Atomschlag annehmen? Wo könnte dieses Aufschaukeln hinführen in den nächsten Tagen oder Wochen?

    Stinner: Nun, Nordkorea ist schon jetzt isoliert, wie, ich sage mal, kein anderes Land der Welt. Das heißt, schlimmer kann es eigentlich bei der internationalen Reputation Nordkoreas für die dortigen Herrscher nicht mehr werden. Von daher können sie diesbezüglich nichts weiter befürchten, sie sind Paria der internationalen Weltgemeinschaft und es kann eine weitere Eskalation, es kann eine weitere dauerhafte Krise dort entstehen. Und wenn wir, wie Sie sagen, nicht hoffen, dass es dort ein Krieg wird, dann wird es weiterhin ein enormes Spannungsgebiet bleiben, und die Frage ist, wie es der nordkoreanischen Regierung gelingt, die Wirtschaft in Gang zu bringen, denn natürlich haben wir dort 24 Millionen hungrige Menschen, die mittlerweile auch, obwohl das Land sehr abgeschottet ist, sehen, was bei ihrem südlichen Brudervolk Südkorea passiert, die sehen, was in China passiert, und die Frage ist, wie lange sie damit zufrieden sind, in einer Art Steinzeitstaat zu leben.

    Armbrüster: Ist das denn eigentlich sinnvoll, dass die USA gemeinsam mit Südkorea mitten in dieser spannungsgeladenen Region immer wieder diese Militärmanöver abhalten, die ja auch jetzt wieder zu diesen jüngsten Spannungen geführt haben?

    Stinner: Nun, das ist eine Selbstbehauptung Südkoreas und der USA, die sagen, wir lassen uns doch von diesen Leuten nicht vorschreiben, wie unsere militärische Kooperation ist. Das ist sicherlich auch gegenwärtig eine Versicherung der Südkoreaner, die ja ein Militärbündnis mit den Vereinigten Staaten haben und deren Sicherheit diesbezüglich natürlich von Amerika gewährleistet ist. Und ich glaube, wenn die Amerikaner angesichts dieser enormen Bedrohung und dieser wahnsinnigen radikalen, des verbalen Radikalismus aus Nordkorea jetzt nicht deutlich machen würden, dass sie an der Seite ihres südkoreanischen Partners stehen, dann würde sicherlich dort eine Verunsicherung auftauchen. Von daher verstehe ich, dass die Amerikaner sagen, wir haben hier ein Commitment, zu dem stehen wir auch.

    Armbrüster: Herr Stinner, ich würde gerne noch über ein anderes Thema kurz mit Ihnen sprechen. Im Streit um türkische Berichterstatter beim NSU-Prozess, da hat sich jetzt auch die Regierung in Ankara eingeschaltet. Der türkische Außenminister hat darüber mit Außenminister Westerwelle gesprochen. Ist Deutschland gerade dabei, hier außenpolitisch Schaden zu nehmen?

    Stinner: Ja zumindestens halte ich das für problematisch. Man stelle sich mal den umgekehrten Fall vor, es würde einen solchen Prozess in der Türkei oder irgendwo auf der Welt geben, und tatsächlich hätten dann deutsche Berichterstatter Schwierigkeiten zu berichten. Das kann man sicherlich mit den Formalien des Gerichtes erklären. Aber jedenfalls von der Außendarstellung, von der Wahrnehmung ist es sehr problematisch. Von daher plädiere ich dafür – aber ich bin kein Rechtsfachmann des Gerichtsverfassungsrechtes - entweder einen größeren Saal zu nehmen, oder auf jeden Fall dafür zu sorgen, dass eine umfangreiche Berichterstattung ermöglicht ist. Wir sollten jedenfalls alles vermeiden, uns dem Vorwurf auszusetzen, dass wir hier durch Regularien, Gerichtsregularien, eine Berichterstattung, die ja weltweit nun mal eben gewünscht wird, hier behindern.

    Armbrüster: Live hier im bei uns in den "Informationen am Morgen" war das Rainer Stinner, der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Besten Dank, Herr Stinner, für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Stinner: Danke Ihnen, auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.