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Störerhaftung
Bundesgerichtshof bestätigt Aus für WLAN-Haftung

Offene WLAN-Netze gab es in öffentlichen Räumen lange nur wenige. Den Betreibern war es zu riskant: Sie mussten haften, wenn ihre Kunden das Netz illegal nutzten. Im vergangenen Jahr schaffte die Bundesregierung diese WLAN-Haftung ab. Nun hat auch der Bundesgerichtshof das Aus der Störerhaftung bestätigt - mit Einschränkungen.

Von Gigi Deppe | 26.07.2018
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    WLAN im Café? Vielen Ladenbesitzern war das lange Zeit zu riskant. Nun hat der Bundesgerichtshof versichert: Sie müssen nicht mehr für das Treiben ihrer Gäste haften. (imago | Westend61)
    Der Vorsitzende Richter Thomas Koch wies gleich am Anfang der Urteilsverkündung darauf hin: Bei diesem Fall gehe es um eine für die Allgemeinheit wichtige Frage:
    "Sie betrifft alle Betreiber von offenen WLAN-Hotspots, in Hotels beispielsweise, Restaurants, an Flughäfen Bahnhöfen, öffentlichen Plätzen. Der Streitfall ist deswegen von öffentlichem Interesse, weil der Gesetzgeber die Haftung von Anbietern eines Internetzugangs im letzten Jahr neu geregelt hat, und das hier ist der erste Fall, in dem der Bundesgerichtshof sich mit dieser Neuregelung befasst hat."
    WLAN-Anbieter von Haftung befreit
    Und dann stellte er klar: Nach dem neuen Gesetz müssen Anbieter von offenem WLAN nicht mehr haften. Das gehe auch nicht zu weit, denn die Hersteller von Computerspielen, Musikverlage oder Filmproduzenten könnten sich trotzdem noch wehren. Sie könnten schließlich vom WLAN-Anbieter verlangen, dass er kriminelle Seiten sperrt. Oder sonst irgendwie aktiv wird, damit die Nutzer seines Netzes in Zukunft nichts mehr illegal herunterladen. Für Anwalt Richard Lindner, der den privaten WLAN-Anbieter vor Gericht vertritt, ein sehr gutes Urteil.
    "Diese Entscheidung führt aus dem Mittelalter des WLAN-Verkehrs des Internets auf die heutige Lage hin. Wir sind also in der Neuzeit des WLANS angelangt."
    Tatsächlich geht eines jetzt nicht mehr: Dass Anwaltskanzleien im großen Stil Abmahnungen verschicken, frei nach dem Motto: In deinem WLAN-Netzwerk hat irgendjemand etwas illegal runtergeladen, deswegen musst du zahlen. Aber wer ein offenes WLAN betreibt, muss sich weiterhin kümmern. Hier hatte eine Firma geklagt, weil ein Computerspiel mit den Namen "Dead Island" heruntergeladen wurde. Diese Firma kann jetzt vom privaten WLAN-Anbieter verlangen, dass bestimmte Seiten gesperrt werden, damit das Herunterladen in Zukunft nicht mehr möglich ist. Oder dass er irgendwie aktiv wird, um die illegale Nutzung zu stoppen, so Gerichtssprecherin Dietlind Weinland:
    Anbieter müssen Zugang kontrollieren
    "Das heißt, es ist abgestuftes System. Erstmal muss man vielleicht versuchen, die Webseite zu sperren. Anderseits gibt es dann auch die Möglichkeit, dass man sagt: Der Zugang wird mit einem Passwort versehen. Oder, als äußerstes Mittel, wird der gesamte Zugang zu dem öffentlichen Hotspot gesperrt."
    Ganz praktisch heißt das Urteil: WLAN-Netz anbieten ja, aber der Anbieter muss mehr unternehmen. Er könnte, um illegale Nutzung zu verhindern, von jedem Nutzer Registrierung verlangen, wie das die Deutsche Bahn bereits jetzt tut. Oder er könnte an seine Nutzer ein Passwort vergeben, wie das in Hotels oft der Fall ist. Nur im äußersten Fall müsste er den Zugang ganz sperren. Wobei dann auch immer noch abgewogen werden muss: die Interessen des Verlages, die Interessen des WLAN-Anbieters und die Informationsfreiheit der Nutzer. Geht es nur um einen kleinen Verstoß, muss nicht gleich alles gesperrt werden – das wäre unverhältnismäßig.
    Wer übrigens schon vor Herbst 2017, also vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes, Abmahnkosten zahlen sollte, der ist davon nicht befreit. Denn bis dahin waren die WLAN-Betreiber nach dem Gesetz verantwortlich. Müssen das also jetzt noch zahlen. Aber bei allen Schreiben, die danach Abmahnkosten verlangt haben, sollten sich die WLAN-Betreiber noch mal beraten lassen.