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Störfall für die deutsch-französische Freundschaft

Das Verhältnis zwischen Rheinland-Pfalz und der französischen Nachbarregion ist freundschaftlich. Nur das AKW Cattenom trübt die engen Beziehungen. Während der Mainzer Landtag die Abschaltung der pannenträchtigen Anlage fordert, wollen sie die Franzosen noch 30 Jahre weiterlaufen lassen.

Von Ludger Fittkau | 22.01.2013
    Die deutsch-französische Freundschaft hat viele Facetten. Das macht Eveline Lemke klar, die stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Für die Grünen-Politikerin zeigte sich diese Freundschaft nämlich unlängst bei einer geglückten grenzübergreifenden Katastrophenschutzübung rund um das lothringische AKW Cattenom. Die Übung kam zustande, weil nach der Katastrophe im japanischen Kraftwerk Fukushima vor knapp zwei Jahren auch der Sicherheitsradius um Cattenom erweitert wurde – über die Landesgrenzen hinaus. Eveline Lemke ist in der Mainzer Landesregierung auch für Reaktorsicherheit zuständig:

    "Klar ist immer, bei so einer Übung, Katastrophe, Supergau für ein AKW, dass man ziemlich hilflos ist, aber natürlich die Menschen auch noch lenken muss, leiten muss, rausführen muss. Es hängt ganz viel davon ab, Wind und Wetter."

    Und Kommunikation, auch über die Sprachgrenze hinweg. Die Zusammenarbeit der deutschen und der französischen Behörden habe bei der Übung hervorragend geklappt, so Lemke. Trotzdem bestehen alle rheinland-pfälzischen Parlamentsparteien darauf, dass Frankreich das AKW Cattenom so schnell wie möglich abschaltet. Denn die Reaktoren an der Mosel sind sehr störanfällig. Erst vor wenigen Tagen wurde wieder ein Störfall gemeldet. Doch mit den Meldungen sei es nicht getan, so die rheinland-pfälzische Reaktorsicherheitsministerin Eveline Lemke:

    "Das ist natürlich viel zu wenig, wenn man eigentlich feststellen muss, dass Cattenom ein Schrottreaktor ist. Dass da verrostete Schrauben sind, dass es dort Keile und Bügel gibt, die sich nicht bewegen, weil sie wirklich verrostet und vergammelt feststecken und sich deswegen bestimmte Schiebesysteme nicht in Bewegung setzen können, durchbrechen oder ausfallen. Dass es immer wieder zu Störfällen kommt."

    Doch Guy Catrix, der neue Direktor der Atomanlagen von Cattenom, wagt in einem aktuellen Interview für die "Saarbrücker Zeitung" die Prognose, dass das lothringische AKW noch gut 30 Jahre am Netz bleiben könnte. Für die Verbesserung der Sicherheitsstandards von Cattenom sei nun eine Milliardeninvestition geplant, so Catrix. Das Thema der nationalen Unabhängigkeit Frankreichs im Energiebereich spiele in Paris nach wie vor eine große Rolle und erkläre das Festhalten der französischen Regierung an der Atomkraft. Das sagt auch Thibaut de Champris, der als Direktor des Mainzer Institut Francais die französisch-deutschen Kulturbeziehungen am Rhein mitprägt:

    "Das ist ganz einfach die andere Perspektive, die Frankreich historisch hat, nämlich Unabhängigkeit als oberste Maxime. Das hat ganz stark mit der Bewegung nach dem Krieg zu tun unter de Gaulle, dass man unabhängig wird von irgendeiner wirtschaftlichen Macht vor allem.

    Auf deutscher Seite gilt Cattenom als ein ungeliebtes Überbleibsel dieser französischen Unabhängigkeits-Maxime auch im Energiesektor. Malu Dreyer, die neue rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin hat schon angekündigt, gemeinsam mit ihren grünen Kabinettskolleginnen in der Mainzer Regierung, aber auch mit den Regierungen von Luxemburg und des Saarlandes ihren Kampf gegen das AKW Cattenom weiterzuführen:

    "Cattenom bleibt ein Thema, wir sind da immer ganz aktiv mit der Umweltministerin und der Energieministerin vor Ort. Auch ich als Bürgerin war schon ganz oft bei Demonstrationen gegen Cattenom."

    Nicht mehr nur auf der Straße wie früher, sondern jetzt in freundschaftlichen, aber bestimmten Konsultationen mit französischen Politikern will Malu Dreyer die baldige Stilllegung der lothringischen Atomanlage erreichen. Die deutsch-französische Freundschaft hat viele Facetten – auch mit "Störfällen" wie Cattenom muss sie klarkommen.