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Störmanöver für die Energiewende

Will die EU-Kommission zurück ins Atomzeitalter? Ein internes Papier aus der Behörde von Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia sorgt für Wirbel in Berlin. Stein des Anstoßes sind neue, bisher nicht gültige Regeln für staatliche Beihilfen beim Neubau von Atomkraftwerken.

Von Jörg Münchenberg | 19.07.2013
    Die EU-Kommission will die bestehenden Beihilfe-Regeln auch für die Atomkraft öffnen. So steht es zumindest in einem Entwurf, der diesem Programm vorliegt. Demnach sollen die nationalen Regierungen künftig Unternehmen subventionieren können, die Atomkraftwerke planen und betreiben. Der Ausbau der nuklearen Energieerzeugung, so heißt es dazu in dem Arbeitspapier aus der Generaldirektion Wettbewerb, sei ein Ziel der Europäischen Union.

    Doch der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia relativierte heute die zentralen Aussagen des Papiers: Die Kommission wolle in keiner Form zu Subventionen für Kernkraft ermuntern, erklärte Antoine Colombani, es sei an den Mitgliedsstaaten, den eigenen Energiemix festzulegen.

    Laut dem vorliegenden Entwurf sollen Investoren künftig mehr Rechtssicherheit über mögliche Beihilfen bekommen. So ist etwa genau aufgeschlüsselt, unter welchen Bedingungen staatliche Beihilfen möglich sein könnten - etwa, wenn die erforderlichen Investitionen zum Bau von Kernkraftwerken für die private Hand zu hoch seien. Im Herbst will die EU-Kommission über die neuen Beihilferegeln entscheiden, weil die bisherigen Bestimmungen Ende des Jahres auslaufen. Doch zunächst werde man die Mitgliedstaaten konsultieren, betonte Colombani, zudem sei noch nichts entschieden.

    Weil es sich aber um Wettbewerbsregeln handelt, kann die Kommission am Ende alleine entscheiden. Vor allem die Mitgliedsländer mit einem hohen Anteil von Atomstrom, nicht zuletzt Frankreich, Großbritannien und Tschechien fordern seit Monaten, die bisherigen Beihilferegeln zu erweitern. Doch die Gleichstellung von Kernkraftwerken mit Erneuerbare Energien würde zumindest die deutsche Energiewende unterlaufen. Deshalb habe Deutschland dagegen gestimmt, sagte heute Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch aus dem EU-Parlament kam scharfe Kritik. Der CDU-Abgeordnete Karl-Heinz-Florenz:

    "Bei dem Rumoren, was in einigen Ländern Europas zu hören ist, über neue Atomenergien, muss man nicht unbedingt überrascht sein. Aber im Grundsatz bin ich natürlich dagegen, weil ich glaube, dass die Atomenergie bei Weitem nicht so preiswert ist, wie man uns das immer sagt. Es wird Tag für Tag deutlich, wie teuer Atomenergie ist und wie gefährlich sowieso. Also es ist ein Unterstützer einer gefährlichen Technologie, die ich von Europa so nicht gefördert sehen möchte."

    Auch bei den Grünen hieß es, die geplante Neuregelung für staatliche Energiebeihilfen würde eine Kehrtwende in der Energiepolitik darstellen. Damit sollten nun marode Atomkonzerne mit langjährigen Subventionen wieder flott gemacht werden. Es bleibt abzuwarten, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß Wettbewerbskommissar Almunia diese Kritik berücksichtigen wird.