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Strack: Doktortitel sollten nicht im Ausweis genannt werden

Der Sozialpsychologe Fritz Strack ist der Meinung, dass viele Berufstätige aus Prestigegründen promovieren. Um diesen unwissenschaftlichen Beweggrund einzudämmen, schlägt er unter anderem vor, den Doktorgrad nicht mehr im Personalausweis zu führen.

Fritz Strack im Gespräch mit Manfred Götzke | 29.06.2011
    Manfred Götzke: Schon schön, wenn an der eigenen Bürotür "Doktor Manfred Götzke" stehen würde, oder auf dem Perso, oder in der E-Mail-Signatur - hilft einem vielleicht auch karrieremäßig weiter, in der FDP und bestimmt auch in anderen Parteien. Und genau das ist das Problem mit dem Doktortitel, sagt Professor Doktor Fritz Strack, er ist Sozialpsychologe an der Universität Würzburg, und er sagt, der Titelfetischismus in Deutschland trage Mitschuld an der Plagiatsunkultur, über die wir hier ja seit Monaten berichten. Herr Strack, finden Sie es eigentlich unangenehm, wenn ich Sie mit Professor Doktor anspreche?

    Fritz Strack: Ach, es macht mir eigentlich nicht so besonders viel aus, man gewöhnt sich dran und eigentlich findet man das okay.

    Götzke: Aber eigentlich mögen Sie die Titel nicht?

    Strack: Nein, eigentlich mag ich die Titel nicht, und insbesondere mag ich sie deshalb nicht, weil sie viele Menschen motivieren, den Doktortitel anzustreben aus Motiven heraus, die eigentlich überhaupt nichts mit diesem Grad und der Ausbildung, die damit zusammenhängt oder zusammenhängen sollte, zu tun hat.

    Götzke: Ihre These ist: Es gibt zu viele Karrieredoktoren, weil der Titel überall angegeben wird?

    Strack: Genau, und genau das wird gefördert durch den Personalausweis, in dem eben nur der Doktorgrad vorgesehen ist als Titel, und der natürlich dann mit dem Namen ganz eng assoziiert wird.

    Götzke: Aber ist das in Deutschland tatsächlich so schlimm? In Österreich brüstet man sich ja bereits mit dem Magister.

    Strack: Da können Sie auswählen: In Österreich, da können Sie sich darstellen, wie Sie wollen, und das diffundiert dann etwas über alle möglichen Titel, die einem wichtig sind, und ich finde das eigentlich besser, muss ich sagen, wenn ich mich in dem, was mir wichtig ist, auch darstellen kann und nicht das konzentriert ist auf den Doktor, der dann mit dem Namen so eng verknüpft ist.

    Götzke: Wie ist Ihnen das denn aufgefallen mit der Titelgier in Deutschland?

    Strack: Nun, ich war vor vielen Jahren in den USA, und da wurde ich hat die Dame von einer Fluglinie mein Ticket, Professor Doktor Fritz Strack, gelesen, und sie fragte, ob wir so in Deutschland angeredet werden. Sie hat es mit etwas ironischen Unterton gesagt, und da ist mir aufgefallen, dass das aus anderer Perspektive vielleicht ganz anders wahrgenommen wird, als es für uns ja normal erscheint.

    Götzke: So ganz unschuldig sind die Amerikaner aber auch nicht, der Senator wird doch auch nicht mit Mister angesprochen, sondern mit Senator, da ist der politische Titel ja auch von großer Relevanz.

    Strack: Ja, aber das hängt immer von dem jeweiligen Kontext ab. Sie würden jemand, einen Arzt im medizinischen Kontext natürlich auch als Doktor anreden, aber im allgemeinen gesellschaftlichen Kontext, auf einer Party oder so, ist es absolut unüblich.

    Götzke: Der Arzt ist ein gutes Stichwort, Sie kritisieren ja vor allem auch in der Medizin diese Quasi-Pflicht zu promovieren, die dann ja auch zu sehr fragwürdigen Doktorarbeiten führt.

    Strack: Ja. Wir wissen ja, dass der Doktor in der Medizin nicht vergleichbar ist mit dem Doktor in anderen Wissenschaften, und das ist keine außergewöhnliche Bewertung, sondern der Wissenschaftsrat hat das vor einigen Jahren festgestellt. In der Medizin ist der Doktor der Abschluss, aber andererseits ist es auch so, dass der Onkel Doktor eben der Mediziner ist, und von daher muss man sich überlegen, wie man damit umgeht. Eine Möglichkeit besteht darin, dass man in der Medizin eben auf die Arbeit verzichtet und einen medizinischen Doktor verleiht als Abschluss des Studiums.

    Götzke: Was fordern Sie ganz konkret, was soll sich ändern?

    Strack: Nun, ich denke, es sind drei Dinge, das ist erstens, dass dieser Exklusivstatus des Doktorgrads im Personalausweis, im Personalausweisgesetz, das sollte geändert werden, das sollte einfach nicht mehr so vorgesehen sein, wie in anderen Ländern auch. Das würde schon sehr viel bewirken, weil die Attraktivität dann für diejenigen, die aus Prestigegründen den Grad anstreben, extrem absänke, und das würde auch die Zahl der externen Promotionen von Personen, die im Berufsleben eingebunden sind und eigentlich nicht primär an der Forschung interessiert sind, das würde diese externen Promotionen reduzieren. Und man müsste sich auch überlegen, ob man vor diesem Hintergrund die Zahl, die bloße Zahl der Promotionen, die ein Professor durchführt, weiterhin als Bewertungskriterium heranzieht. Das macht das CHE, das Centrum für Hochschulentwicklung, wenn die Studiengänge bewertet werden, da gibt es eine Kennzahl, das ist die Zahl der Promotionen pro Professor, und das macht meiner Meinung nach wirklich keinen Sinn, wenn das nicht mit einer intensiven Betreuung verbunden ist, die bei externen Promotionen nicht möglich ist. Und dann schließlich die medizinische Promotion, das habe ich schon ausgeführt.

    Götzke: Glauben Sie denn tatsächlich, Freiherr von und zu Guttenberg hätte auf sein Plagiat verzichtet, wenn sein Titel nicht im Perso zu sehen wäre?

    Strack: Er hätte wahrscheinlich den Doktortitel nicht angestrebt, ich meine, ich weiß nicht, wie es im Einzelfall ist, hier geht es natürlich nur um Durchschnittserwartungen, aber auf jeden Fall sinkt die Attraktivität dann, wenn das nicht mehr diesen Exklusivitätsstatus hat.