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Strahlende Fracht über den Wolken

Technik. - Am Wochenende sorgten Nachrichtenmeldungen für Aufsehen, wonach nukleare Abfälle per Flugzeug nach Russland transportiert werden sollten. Zwar reagierten Kritiker sofort mit Protesten, doch Experten sehen in derartigen Lufttransporten durchaus nichts Ungewöhnliches.

Von Sönke Gäthke | 31.10.2006
    Uran oder andere strahlende Stoffe mit dem Flugzeug zu transportieren, ist nicht ungewöhnlich, sagt Udo Helwig, Direktor des Vereins für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf. Der Verein löst das Kernforschungszentrum Rossendorf im Norden von Dresden auf:

    "Flugtransporte von Kernmaterial hat es aber die gesamte Zeit, in der ich in der Kerntechnik bin, und das ist schon über dreißig Jahre, schon immer gegeben."

    Ein umfangreiches Regelwerk der Fluggesellschaften regelt dabei, wie Uran oder andere strahlende Stoffe transportiert werden dürfen. Handelt es sich aber um mehr als 15 Gramm eines Kernbrennstoffs – wie im Falle des ehemaligen Kernforschungszentrums in Rossendorf - dann muss der Transport genehmigt werden. Im Falle dieses Brennstoffs kommt noch hinzu, dass es sich um hoch angereichertes Uran handelt. Es hat einen Anteil von 36 Prozent des spaltbaren Uran-235. Weil man damit Waffen bauen kann, müssen Lagerung und Transport besonders gesichert werden.

    "Dafür haben wir eine spezielle Anlage gebaut, in der das gesamte Kernmaterial konzentriert ist bis zur Entsorgung. "

    Die soll allerdings in Russland erfolgen, gemäß der internationalen Vereinbarung, wonach alles hoch angereicherte Uran aus den Forschungsreaktoren der Welt wieder zurück zu seinen Ursprungsorten transportiert werden soll. Ziel dieser Vereinbarung ist es, dieses Material zu sammeln und so eine weitere Verbreitung zu verhindern. Für Rossendorf heißt das, die unbenutzten Brennstäbe und Pellets müssen nach Podolsk bei Moskau. Der Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf hat sich dabei für den Luftweg entschieden, so Helwig.

    "Das ist eine relativ einfache Sache. Alle bisherigen Transporte, die im Rahmen dieses bisherigen Programms gelaufen sind, sind per Flugtransport gelaufen. Elf davon sind mir bekannt, dass sie gelaufen sind, und diese Form hat sich bewährt, sie ist auch sicher, und sie ist von der russischen Seite und der internationalen Seite auch gewünscht. Deshalb haben wir uns dazu auch entschieden.

    Umso überraschte war er, als die Tageschau in ihrer 20-Uhr-Ausgabe am Montag meldete:

    Russlands Atomenergiebehörde hält Atommülltransporte aus Deutschland per Flugzeug nach Russland für äußerst fragwürdig. Ein Sprecher der Behörde sagte, ein solcher Transprot sei nach allen internationalen Standards nur auf dem Schienenweg möglich.

    Dazu Helwig:

    "Ich habe mich natürlich an die Rosatom gewandt, an unsere Partner im Rahmen unseres Verfahrens hier und unseres Projektes zu Rückführung, und habe heute morgen eine E-Mail zurückbekommen, dass man sich das nicht erklären kann und ganz klar erklärt, dass Rosatom eine solche Information, der Flugtransport sei nicht genehmigungsfähig, niemals gegeben hat."

    Wie die Meldung zustande gekommen ist, kann sich Helwig nicht erklären. Unter Umständen lag schlicht ein Missverständnis vor: Anders als die Tagesschau meldete, soll nicht hoch strahlender Atommüll, sondern frische Brennstäbe versandt werden.

    "Reines Uran, also frisches Uran, ist ein Alpha-Strahler, Alpha-Strahlung kann man mit einem Blatt Papier praktisch abschirmen, es hat eine ganz geringe Reichweite in Luft."

    Das macht den Transport in den Augen von Kritikern jedoch nicht sicherer. Thomas Breuer ist Experte für Atomfragen bei Greenpeace, und hält gerade wegen der Alphastrahlung einen Luft-Transport für gefährlich:

    "Das birgt auch schon genau die größten Risiken, wenn es zu einem Absturz des Flugzeugs kommt und das Material pulverisiert und in der Region verteilt wird, dann ist das größte Risiko, dass Menschen damit in Berührung kommen, sprich, dass sie es beispielsweise einatmen. Die feinen Partikel, die sich dann in der Lunge festsetzen, werden dann auf die kurze Distanz innerhalb der Lunge die umliegenden Zellen zerstören."

    Die Rücksendung der hoch angereicherten Brennstoffe sei zwar international vereinbart, sollte aber erst beginnen, wenn es Endlager für diese Stoffe am Zielort gibt, so Breuer.

    "Wenn man früher anfängt zu transportieren, dann hat man das Problem, man transportiert das in ein Zwischenlager, von wo es in aller Wahrscheinlichkeit nach wieder wegtransportiert werden muss. Und somit erhöht man die Zahl der Transporte für Atommaterial, und das ist aus unserer Sicht unverantwortlich.

    Und dieser Transport sollte dann auf dem Schienenweg erfolgen, zeigt sich Greenpeace überzeugt. Dann aber müssten viele Polizisten die Strecke überwachen, damit das hoch angereicherte Uran nicht in die Hände von Terroristen fällt.