Freitag, 19. April 2024

Archiv


Strahlungsarme Salzkammer

Messtechnik. - In einem Salzstock bei Grasdorf in Niedersachsen betreibt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ein Untertage-Labor, in dem sie Dosimeter für die Messung von radioaktiver Strahlung kalibriert. Das Labor ist nahezu vollkommen von natürlicher Strahlung abgeschirmt, so dass die Messgeräte hier störungsfrei geprüft werden können.

Von Michael Engel | 26.04.2013
    Gleich geht es abwärts – in einem luftig wirkenden Förderkorb: Durch das Gitter schaut man in ein tiefes, schwarzes Loch. Rund 700 Meter geht es hier hinunter. Jörg Bode, der Grubenbetriebsführer, schließt das schwere Eisentor.

    "Jetzt kommt das Abfahrtsignal, und wir fahren jetzt zur 430-Meter-Sohle mit zwölf Meter pro Sekunde."

    Fahrtwind saust um die Ohren. Der rapide steigende Luftdruck macht auch dem Trommelfell zu schaffen. Jörg Bode empfiehlt: Trocken schlucken, damit man wieder hören kann. 45 Sekunden dauert die Einfahrt…

    "...und wir steigen jetzt vom Korb auf die 430-Meter-Sohle."

    Die "Sohle" hat die Abmaße eines Autotunnels und leuchtet weißlich-kristallin. Alles hier unten ist hochwertiges Steinsalz. Es landet – später einmal - im Salzstreuer. Noch 50 Meter, dann hat Dr. Stefan Neumaier von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt seinen Arbeitsplatz erreicht. Ein großes gelbes Schild mit Bundesadler prangt an der Eisentür:

    "Das ist das sogenannte 'UDO-Labor', wobei UDO für Untergrundlabor für Dosimetrie steht und der Bundesadler für die Physikalisch Technische Bundesanstalt. Es ist ein Hohlraum mit etwa 18 Metern Länge, sieben Metern Breite und drei Metern Höhe. Wir haben einen Edelstahlfussboden, weil Edelstahl sehr aktivitätsarm ist. Ja, ich denke, wir schauen es uns aus der Nähe an und ich kann gerne noch mehr dazu sagen."

    UDO ist einzigartig auf der Welt. In keinem Labor für dosimetrische Messungen anderswo herrscht ein so niedriger Strahlenpegel von weniger als zwei Nanosievert pro Stunde: Salz schirmt ab - und das ist gut für die Kalibrierung von Dosimetern. Heute sind es mehrere Mitarbeiter aus dem "Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz", die das Labor in Anspruch nehmen. Die Behörde ist unter anderem für die Messungen im Umfeld der Castoren von Gorleben zuständig, wie Dr. Kirsten Rupprecht erklärt.

    "Bei der Überwachung der kerntechnischen Anlagen geht es unter anderem auch darum, dass Grenzwerte eingehalten werden. Und diese Grenzwerte sind sehr niedrig. Die liegen so in der Größenordnung des natürlichen Strahlungsuntergrundes. Wenn man Dosen misst, die sich aus verschiedenen Beiträgen zusammen setzen, wobei der größte Beitrag nicht von der Anlage kommt, sondern aus der natürlichen Radioaktivität – also aus der Höhenstrahlung, vom Boden, und in dem Zusammenhang ist es natürlich auch sehr wichtig, das genaue Verhalten des Messgerätes zu kennen, und deswegen machen wir diese Kalibrierung hier in diesem Untertagelabor der PTB."

    Zunächst wird eine Cäsium-Probe in einen Behälter aus Blei gestellt. Ein kleines Loch in der Wandung lässt einen Teil der Gamma-Strahlung nach draußen. Dort – in zwei Meter Abstand – steht das zu prüfende Dosimeter. Roland Zwiener, Mitarbeiter der PTB, startet die Messung:

    "Ich starte jetzt einen Timer, um eine Minutenmessung zu aktivieren. Diese Minute muss ich abwarten, um dann anschließend die Anzeige abzulesen. Die Minute ist um, ich lese den Wert 50 ab, trage ihn in meine Datenbank ein, und erhalte somit einen weiteren Wert, der für diese Kalibrierung nötig ist."

    Der wirkliche Strahlenwert der Cäsiumprobe liegt aber bei 52,4 Nanosievert pro Stunde, was zuvor rein rechnerisch unter anderem aus dem Alter der Cäsiumprobe ermittelt wurde, denn durch die Halbwertszeit nimmt die Strahlungsintensität von Tag zu Tag geringfügig ab. Im Endergebnis geht das Dosimeter also falsch: Es zeigt 4,8 Prozent zu wenig an, was nun bei künftigen Messungen berücksichtigt werden muss.

    Neben der Kalibrierung von Messgeräten soll das Labor demnächst auch in den Dienst der Forschung gestellt werden: Die Experten der Physikalisch Technischen Bundesanstalt wollen Geräte entwickeln, die kleinste radioaktive Zerfälle messen können – im Bereich von "Mikro-Becquerel". Zuvor muss "UDO II" aber noch in eine "Bleiburg" mit fünf Zentimeter dicken Bleiplatten verwandelt werden, um die ohnehin schon extrem geringe Strahlung im Steinsalz noch einmal um den Faktor 100 zu reduzieren.