Donnerstag, 18. April 2024

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Streaming und Datenübertragung
Für Videokonferenzen und Filme am besten Glasfaserkabel und WLAN nutzen

Durch die Coronakrise sei die Menge der übertragenen Daten explodiert, gleichzeitig seien Treibhausgas-Emissionen signifikant zurückgegangen, sagte der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, im Dlf. Dadurch könne Deutschland noch seine Klimaziele für 2020 erreichen. Wichtig sei, wie Daten übertragen werden.

Dirk Messner im Gespräch mit Jule Reimer | 10.09.2020
31.08.2018, Berlin, Deutschland - Pressekonferenz zur Vorstellung des Gutachtens Zeit-gerechte Klimapolitik mit Prof. Dr. Dirk Messner
Der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner (imago imges / Reiner Zensen)
Das Coronavirus hat geschafft, wofür Unternehmen und Schulen unter anderen Umständen Jahre gebraucht hätten. Alle Welt kommuniziert plötzlich über Videokonferenzen. Die Deutschen sind häuslicher geworden, viele im Home-Office, die Staus im Berufsverkehr haben nachgelassen. Der vermehrte Einsatz der digitalen Techniken hat auch konkrete Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß in Deutschland, sagte der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, im Dlf.
Jule Reimer Lässt sich schon jetzt im September beziffern, um wieviel der CO2-Ausstoß zurückgehen wird?
Dirk Messner: Ich kann Ihnen keine konkrete Zahl nennen. Wir sind ja noch mitten im Jahr und die Daten laufen noch ein. Aber wir werden signifikante Reduzierungen bei den Treibhausgas-Emissionen haben und deswegen möglicherweise unsere Klimaziele noch erreichen können für 2020.
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
Rechenzentren müssen effizienter werden
Reimer: Das wäre eine gute Nachricht. Andererseits beanspruchen die Videokonferenzen auch in irgendeiner Form Strom, der irgendwo erzeugt werden muss. Hinzu kommen Streamingdienste wie Netflix und Co. Wie wirkt sich dieses verstärkte Streamen, wie wirken sich diese Videokonferenzen aus?
Messner: Wir haben eine Explosion von Datenmengen, die wir transportieren. Wenn wir Videos streamen oder wenn wir Videokonferenzen machen, dann erzeugt das ja Daten, und diese Daten werden übertragen. Um Ihnen eine Zahl zu nennen: Die Datenmengen sind von Februar auf März dieses Jahres um 30 Prozent gestiegen - innerhalb eines Monats nur. Das hat zu tun mit den neuen Praktiken, die wir jetzt mit der Coronakrise eingeübt haben. Eine weitere Zahl noch: Am größten Knotenpunkt für Datenübertragung in Europa, in Frankfurt am Main, wurde ein Spitzenwert im März gemessen von neun Terrabyte Datendurchsatz pro Sekunde. Das entspricht der gleichzeitigen Übertragung von zwei Millionen HD-Videos. Die Datenmenge explodiert und dafür brauchen wir Datenzentren, die verbrauchen Energie. Und wir müssen Daten übertragen und dafür brauchen wir auch Energie. Wir haben jetzt am UBA eine Studie gemacht, um besser zu verstehen, was die klimapolitischen Implikationen sind.
Wichtig, wie ein Video übertragen wird
Reimer: Sie sagen, das Ergebnis dieser Studie ist, es kommt vor allen Dingen auf die Übertragungstechnik an, wieviel man verbraucht. Wie sind da Ihre Ergebnisse?
Messner: Das Interessante ist erst mal in Bezug auf die Rechenzentren – die, die wir uns angeschaut haben. Wir haben wenig Daten in der Breite, sondern wir haben uns einige Rechenzentren ganz konkret angeguckt. Da sind die Energie-Effizienzen sehr weit auseinander. Wir haben leistungsfähige Rechenzentren, die sind sehr energieeffizient. Das ist klimapolitisch gesehen gut. Und andere, bei denen sieht das nicht so gut aus. Man muss bei den Rechenzentren was tun.
Dann ist aber die interessante Beobachtung: Der größere Energieverbrauch entsteht bei der Übertragung der Daten, beim Video-Streaming beispielsweise. Ob Sie mit UMTS, dem alten Standard, Mobildaten zu übertragen, auf Ihrem Handy arbeiten und einen Film sich anschauen, oder ob Sie das über Glasfaserkabel machen, das hat einen Effekt von Faktor 50. Glasfaserkabel ist 50mal effizienter, energiepolitisch betrachtet, als die Übertragung über das alte UMTS-System.
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Corona und Klima - Homeoffice kann CO2 sparen
Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise – als die Straßen aufgrund des Lockdowns deutlich leerer waren – hatten viele das Gefühl, die Luft sei besser. Tatsächlich könnte mehr Homeoffice-Arbeit einer Studie zufolge erhebliche Mengen an Treibhausgasen einsparen, erklärte Benjamin Stephan von Greenpeace im Dlf.
Filme möglichst über WLAN anschauen
Reimer: Das heißt, ich werfe alle alten Geräte weg?
Messner: Das ist keine gute Idee. Ich würde Ihnen raten, dass Sie Filme möglichst über WLAN sich anschauen oder in einem WLAN-Hotspot sich einklinken. Dann können Sie energie- und klimaverträglicher Filme schauen.
Reimer: Sie haben gesagt, die Auflösung spielt auch eine Rolle. HD – das ist ja dieses sehr hoch auflösende.
Messner: Ja. Das kann man ja einstellen auf den Handys und auf den Tablets. Da wird von vielen dann eingestellt die höchste Auflösung, die möglich ist. Unsere Augen nehmen das als Veränderung gar nicht wahr. Unser Ratschlag ist da, dass man nicht die höchste Auflösung wählen muss, weil je höher die Auflösung, desto höher die Datenübertragung, desto höher der Energieverbrauch, der damit verbunden ist.
Aber das Allerwichtigste ist, wenn Sie mit Ihrem Handy Videos schauen oder Videokonferenzen machen: Sehen Sie zu, dass Sie das über WLAN tun. Das ist deutlich besser, als wenn Sie das über die normale Mobilübertragung machen.
Rechenzentren können sehr unterschiedlich klimawirksam sein
Reimer: Was bedeuten Ihre Erkenntnisse für den Aufbau einer weiteren Daten-Infrastruktur?
Messner: Wir bauen in Europa eine Daten-Infrastruktur auf, die Gaia-X heißt, und die soll sicherer sein und vertrauenswürdiger als zum Beispiel Infrastrukturen, die in den USA angesiedelt sind – Cloud-Infrastrukturen, wo wir unsere Daten außerhalb Europas deponieren. Das ist sehr, sehr gut und die Bundesregierung hat das angeschoben. Aber da werden bisher Umweltanforderungen überhaupt nicht berücksichtigt. In dieser Studie, die wir heute vorlegen, zeigen wir, die Rechenzentren können sehr unterschiedlich klimawirksam sein, und wir müssen auf die effizientesten Möglichkeiten uns ausrichten, und das sollte auch für die europäische Daten-Infrastruktur von Bedeutung sein.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.