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Street-Art-Pionier Kyselak
Stylewriting vor 200 Jahren

Das Wien Museum wird im Herbst umgebaut. Als Zwischennutzung wird das geräumte Haus von Skatern und mit Street Art bespielt. So gerät auch ein Wiener Pionier in den Fokus, der schon vor 200 Jahren seinen Schriftzug verbreitete.

Von Paul Lohberger | 15.07.2019
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Wolfgang Hartl als "Kyselak" (c KYSA)
Das Wien Museum am Karlsplatz ist für die ältere und jüngere Geschichte der Stadt zuständig. Im Herbst wird es umgebaut und ist daher schon leergeräumt. Als Zwischennutzung bespielen Skater und Street-Artists das Haus. So gerät auch ein Wiener Pionier in den Fokus, der schon vor 200 Jahren seinen Schriftzug verbreitete: Kyselak. Der Grafik-Designer Wolfgang Hartl widmet diesem frühen Stylewriter und seiner abenteuerlichen Geschichte eine Graphic Novel. Am Samstag präsentierte er seine Pläne im Wien Museum.
Wolfgang Hartl: "Meine Idee vom Kyselak, ich seh‘ ihn ja nicht als historische Figur – es geht wirklich um den Spirit, den der Kyselak gehabt hat. Diese 'Attitude' gibt’s in dieser Street-Art-Ausstellung, im Takeover im Wien Museum. Wo Leute einfach losziehen und ihren Namen taggen, oder ihre Bilder groß malen – da steckt was dahinter, das ist aktuell. Seit 200 Jahren ist dieser Spirit da."
Vom Beamten zum Tagger
Wien in der Zeit nach den napoleonischen Kriegen und dem Wiener Kongress: Der Kaiser war wieder an der Macht. Aber im Bürgertum herrschte Aufbruchsstimmung. Forscherdrang und romantische Motive trieben vor allem junge Männer zu Wanderungen und Reisen. So machte sich auch der junge Beamte Joseph Kyselak aus Wien auf den Weg. Er war ein Kind seiner Zeit, doch eine Eigenheit verbindet ihn mit der urbanen Street-Art von heute.
Wolfgang Hartl: "Es gab ja schon vorher Leute, die ihren Namen irgendwo verewigt haben. Was beim ihm der Unterschied war, er ist gezielt losgezogen und hat mit Ölfarben und teilweise mit Stencils, wie Banksy, seinen Namen hingetaggt, also in einer Form, die wiedererkennbar ist. Also es war nicht nur Gekritzel, sondern seine Marke im ganzen Reich verbreitet."
Heute sagt man dazu Stylewriting. Wie eine Bildmarke findet sich der Name Kyselak an historischen Gebäuden in Österreich, aber auch in der Natur, wie auf Felsen in der Wachau. Angeblich war eine Wette der Grund für Kyselaks Treiben, das ihn als einen der ersten Weitwanderer und Alpinisten erscheinen lässt. Immerhin ging er von Graz bis Berchtesgaden, und weiter nach Innsbruck und Passau. Nach vier Jahren erschien 1829 sein Reisebericht als Buch.
Abmahnung vom Kaiser
Wolfgang Hartl: "Ich seh‘ diese Figur, diesen Wiener Hofbeamten, der da sitzt und seinen Job macht und Studienabbrecher ist und keine große Karriere hat – und auf der anderen Seite hat er diese Wildheit in sich, die zieht ihn hinaus und treibt ihn auf Berge und in Flüsse und vielleicht auch am Schluss in den Tod."
Sein Reisebericht und die Schriftzüge sorgten dafür, dass sich schon früh um den realen Kyselak zahlreiche Legenden bildeten. Einer zufolge ertrank er in der Donau, als er im oberösterreichischen Grein seinen Namen in einen Felsen gravierte. Eine andere Anekdote berichtet, dass Kyselak eine neue Brücke mit seinem Namen versehen hatte. Deswegen wurde er beim Kaiser vorgeladen.
Wolfgang Hartl: "Das war Franz I. – hat ihn abgemahnt, dass er das nicht mehr tun soll. Kyselak hat gesagt, ja, ist erledigt. Als er gegangen ist, hat der Kaiser auf seinem Schreibtisch Kyselaks Signatur vorgefunden – eine schöne Geschichte."
Auch wenn sie nicht stimmt, zeigt diese Geschichte die Bewunderung der Zeitgenossen. Erst Anfang 30 starb Kyselak im Jahr 1831. Die Realität erscheint ebenso skurril wie manche Legenden.
Romantisch und getrieben
Wolfgang Hartl: "Die richtige Geschichte seines Todes ist, dass er an der Cholera gestorben ist. Nach der Wette, dass er im ganzen Reich berühmt wird, hat er nicht gewettet, aber jeden Tag Zwetschen mitgebracht ins Büro und die gegessen während der Cholera Zeit, was nicht sehr ratsam war. Und innerhalb einer Woche war er tot. Er war schon ein getriebener Mensch, spannender Typ."
Durch und durch Romantiker, folgte Joseph Kyselak als starker Geist nur seinem Willen – ohne Rücksicht auf äußere Umstände. Er hatte eben style, könnte man sagen. Tatsächlich ging er auch standesgemäß mit Zylinder auf die Berge.
Dieses Bild verarbeitet Wolfgang Hartl, gemeinsam mit den seltsamen Fakten, die man von Kyselak weiß. Sein umtriebiger Geist soll in einer Graphic Novel weiterleben. Kyselak reist durch Zeit und Raum, als Phantom mit einem Zylinder als Kopf.
Wolfgang Hartl: "Auch in unserem Kinderbuch oder in der Erwachsenenversion hat er diesen Zylinder auf und ist so wie Banksy mit seinem Hoody, hat auch irgendwie dieses covering sozusagen, oder diese Verstecktheit. Und auf der anderen Seite aber auch sehr markant, mit seinem Hut und seinem Mantel."