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Streit in der AfD
Gauland rechnet nicht mit Spaltung

Auch nach dem Rücktritt von Olaf Henkel als Vizeparteichef der AfD geht der Streit in der Partei weiter. Die Fokussierung auf eine allein wirtschaftsliberale Politik reiche nicht aus, sagte der brandenburgische AfD-Chef Alexander Gauland im DLF. Zur Partei gehörten auch die angesprochenen Probleme, etwa bei der Flüchtlingspolitik.

Alexander Gauland im Gespräch mit Christoph Heinemann | 24.04.2015
    Das AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland während einer Pressekonferenz am 30.01.2015
    AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland (pa/dpa/Wagner)
    Der frühere BDI-Präsident Henkel war gestern aus Protest gegen den zunehmenden Einfluss rechter Kräfte in der Partei zurückgetreten. Gauland, der zum nationalkonservativen Flügel der Partei zählt, bedauerte den Schritt. Er habe die verbalen Auseinandersetzungen mit Henkel immer geschätzt, sagte er. Er sei nicht begeistert, wenn jemand aufgebe.
    Einen Übernahmeversuch von Rechtsideologen in der Partei bestritt Gauland. Im Bundesvorstand gebe es keine neurechten Mitglieder, und in den vergangenen Monaten habe es dort fast immer eine Mehrheit für den Kurs von Parteichef Lucke gegeben, sagte er. Gauland erklärte, man sei eine junge Partei. Ähnlich sei die Situation früher bei den Grünen oder Piraten gewesen. "Ich glaube in keiner Weise, dass wir uns spalten." Der Streit gehöre zur jungen Partei dazu.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Die sprichwörtlichen Kesselflicker sind wortkarg, mundfaul und einander wohlgesonnen, verglichen jedenfalls mit der Führungsebene der AfD. Im Frühjahrstheater der Alternativen hat der stellvertretende Parteivorsitzende Hans-Olaf Henkel gestern eine weitere belebende Szene geliefert. Hans-Olaf Henkel hat die Nase voll und tritt zurück, aus Protest gegen die "Rechtsideologen", und mit rechts meint er nicht juristische Verbohrtheit, sondern den gesäßgeografischen Rand. Abgeordneter des Europäischen Parlaments will Herr Henkel bleiben, in der Partei auch noch, die AfD habe er nicht aufgegeben, nur - und jetzt kommt's - drei Kollegen aus dem Parteivorstand. - Am Telefon ist jetzt ein Vorstandsmitglied: Alexander Gauland, der Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion in Brandenburg. Guten Morgen.
    Alexander Gauland: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Fühlen Sie sich angesprochen?
    Gauland: Eigentlich fühle ich mich nicht angesprochen, weil Herr Henkel keine Namen genannt hat und ich nicht weiß, was es im Bundesvorstand für neue rechte Mitglieder gibt, da es keine neuen gibt. Und ich fühle mich auch deswegen nicht angesprochen, weil, obwohl Herr Henkel selten im Bundesvorstand ist, Bernd Lucke in dem Bundesvorstand fast immer eine Mehrheit hat, ich also keinerlei Veränderungen in den letzten Wochen feststellen kann.
    "Das hat mit Rechtsideologie nichts zu tun"
    Heinemann: Sind Sie Rechtsideologe?
    Gauland: Natürlich nicht. Das ist ein Kampfbegriff, der benutzt wird. Der Unterschied ist vielleicht zwischen denen, die im Landtag sind, also den Brandenburgern, den Thüringern und den Sachsen, dass wir im Wahlkampf Themen aufgegriffen haben, die nicht ursprünglich zum Kernbereich der AfD gehörten, also Asyl-, Flüchtlingspolitik und so weiter. Das hat mit rechter Ideologie überhaupt nichts zu tun.
    Heinemann: Mit der Überschrift "Ausländer raus"?
    Gauland: Nein, natürlich nicht mit der Überschrift "Ausländer raus", sondern mit der Frage, wie wir mit einem Zustrom umgehen, der auf Dauer natürlich nicht so in der Weise verkraftbar ist. Wir müssen ja nur die täglichen Nachrichten von Gemeinden in Westdeutschland und Ostdeutschland uns angucken. Also müssen Lösungen her, und selbst die Kanzlerin sieht das heute genauso. Das ist ja nichts rechtsideologisch, wenn ich mich damit befasse.
    Heinemann: Daran ändern auch die täglichen Nachrichten aus dem Mittelmeer nichts?
    Gauland: Nein, die machen die Sache nur noch schwieriger. Da diese Menschen gerettet werden müssen, müssen wir auch damit umgehen auf Dauer, und das hat mit Rechtsideologie nun gar nichts zu tun.
    "Ich bedauere Henkels Rücktritt"
    Heinemann: Geht AfD auch ohne Henkel?
    Gauland: Ja natürlich! Sie geht ohne jeden von uns. Das ist völlig klar, weil wir Themen ansprechen, die den Menschen auf den Nägeln brennen. Da hängt es nicht an Personen. Aber ich bedauere es, dass er zurückgetreten ist. Ich gehöre nicht zu denen, die Menschen nachtreten.
    Heinemann: Sind Sie sicher?
    Gauland: Was heißt, sind Sie sicher?
    Heinemann: Dass Sie das bedauern.
    Gauland: Ja natürlich! Ich habe die Auseinandersetzungen, die verbalen, auch im Bundesvorstand, wenn Herr Henkel mal da war, immer geschätzt. Ich schätze eine freundschaftliche Auseinandersetzung und bin überhaupt nicht begeistert, wenn jemand aufgibt.
    Heinemann: Herr Henkel steht für eine wirtschaftsliberale AfD der bürgerlichen Mitte. Welche AfD wünschen Sie sich?
    Gauland: Natürlich gehört die wirtschaftsliberale AfD der bürgerlichen Mitte zu unserer Partei. Aber es gehören eben auch zu unserer Partei die von mir gerade angesprochenen Probleme. Und eine wirtschaftsliberale Politik ist richtig in manchen Gegenden, in Hamburg bestimmt besonders, aber es reicht nicht, und das sagen wir immer. Das bin ja nicht nur ich alleine. Und dass wir das aussprechen, wird von manchen aber in der Tat als Provokation aufgefasst.
    Heinemann: Das hieße dann eine nationalkonservative, wirtschaftsliberale bürgerliche Partei der Mitte. Ein bisschen viel Adjektiv, oder?
    Gauland: Da haben Sie völlig Recht. Aber wissen Sie, dieses Wort nationalkonservativ stammt aus der Weimarer Republik und passt überhaupt nicht. Ich weiß nicht, warum etwas nationalkonservativ sein soll, wenn ich sage, wir müssen die Menschen mitnehmen bei einer Flüchtlingspolitik. Das hat mit nationalkonservativ eigentlich überhaupt nichts zu tun.
    Heinemann: Sondern?
    Gauland: Das ist eine Politik, die das, was die Menschen bewegt, wirklich ausspricht. Schauen Sie, wir haben doch jahrelang eine Politik gehabt, in der bestimmte Dinge und Themen ausgespart werden, und wir sind gerade im Osten die Ersten gewesen, die diese Themen nicht mehr aussparen. Da können Sie bestimmte Stichworte nehmen, Pegida, da können Sie Asylpolitik nehmen. Die Frage, was für Lösungen dann herauskommen, das kann ich Ihnen im Moment auch nicht sagen. Aber dass überhaupt all diese Themen jetzt angesprochen werden, ist das Verdienst der AfD!
    Heinemann: Oder der Pegida, und für Herrn Lucke ist Pegida ganz klar igitt. Warum nicht für Sie?
    Gauland: Ich weiß nicht, ob für ihn Pegida igitt ist. Er hat sich schon sehr anders ausgedrückt am Anfang. Ich habe immer gesagt, wir müssen die Menschen, die da hingehen, die sind unsere Verbündeten, auf die müssen wir zugehen, die brauchen wir. Ich habe nie mit den Organisatoren von Pegida irgendeine Verbindung gehabt.
    Heinemann: Parteichef Lucke bittet jetzt die Basis um Zustimmung zu einem Mitgliederentscheid, war zu lesen, der eine klare Abgrenzung der Partei nach rechts anstrebt. Ist das ein guter Vorschlag?
    Gauland: Das ist insofern kein guter Vorschlag, als es diese Abgrenzung gibt. Wir haben unsere Leitlinien. Diesen Leitlinien sind wir alle verpflichtet. Ich kann nicht sehen, dass das verstärkt oder verändert werden soll, und wir haben im Juni einen Parteitag und da werden Menschen gewählt, die dann eine bestimmte Politik vertreten. Was eine weitere Beschäftigung mit Themen soll, verstehe ich im Moment nicht.
    "Streit gehört zu einer jungen Partei dazu"
    Heinemann: gehört eigentlich der ewige Streit zum Alternativangebot für Deutschland?
    Gauland: Ja, bis zu einem gewissen Grade natürlich. Wir sind eine junge Partei, wir sind eine Partei, wo sich auch viele Menschen sammeln, die das erste Mal in der Politik tätig sind, die Schwierigkeiten haben, Kompromisse einzugehen.
    Insofern ist das wie bei den frühen Grünen, oder vielleicht auch bei den Piraten. Ich glaube zwar nicht, in keiner Weise, dass wir uns spalten, aber der Streit gehört schon zu einer jungen Partei und einen Teil des Streites möchte ich übrigens auch nicht missen.
    Heinemann: Wann wird die AfD erwachsen?
    Gauland: Oh je, wann wird eine Partei erwachsen? Das kann ich Ihnen nicht sagen. Diese Voraussage möchte ich nicht treffen.
    Heinemann: Alexander Gauland, Vorstandsmitglied der Alternative für Deutschland. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Gauland: Okay! Danke, Herr Heinemann. Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.