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Streit in der AfD
"Rechtsextreme Parteimitglieder rauswerfen"

Er unterstützt den AfD-Vorsitzenden Lucke, will aber auch dessen Gegenspieler Gauland und Petry in der Partei halten: Der AfD-Europaabgeordnete Joachim Starbatty nimmt im AfD-Führungsstreit eine vermittelnde Position ein. Rechtsextreme hätten aber in der Partei nichts zu suchen, sagte Starbatty im DLF.

Joachim Starbatty im Gespräch mit Dirk Müller | 03.06.2015
    Der Europa-Abgeordnete der AfD Joachim Starbatty.
    Der Europa-Abgeordnete der AfD Joachim Starbatty. (imago/Mauersberger)
    Wer die AfD nach dem Vorbild des französischen "Front National" umbauen wolle, solle seine eigene Partei gründen, meinte Starbatty. Er betonte, die Rechtsextremen in der AfD seien eine Minderheit, die allerdings viel Lärm mache.
    Starbatty befürwortete das Vorhaben von AfD-Chef Bernd Lucke, sich zum alleinigen Parteivorsitzenden wählen zu lassen. Die AfD brauche klare Strukturen, die allerdings demokratisch legitimiert sein müssten.
    Zugleich sprach sich der Europa-Abgeordnete für den Verbleib der Lucke-Gegner Frauke Petry und Alexander Gauland in der AfD aus. Die Partei brauche neben dem wirtschaftsliberalen Flügel auch andere Strömungen. Mit Gauland etwa könne man reden. "Das ist kein Wirrkopf."
    Starbatty betonte, er habe nichts gegen eine auch nationalkonservative Ausrichtung der Partei. Das Problem sei aber, das manche Vertreter dieser Richtung glaubten, sie seien im Besitz der absoluten Wahrheit.
    Zum Machtkampf in der Partei sagte Starbatty, dieser habe weniger sachliche als persönliche Gründe. Es gebe einen manchmal brutalen Umgang miteinander vor allem über die sozialen Medien.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Es ist wohl eine Atempause für Bernd Lucke, die Entscheidung gestern bei der AfD, den geplanten Parteitag Ende kommender Woche in Kassel abzusagen, denn die meisten Beobachter waren davon ausgegangen, dass in Kassel die Rechten die politische Macht übernehmen würden. Der Kampf um Einfluss, um die Führung, um die Ausrichtung der AfD wird aber weiterhin mit harten Bandagen ausgetragen, die Wirtschaftsliberalen gegen die Nationalkonservativen und umgekehrt, also Bernd Lucke und Freunde gegen Frauke Petry und Freunde und umgekehrt. Eine AfD, die als junge Partei äußerst erfolgreich ist, sich aber jetzt immer mehr selbst beschädigt, selbst demontiert, selbst diskreditiert. Von Anfang an dabei als Ideengeber, als Impulsgeber, als Eurokritiker bei der AfD war und ist der Ökonom Joachim Starbatty, sitzt für die AfD im Europäischen Parlament. Guten Morgen.
    Joachim Starbatty: Guten Morgen nach Köln.
    Müller: Herr Starbatty, hätten Sie das jemals gedacht, dass Ihnen diese junge Partei so viel Ärger machen würde?
    Starbatty: Nein. Ihre Zustandsbeschreibung ist richtig und ich hätte es mir nicht vorstellen können. Ich bin ja an sich normalerweise jemand, der vorausgehende Sachen richtig analysieren kann, was Europa und Griechenland angeht. Das war mir schon klar. Aber dass wir bei so erfolgreichem Start jetzt dabei sind, uns auseinanderzureißen, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Es sind weniger sachliche Themen als persönliche Themen, die uns jetzt entzweien.
    "Die Partei AfD wird gebraucht"
    Müller: Waren Sie vielleicht - gestatten Sie mir die Formulierung - wie viele andere auch sehr naiv dahingehend zu erkennen, wohin die AfD driftet?
    Starbatty: Nein, ich bin nicht naiv. Man ist natürlich optimistisch, wenn man in eine Partei eintritt und sie aufbaut. Aber ich habe so viele Wahlkämpfe gemacht, über 150, und habe auch die Basis kennengelernt hin und her und gesehen, dass das ordentliche Leute sind, mit denen ich gerne zusammenarbeite, die ihren Sachverstand einbringen wollen, die ihr Engagement haben. Alles das war wirklich sehr positiv. Und was es jetzt ist, das ist eher ein Machtkampf innerhalb der AfD. Es ist nicht sozusagen das Abdriften in ein Lager, das wir nicht haben wollen. Da gibt es natürlich einige, die müssen wir isolieren, die müssen wir rauswerfen aus der Partei. Die Partei AfD wird gebraucht. Sie ist jung, sie hat die richtigen Themen, sie hat die richtigen Köpfe. In Griechenland wird uns etwas vorgespielt: Die demografische Bombe, die wir haben, dass nachher ein Erwerbstätiger zwei Nichterwerbstätige tragen muss, die Energiepolitik, alles ist aus dem Ruder geraten. Deswegen ist eine junge Partei wie die AfD mit Engagement und Sachverstand einfach nötig.
    Müller: Wenn Sie sagen, es ist nur ein Machtkampf und es gibt so einige wenige, die die Partei verlassen sollten, die müssen Sie rauswerfen - Sie sind ja da ganz klar -, haben viele Beobachter ja einen anderen Eindruck, wenn wir nach Thüringen schauen, wenn wir nach Hessen schauen, auch nach Nordrhein-Westfalen und Saarland. Viele Rechte, so wird ja zumindest analysiert, viele Spitzenfunktionäre, Spitzenfunktionäre innerhalb der AfD, die ganz enge Bande auch gehabt haben oder immer noch haben gegenüber der rechten Szene, gegenüber der rechtsextremen Szene, ist es tatsächlich so, wie Sie sagen, Herr Starbatty, dass das nur wenige sind?
    Starbatty: Ja, obwohl es hängt vom Blickpunkt natürlich ab. Es sind wenige, die herausgeworfen werden müssen, und die wenigen, die da sind, die machen viel Lärm, und dann meint man, das wäre sozusagen der Ton der Partei. Das ist nicht der Fall.
    "Der Umgangston in den Medien, in Facebook, der ist schon ziemlich brutal"
    Müller: Aber die sind ja an der Spitze dieser Landesverbände.
    Starbatty: Wen meinen Sie jetzt? Es gibt ja nur einen, den Sie meinen: Den aus Thüringen meinen Sie jetzt?
    Müller: Ja, zum Beispiel Björn Höcke in Thüringen. Wir haben aus Hessen dann die Nachrichten bekommen, dass dort Beisitzer des Vorstandes auch ganz nahe am "Front National" stehen.
    Starbatty: Aber der Albrecht Glaser, den ich persönlich kenne, der im Vorstand ist, das ist jemand, der lange Stadtkämmerer in Frankfurt gewesen ist, der seine Sache versteht. Das sind für mich die wichtigen Leute.
    Müller: Aber das andere ist schon vorhanden, nehmen Sie zur Kenntnis?
    Starbatty: Das ist vorhanden, deswegen ja auch der Weckruf von Bernd Lucke, dass er sagt, wir müssen aufpassen, dass jetzt nicht die guten Leute, die sich einsetzen, die mit Sachverstand herangehen, die mit Herzblut die Sachen machen, dass die weggedrängt werden, weggemobbt werden. Ich muss ganz ehrlich sagen, auch der Umgangston in den Medien, in Facebook, der ist schon ziemlich brutal.
    Müller: Untereinander meinen Sie?
    Starbatty: Auch untereinander, ja. Gerade untereinander, ja.
    "Ich habe nichts gegen Nationalkonservative"
    Müller: Was können Sie, was werden Sie tun gegen diese Störenfriede, wenn wir das so bezeichnen wollen, die Ihnen nicht passen, die Ihnen auch zu rechts sind, zu nationalkonservativ?
    Starbatty: Ich habe nichts gegen Nationalkonservative. Wer nicht sein Vaterland liebt, kann auch andere Vaterländer nicht lieben. Das ist kein Problem. Das Problem ist bei einigen Leuten, dass sie glauben, sie wären die Besitzer der Wahrheit und alle anderen, die nicht ihrer Meinung sind, die wären sozusagen außerhalb der Wahrheit. Nein, das geht nicht.
    Müller: Das heißt, diese Rechtsaußen-Strömung ...
    Starbatty: Das sind so Rechthaber, die sagen, alles das, was wir sagen, ist richtig und daran gibt es keinen Zweifel. Die gibt es natürlich in allen Parteien, aber sie sind in der AfD besonders stark vertreten und da muss man gegen angehen, Leute, die glauben, sie wären die Besitzer der Wahrheit. Dann sind alle anderen Ketzer und das geht natürlich nicht.
    Müller: Das ist dann wieder eine Frage der persönlichen Integrität oder auch der Kommunikationsbereitschaft, wenn ich Sie da richtig verstanden habe, was Ihnen nicht passt. Aber um da jetzt noch einmal nachzuhaken: Das heißt, diese nationalkonservative Strömung, die durchaus dann auch ihre Beziehungen zum ganz rechten Spektrum haben in Europa, in Deutschland, die gehören nach Ihrer Ansicht definitiv inhaltlich zur AfD?
    Starbatty: Nein. Wenn sie jetzt zum "Front National" tendieren, dann sollten sie austreten und eine eigene Partei machen.
    Müller: Gibt es da für Sie eine Grenze, wo Sie sagen, bis hierhin und nicht weiter?
    Starbatty: Ja natürlich gibt es das. Das ist ja völlig klar. Deswegen ja auch der Weckruf. Leute, die anständige Leute wegmobben wollen, die sich engagieren, die gehören nicht da rein, und die auch einfach uns in das ganz rechte Fahrwasser hineindrängen wollen, die gehören auch nicht da rein. Ich habe ja nichts gegen rechts. Wenn es links gibt muss es auch rechts geben. Das Entscheidende ist einfach nur, ob wir extremistische Positionen haben oder nicht, und extremistische Positionen gehören nicht in die AfD, gehören auch nicht in andere Parteien hinein.
    "Das ist ja kein Wirrkopf"
    Müller: Wir haben im Deutschlandfunk zu dem Thema, wie rechts ist die AfD, mit dem Politikwissenschaftler Jürgen Falter gesprochen. Wir hören mal rein:
    O-Ton Jürgen Falter: „Die werden die Geister nicht mehr los, die sie riefen, die Geister, die in die Partei geströmt haben, und eine der Hauptauseinandersetzungen zwischen Wirtschaftsliberalen, also Henkel und Lucke und Starbatty und anderen, und den Nationalkonservativen, Gauland, Petry und anderen, ist ja, wie man sich gegenüber dem rechten Rand verhält."
    Müller: Jürgen Falter bei uns im Deutschlandfunk. - Herr Starbatty, Sie sind ja auch angesprochen worden hier von Jürgen Falter. Haben Sie Geister gerufen, die Sie jetzt nicht mehr los werden?
    Starbatty: Ja gut, das kann ich jetzt nicht so feststellen. Es sind einige hineingekommen in die Partei, die gedacht haben, jetzt können wir uns hier ins gemachte Nest setzen und es steuern. Das ist natürlich eine Gefahr und da gebe ich auch Herrn Falter recht. Aber Gauland und Petry gehören nicht in das Lager. Das sind Köpfe, das kann man gar nicht anders sagen. Die Frau Petry war ja Unternehmerin, hat zwar Konkurs gemacht, aber wer nichts versucht, der bleibt immer Beamter. Wer selbstständig wird, der läuft auch das Risiko, mal zu scheitern. Das ist völlig klar. Und Gauland ist ein harter Knochen, aber das ist jemand, mit dem man reden kann und der weiß, was richtig und was falsch ist. Er war ja lange Staatssekretär bei der CDU in Hessen. Das ist ja kein Wirrkopf.
    Müller: Herr Gauland und Frau Petry, das sind definitiv feste Bestandteile, die Sie halten wollen, die Sie halten müssen?
    Starbatty: Ja, die gehören zur Partei natürlich dazu. Das ist ja klar. Wir haben ja Flügel. Eine Partei, die nur Wirtschaftsliberale hat, die ist nicht viel interessanter als eine Partei, die Gauland und Petry als Nationalkonservative dabei hat. Das ist völlig klar. Die müssen, die gehören dazu.
    Müller: Jetzt haben viele spekuliert, wie verhält sich Joachim Starbatty ganz konkret in dieser Führungsfrage. An Sie jetzt die konkrete Frage: Wollen Sie, dass Bernd Lucke alleiniger Parteichef wird?
    Starbatty: Dafür habe ich ja gestimmt. Jede dualistische Willensbildung führt zu Schwierigkeiten, wenn der eine das sagt und der andere das sagt. Es muss schon eine sehr klare Struktur da sein. Aber die muss natürlich demokratisch legitimiert werden.
    "3.000 ist kein überwältigender Erfolg, aber es ist auch kein Misserfolg"
    Müller: Bernd Lucke soll einziger Chef werden? Unterstützen Sie ihn nach wie vor?
    Starbatty: Ja natürlich. Ganz ohne Zweifel!
    Müller: Wenn das jetzt so weitergeht, wenn es keine Kompromisse gibt, wenn die verschiedenen Flügel nicht einlenken, gehen Sie davon aus, dass die AfD vor der Spaltung steht?
    Starbatty: Davon gehe ich nicht aus. Der Weckruf ist ja der Versuch, die konstruktiven Kräfte innerhalb der AfD zu bündeln und ihnen Ausdruck zu verleihen. Und Bernd Lucke hat immer wieder gesagt, dass er an einen Austritt in keiner Weise denkt.
    Müller: Wir haben jetzt die Zahlen gefunden: 3.000 Unterschriften ungefähr für den Weckruf von 12.000 Mitgliedern. Ist das nicht ein bisschen wenig für Ihren Optimismus?
    Starbatty: Der Weckruf selber war ja nicht unumstritten, weil man sagte, da wird vielleicht eine Partei in der Partei aufgebaut, und dass sich einige da zurückhalten, das ist klar. Und viele setzen auch nicht gerne ihre Unterschrift unter einen Text. 3.000 ist kein überwältigender Erfolg, aber es ist auch kein Misserfolg.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der AfD-Europaabgeordnete Joachim Starbatty. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.
    Starbatty: Bitte sehr. Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.