Streit mit AstraZenecaEs ist verständlich, dass die EU verlässliche Zusagen haben will
Die EU streitet öffentlich mit Impfstoff-Herstellern wie AstraZeneca. Big Pharma muss sich zu mehr Kommunikation und mehr Transparenz herablassen, wenn Zusagen nicht eingehalten werden, meint Birgid Becker.
Hören Sie unsere Beiträge in der Dlf Audiothek- AstraZeneca-Hauptgebäude in Belgien (picture alliance/dpa/BELGA | Nicolas Maeterlinck)
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Ein zügiges, wirksames Impfprogramm – das ist im Moment das entscheidende Werkzeug, um aus dem Klammergriff der Pandemie herauszukommen. Kein Wunder also, dass die Nerven blank liegen, wenn es genau an der Stelle hakt. Und, leider, im Moment hakt es spürbar. Da war es erst der Biontech-Partner Pfizer, der Lieferzusagen senkte. Heute nun gibt Merk, der US-Konzern, bekannt, aus der Impfstoffentwicklung auszusteigen. Die zwei Impfstoff-Kandidaten des Konzerns haben sich als Flop erwiesen.
(imago / Future Image)Biontech/Pfizer, Moderna und Co. - Corona-Impfstoffe in der Übersicht
Die EU-Behörde EMA hat bisher zwei Impfstoffe zugelassen – von Biontech/Pfizer und Moderna. Welche Impfstoff-Kandidaten sonst noch im Rennen sind und wie sie wirken – ein Überblick.
Für die größte Enttäuschung, ja Empörung sorgt aber der schwedisch-britische Konzern AstraZeneca. Der schloss mit der EU einen Vertrag über bis zu 400 Millionen Impfdosen ab. Nun aber erklärte der Konzern, dass er deutlich weniger Impfstoff liefern wird. EU-Vertretern zufolge soll die Liefermenge im ersten Jahresquartal um mehr als Hälfte unter dem liegen, was geplant war, während aber, wieder angeblich, Großbritannien unbeeinträchtigt weiter beliefert wird.
Was läuft schief beim größten Hoffnungsträger in der Pandemie, bei den Impfstoff-Lieferanten? Hat dann doch Big Pharma einfach den schlechten Ruf verdient, den es vor der Pandemie hatte?
So einfach wird die Antwort nicht sein. Die Probleme bei Pfizers Standbein in Puurs und wohl auch AstraZenecas Partner Novasept in Belgien – beide sind Beispiele dafür, dass das Nadelöhr Produktion beim großen COVID-Impf-Projekt deutlich unterschätzt wurde. So verlässlich, wie man vielleicht Autos vom Band laufen lässt, wird das aber bei der Impfstoff-Produktion nicht funktionieren. Zumindest nicht in der Startphase.
(Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
Mit der Faust auf den Tisch hauen?
Trotzdem ist es verständlich, dass die EU von den Firmen, die sie bezahlt, mit denen sie Verträge hat, denen sie Investitionen erleichtert und Risiken abnimmt, verlässliche Zusagen haben will. Dass sie auf zugesagten Lieferungen besteht, schlimmstenfalls mit Verzögerung. Es hilft aber sicher nicht, wenn man glaubt, mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen, löse das Problem - so, brüstete sich ja EU-Ratspräsident Michel, habe er Pfizer auf Trab gebracht.
Oder, wenn man, wie heute, mit der Bürokratie-Keule droht und am Horizont Exportbeschränkungen aufscheinen lässt. Bislang war das Projekt COVID-Impfstoff getragen von einer großen Allianz aus innovativen Start-ups, Unis, Großkonzernen, Mittelständlern über Ländergrenzen hinweg. Das zu blockieren, wäre schädlich. Politik und Pharma im Misstrauensmodus – das wird das große Impfprojekt mit Sicherheit nicht voranbringen.
Allerdings: Zu etwas mehr an Erklärung, etwas mehr an Kommunikation, zu etwas mehr Transparenz darf sich Big Pharma schon herablassen, wenn Zusagen nicht eingehalten werden. Was jetzt von dort kommt, sei es Pfizer, sei es AstraZeneca – das reicht nicht.