Donnerstag, 28. März 2024

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Streit um Autonomen-Kneipe
In der Rigaer Straße brodelt es weiter

Der Dauerstreit um die Berliner "Kadterschmiede", die vom Verfassungsschutz als Linksradikalentreff eingeordnet wird, geht in die nächste Runde. Die Betreiber nutzen die Räume seit Ende 2013 ohne Mietvertrag. Beim der jüngsten Gerichtsverhandlung kam es zu einem Zwischenerfolg für die Linksautonomen.

Von Manfred Götzke | 14.05.2018
    Polizisten vor einem Haus mit Graffiti
    Die Rigaer Straße 94 (imago / Christian Mang)
    Mit sieben Mannschaftswagen ist die Berliner Polizei zum Landgericht in Charlottenburg angerückt. Vor das Hauptportal haben sie - zur Sicherheit mobile Barrikaden gestellt, noch sind die eingeklappt. Vor dem Einlass strengste Sicherheitskontrollen.
    "Wir sind sehr gut aufgestellt "
    Denn was hier heute im großen Saal 100 verhandelt wird, ist kein ganz gewöhnliches Räumungsverfahren. Es geht um die Räumung der Kneipe "Kadterschmiede" in der Rigaer Str. 94. Ein Haus, das für die autonome Szene in ganz Deutschland Symbolcharakter hat. Für den Berliner Verfassungsschutz Ausgangspunkt für Krawalle und Rückzugsort für die Täter. Viele juristische und polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Gebäude führten zu gewalttätigen Reaktionen - inklusive Angriffen auf Polizeibeamte und brennende Fahrzeuge.
    Vor der Verhandlung heute bleibt alles ruhig, nach und nach finden sich ein paar Bewohner und Unterstützer des Hauses ein. Reden will keiner von Ihnen. Nur ihr Anwalt Lukas Theune nimmt Stellung.
    "Also heute wird es nicht zu einer Räumung kommen, es kann maximal zu einem Urteil kommen, da stehen uns Rechtsmittel offen – sollten wir überhaupt verlieren"
    Versäumnisurteil gegen die Besitzer
    Eigentümerin des Gebäudes ist die britische Firma Lafone Investment Limited. Das Unternehmen bemüht sich seit Jahren um einen Räumungstitel. Scheiterte damit aber schon zweimal, im letzten Jahr endete der Prozess mit einem Versäumnisurteil gegen die Firma. Denn deren Anwalt konnte keine gültige Vollmacht vorweisen. Auch heute geht es erstmal darum, ob der angebliche Chef der Firma nachweisen kann, dass er der Chef ist.
    "Das Konstrukt, das die anonymen Eigentümer gewählt haben, ist das einer Briefkastenfirma mit einem Startkapital von einem Pfund. Die zahlen keine Steuern, die Zahlen weder Gerichtskosten noch meine Anwaltskosten, auf denen bin ich auch sitzen geblieben. Die haben anonyme Strohmänner, die auch heute wieder im Gericht nicht auftauchen werden. Trotzdem denken sie, sie können den Rechtsstaat in Anspruch nehmen, obwohl sie nichts zahlen."
    Um kurz vor neun sitzen etwa 20 Automonome im Gerichtssaal. Noch mal so viele Journalisten – und die grüne Bundestagsabgeordnete Canan Bayram, die in den vergangen Monaten immer wieder versucht hat, in dem Konflikt zu vermitteln. Noch während Richter Martin Hülsböhmer das Verfahren eröffnet, huscht der Anwalt der Firma in den Saal, zieht sich dabei noch schnell seine Robe über. Er habe zwei Vollmachten vorgelegt, eine von einem englischen Notar unterzeichnet. Doch der Richter deutet schon an, dass ihm das nicht reichen wird. In der Pause erklärt Gerichtssprecherin Annette Gabriel das Problem:
    "Die Klägerin hat jetzt eine Bescheinigung eingereicht eines englischen Notars, dass er Einsicht genommen habe in die Gesellschaftsunterlagen, allerdings hat er nicht gesagt, in welche Unterlagen. Aber es kommt darauf an, dass das Gericht prüfen kann, welche Unterlagen er sich angeschaut hat."
    Punkt 9:40 dann das Urteil. Nur zwei kurze Sätze. Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 20.02 2017 wird als unzulässig zurückgewiesen. Urteilsbegründung folgt. Der Anwalt der Firma verschwindet sofort, er bleibt so wenig greifbar wie das Unternehmen, dass er vertritt.
    Keine nachgewiesene Eigentümerposition
    Unter zaghaften Bravo-Rufen verlassen auch die Autonomen den Saal. Sie können ihre Kneipe erstmal weiter betreiben. Gelöst ist das Problem damit allerdings nicht, sagt die Abgeordnete Canan Bayram.
    "Wenn hier noch nicht mal die Eigentümerposition nachgewiesen ist, wenn die Mieterinnen keinen erreichen, wenn ich denen schreibe und sich meldet keiner, dann sehe ich keinen Einigungswillen seitens der Eigentümerin, von der ich noch immer der Ansicht bin, dass es sich um Eigentumsverschleierung handelt."
    Dass die Firma wieder keinen Vertreter zum Verfahren geschickt hat und die nötigen Unterlagen nicht vorlegen konnte – dafür hat sie nur eine Erklärung:
    "Das könne Organisierte Kriminalität sein, dass man sich eben nicht erwischen lassen will beim Geldwaschen. Für mich ist das eine Pervertierung des Eigentumsbegriffs. Erscheint noch nicht mal vor Gericht – und man fragt sich, wer wird hier eigentlich geschützt. "
    Seit Monaten wird in Berlin darüber diskutiert, ob der Senat die Rigaer 94 aufkaufen könnte um den Konflikt zu befrieden. Nur: von wem?
    "Enteignen wär vielleicht ne Maßnahme"
    Draußen vor dem Gerichtssaal stehen die Autonomen und deren Anwalt friedlich neben den Polizisten. Nach ein paar Minuten schnappen sie sich ihre Fahrräder machen sich auf den Heimweg, zurück in die Rigaer. Feiern werden man Urteil nicht, sagt einer von ihnen im Weggehen. Die Sache sei noch nicht ausgestanden.
    "Es hat jetzt nicht aufgehört um die Schmiede – die werden uns auch weiter nerven."