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Streit um BAföG-Millionen
"Dann schaut die Bildung insgesamt in die Röhre"

Der Bund will ab 2015 die Kosten für die Ausbildungsförderung BAföG komplett übernehmen. In Niedersachsen ist nun ein Streit entbrannt, wofür die eingesparten Mittel genutzt werden sollen. Einige befürchten, dass die Bereitschaft des Bundes zu weiteren Bildungspakten schwindet.

Von Alexander Budde | 15.07.2014
    Formular für den Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
    Das BAföG übernimmt bald der Bund. Die Länder haben dadurch mehr Geld und überlegen, wie es eingesetzt werden soll. (dpa/picture alliance/Jan-Peter Kasper)
    Jörg Hillmer geißelt das Vorhaben der rot-grünen Landesregierung als einen Akt der Willkür, der das Vertrauen aller Beteiligten untergraben könnte. Denn die Verabredung zwischen Bund und Ländern über die Verwendung der eingesparten BAföG-Millionen sei glasklar, sagt der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag.
    "Das ist insofern ein Präzedenzfall als natürlich die Länder - Niedersachsen ganz voran - mit einer gewissen Berechtigung dem Bund gegenübergetreten sind, er soll sich mehr in der Bildung, mehr in der Wissenschaft engagieren. In dem Moment, wo er das tut, ist Niedersachsen dann das einzige Land, was diese Mittel zweckentfremdet."
    Die rot-grüne Landesregierung will die eingesparten BAföG-Mittel nicht wie vorgesehen in Schulen und Hochschulen, sondern stattdessen überwiegend in die Personalkosten für die so genannte "dritte Kraft" in Kinderkrippen investieren.
    Die Neigung der Berliner Koalitionäre, sich in weiteren Bildungspakten zu engagieren, könnte das spürbar dämpfen, fürchtet auch Jürgen Hesslebach. Er ist der Vorsitzende der Landeshochschulkonferenz (LHK) in Niedersachsen.
    "Erstens mal könnten andere Länder, die ja auch klamm sind, was ihre Haushalte angehen, diese Geldmittel zur Haushaltssanierung einsetzen - und dann schaut die Bildung insgesamt in die Röhre! Und das andere ist, was ich befürchte, dass wenn weitere Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden, dass man dann auch in Zukunft sagen kann: 'Nö, die verwenden wir anders'."
    Die so gescholtene Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic von den Grünen verteidigt das Vorhaben. Den Hochschulen würde nichts weggenommen, denn sie hätten noch nie über die BAföG-Mittel verfügt. Diese würden nämlich direkt an die Studierenden ausgezahlt. Auch von der einer Zweckentfremdung der Mittel könne keine Rede sein, wehrt sich Heinen-Kljajic.
    "Weil über all unseren Bildungsanstrengungen eine große Botschaft steht und die heißt faire Bildungschancen für alle Kinder und Jugendliche. Und Bildungschancen starten nun einmal im vorschulischen Bereich, nämlich in der Kita. Ich hatte geglaubt, dass die Zeiten, in denen Kitas als reine Verwahranstalten fahren, vorbei seien."
    Hochschulen bis 2018 von Kürzungen ausgenommen
    Die im Haushalt geplanten Mehrausgaben für alle Bildungsbereiche würden die Entlastung durch die Übernahme der BAföG-Kosten deutlich übersteigen, betont Heinen-Kljajic. Von der rot-grünen Bildungsoffensive würden insbesondere die Hochschulen profitieren. Auf immerhin mehr als zwei Milliarden Euro, acht Prozent mehr als im Vorjahr, belaufe sich das Landesbudget, rechnet die Ministerin vor. Um 120 Millionen Euro stocke Rot-Grün alljährlich auf, um damit die entgangenen Mittel durch den Wegfall der Studiengebühren auszugleichen.
    "Wir haben einen Hochschulentwicklungsvertrag abgeschlossen, mit dem die Hochschulen bis 2018 von allen Kürzungsrunden ausgenommen sein werden. Das hat, glaube ich, kein einziges Bundesland geschafft."
    "Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt da im Moment der Glaube", dämpft Hesselbach die Erwartungen. Planungssicherheit auf geringstem Niveau. Der LHK-Vorsitzende warnt vor den absehbaren Folgen der chronischen Unterfinanzierung am Wissenschaftsstandort Niedersachsen:
    "Wir haben steigende Energiekosten, wir müssen Sanierungsmaßnahmen gegenfinanzieren. Und das heißt: Wir müssen Personalstellen einsparen - und das geht zu Lasten von Lehre und Forschung."
    Von einem gigantischen Sanierungsstau, spricht auch Heinen-Kljajic. Die unhaltbaren Zustände an baufälligen Gebäuden sieht die Ministerin als ein weiteres Argument, warum das sogenannte Kooperationsverbot von Bund und Ländern dringend fallen muss.
    "Ich glaube, dass wir im Bereich Hochschulbau in Zukunft tatsächlich ein stärkeres Engagement des Bundes brauchen, weil sich hier inzwischen Summen aufgebaut haben, die wir mit unseren Länderhaushalten nicht nur in Niedersachsen einfach nicht werden stemmen können."