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Streit um christliche Feiertage

80 Prozent der Bevölkerung Südafrikas gehört den christlichen Kirchen an. Zwei ihrer Festtage, Weihnachten und Karfreitag, sind gesetzliche Feiertage. Religiöse Minderheiten wie Muslime und Hindus fühlen sich dadurch benachteiligt. Sie wollen auch ihre religiösen Feste im Kalender verankert sehen.

Von Leonie March | 04.12.2012
    Durban, Grey Street, mitten in der Innenstadt der Hafenmetropole. In kaum einer anderen Straße ist die religiöse Vielfalt Südafrikas so spürbar. Männer im Kaftan eilen zum Gebet in die Moschee. Unmittelbar hinter dem muslimischen Gotteshaus ragt der Kirchturm der katholischen Kathedrale in den Himmel, ebenso wie die kunstvoll verzierten Türme eines hinduistischen Tempels und die Kuppel einer Synagoge. Auf den Bürgersteigen verkaufen traditionelle Heiler Kräutermischungen an alle, die der Macht der Ahnen vertrauen.

    Fast 80 Prozent der Südafrikaner bekennen sich zum Christentum, die beiden größten religiösen Minderheiten sind Muslime und Hindus. Religionsfreiheit sei eine der tragenden Säulen der jungen Demokratie in Südafrika, betont die Religionswissenschaftlerin Dale Wallace.

    "Unsere Verfassung garantiert Religionsfreiheit, also auch das Feiern religiöser Feste. Unter den gesetzlichen Feiertagen finden sich jedoch nur zwei, nämlich Weihnachten und Karfreitag, beides christliche Festtage. Dazu kommt Ostermontag, auch wenn er in einen sogenannten 'Tag der Familie' umbenannt wurde. Es gibt Anhänger anderer Religionen, die diese Einseitigkeit zu Gunsten des Christentums als Diskriminierung beanstanden."

    Zu diesen Gruppen gehören auch die südafrikanischen Hindus. Mit etwa 1,3 Prozent Bevölkerungsanteil sind sie die drittgrößte Religionsgemeinschaft des Landes. Die Anerkennung ihres wichtigsten religiösen Festes, Diwali, als Feiertag sei längst überfällig, kritisiert Ashwin Trikamjee, Präsident der hinduistischen Dach-Organisation "Maha Sabha".

    "Unsere Mitglieder werden jedes Jahr aufs neue diskriminiert. Ständig erkläre ich Arbeitgebern, dass Diwali für Hindus ebenso wichtig ist wie Weihnachten für Christen, und dass sie daher selbstverständlich freibekommen sollten. Doch die meisten müssen dafür einen Urlaubstag beantragen. Sie werden also für ihren Glauben bestraft. Wir fordern, dass die gesetzlichen Feiertage gleichberechtigt auf die größten Religionsgemeinschaften verteilt werden. Für die Christen könnte man Weihnachten beibehalten, aber Karfreitag und Ostermontag sollten zu Gunsten von Diwali und zu Gunsten des Fastenbrechens der Muslime gestrichen werden."

    Teile der muslimischen Gemeinde, der rund 1,5 Prozent der Südafrikaner angehören, unterstützen diese Forderung. Andere Muslime sehen keinen Anlass, die gegenwärtige Regelung zu verändern. So wie Mullah Rafiek Mohamed, Generalsekretär der "Jamiatul Ulama", des Rats islamischer Theologen in der Provinz Kwazulu Natal.

    "Ich denke, man sollte sich um eine ausgewogene Haltung bemühen, um die gute und harmonische Beziehung der Religionen in Südafrika zu bewahren. Da wir Muslime nur eine Minderheit sind, fände ich es nicht angemessen einen gesetzlichen Feiertag zu beanspruchen. Es reicht, wenn wir unsere religiösen Feste problemlos feiern können. Die meisten unserer Landsleute haben Verständnis für unsere Fasten- oder Gebetszeiten. In Einzelfällen haben wir zwar mit Vorurteilen zu kämpfen, aber generell ist das kein großes Problem."

    Konflikte zwischen Anhängern unterschiedlicher Religionen und Konfessionen sind tatsächlich selten. Ein Gegensatz zu den nahezu alltäglichen Anfeindungen zwischen schwarzen und weißen Südafrikanern. Die Wurzeln liegen in der gemeinsamen Geschichte, meint Mullah Rafiek Mohamed.

    "In der Zeit des Freiheitskampfes gegen das Apartheid-Regime haben die meisten religiösen Gruppen zusammen gegen die Unterdrückung gearbeitet. Damals hat sich der Geist der friedlichen Koexistenz entwickelt. Eine Toleranz und Harmonie, die bis heute weitgehend vorherrscht."

    Eine Tatsache, die auch der Präsident des Hindu-Verbandes, Ashwin Trikamjee, nicht bestreitet. Trotz seiner Lobbyarbeit gegen die christlichen Feiertage. Während der Apartheid war er selbst ein politischer Aktivist. Nach der demokratischen Wende vor rund 18 Jahren folgte er einem Aufruf Nelson Mandelas.

    "Als er Präsident wurde, hat er uns eingeladen. Vertreter aller Religionen. Er wollte nicht nur mit der christlichen Mehrheit, sondern mit allen zusammenarbeiten, um eine neue, tolerante Gesellschaft zu formen. Seitdem treffen wir uns zweimal im Jahr, um über Themen wie die Armutsbekämpfung zu diskutieren. Das hat uns einander näher gebracht und deshalb kommt es auch nie vor, dass sich religiöse Oberhäupter öffentlich angreifen."

    Auf nationaler Ebene ist die friedliche Kooperation der Religionen mittlerweile fest verankert. Im Alltag, in den Gemeinden und in der Nachbarschaft, die zunehmend multikulturell geprägt ist, gibt es allerdings kleinere Konflikte. Zum Beispiel, wenn in ehemals von weißen Christen bewohnten Vororten eine Moschee gebaut werden soll, oder wenn Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen dort ein rituelles Tieropfer bringen. Es mangele an Wissen über den Hintergrund religiöser Praktiken, erklärt Religionswissenschaftlerin Dale Wallace, es gebe Berührungsängste und Vorurteile.

    "Es liegt in der Natur von Religionen, dass man sich durch seinen Glauben identifiziert und von anderen abgrenzt. Diese Unterschiede sind nicht wegzudiskutieren. Trotzdem ist der Versuch, alle Glaubensrichtungen anzuerkennen, in Südafrika ernst gemeint. Unklar ist jedoch, wie das praktisch umgesetzt werden soll. Hieße das auch, dass alle religiösen Festtage zu gesetzlichen Feiertagen werden' Unsere Gesellschaft setzt sich zunehmend damit auseinander, was religiöse Vielfalt im Alltag wirklich bedeutet."