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Streit um das älteste Leben

Paläontologie. - Ein seltenes Schauspiel bietet "Nature" in der aktuellen Ausgabe. In zwei direkt nebeneinander veröffentlichten Aufsätzen streiten sich Paläontologen über die ältesten Fossilien der Welt. Fast 3,5 Milliarden Jahre alt sind die Spuren im australischen Gestein, die die einen als Fossilien von Cyanobakterien und die anderen als Produkte von geochemischen Prozessen bezeichnen. Der Streit ist bezeichnend für eine Wissenschaft, die auf der Suche nach immer früheren Fossilien mit immer mehr Hightech immer winzigere Spuren interpretiert.

07.03.2002
    Vor 13 Jahren hatte der US-Paläontologe Bill Schopf von der Universität von Kalifornien in Los Angeles seine Entdeckung aus der westaustralischen Warrawoona-Gruppe zum ersten Mal vorgestellt. Winzige, fadenförmige Spuren in 3,465 Milliarden Jahre alten Mineralkörnern sollten die ältesten fossilen Lebewesen sein. Insgesamt 11 unterschiedliche Arten von Cyanobakterien, den urtümlichen Erfindern der Photosynthese, glaubte der Paläontologe identifizieren zu können. Sofort meldeten sich Zweifler, die ihre Bedenken seitdem immer wieder vorgetragen haben. Doch Schopf blieb bei seiner Meinung, und der Widerspruch aus der Fachwelt blieb verhalten.

    Doch in der aktuellen Ausgabe von "Nature" nimmt eine Gruppe von Gegnern ausführlich Stellung zu den Thesen des Kaliforniers. Sie bestätigen zwar sein zentrales Ergebnis, dass das Verhältnis zwischen dem leichten Kohlenstoff-Isotop C-12 und dem schwereren und seltenen C-13 charakteristisch verschoben ist. Doch den Schluss des Paläontologen, dass es sich daher um Spuren von Lebewesen handelt, bestreitet die Gruppe. Zwar ist eine solche Verschiebung typisch für biologische Prozesse, doch sie wird nicht nur durch Lebewesen hervorgerufen. Auch geochemische Vorgänge, etwa eine sehr heiße Mineralquelle kann dazu führen. Eine genaue Kartierung der Fundstätte ergab, dass das Gestein der Stelle, an der Stelle, an der Schopf seine Fossilien gefunden hatte, durch eine 250 bis 350 Grad heiße Quelle verändert worden ist. Unter solchen Bedingungen ist Leben allerdings nicht vorstellbar. Damit werden die Funde des Kaliforniers in schwere Zweifel gezogen. Wie das Kräftemessen endgültig ausgeht, ist noch offen, doch der Schlagabtausch wirft ein Licht auf den immer höheren Laboreinsatz in der Paläontologie. Je stärker die Rolle der Analytik in der Paläontologie wird, um so wichtiger wird die exakte Kartierung der Fundstätten. Diese ist notwendig, um die Laborergebnisse korrekt interpretieren zu können.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]