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Streit um den Klimakrieg

Klima. - Wenige Wochen vor dem Kopenhagener Klimagipfel diskutierten in Hamburg Forscher über gewaltsame Konflikte um Nahrung und Wasser - oder schlichtweg um Land zum Leben. Sie drohen als heftigste Konsequenz des Klimawandels.

Von Björn Schwentker | 20.11.2009
    "Wir müssen zwei Grad als politisches Ziel immer weiter im Auge behalten, uns aber wissenschaftlich vorbereiten auf eine Erderwärmung, die vielleicht drei Grad oder vier Grad ist."

    Frank Biermann, Politologe von der Freien Universität Amsterdam, glaubt, dass der ungebremste Klimawandel die Politik zum Handeln zwingt. Nicht nur, um eine weitere Erderwärmung zu verhindern, sondern auch, um sich ihr schon jetzt anzupassen. Denn einige Regionen könnten zu gefährlichen Krisengebieten werden:

    "Was häufig zitiert wird ist eine Verknappung von Wasserressourcen in Afrika, Asien, die möglicherweise Dürren verstärken und die dann Konflikte innerhalb dieser Staaten, auch Konflikte zwischen Staaten hervorrufen kann."

    An den Klimabrennpunkten der Welt, so fürchten viele Wissenschaftler, könne es zum Kampf kommen um knappes Wasser, fruchtbaren Boden oder einfach nur um Land zum Leben, wenn das Meer die Küstenregionen überschwemmt. Mehrere Hundert Millionen Klimaflüchtlinge könnte es in den nächsten Jahrzehnten geben, glauben manche Forscher – und damit jede Menge Konfliktpotenzial. Das hat längst die Politik alarmiert, die vorbeugen will. Auch das Militär steht bereit, sagt Heinz Dieter Jopp, ehemals Ausbilder für Sicherheitspolitik an der Führungsakademie der Bundeswehr.

    "Militärs haben offensichtlich nicht nur in den USA und Großbritannien, sondern zunehmend auch in Deutschland angefangen, über Veränderung nachzudenken, wie sie, und wenn ja in welcher Form dort gebraucht werden. Man muss ja erst einmal sichere Verhältnisse herstellen, damit man überhaupt aufbauen kann. Das ist die Situation, wie man sie jetzt ja in Afghanistan hat. Und da muss man sich eben fragen, wie macht man das am geschicktesten?"

    Die Bundesregierung, die Europäische Kommission und sogar der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beraten bereits, wie mit gewaltsamen Klimakonflikten umzugehen ist – zur Not militärisch. So manchem Forscher geht das viel zu schnell und viel zu weit. Zum Beispiel Ole Magnus Theisen von der Norwegischen Universität in Oslo.

    "Momentan wissen wir über die Verbindung von Klimawandel und Gewaltausbrüchen noch kaum etwas. Wir wissen aber, dass der Zusammenhang nicht stark ist. Unter den existierenden Studien gibt es kaum belastbare Belege für eine solche Verbindung. Vielmehr stellt sich heraus, dass politische und wirtschaftliche Faktoren viel wichtiger sind."

    Für die Politik ist dagegen schon beschlossene Sache, dass die Erderwärmung Konflikte mit sich bringt. Das sei durch Fallstudien belegt, sagt Alexander Carius, Direktor des Politikberatungsinstituts Adelphi Research.

    "Diese Studien, die gibt es schon, die sind verfügbar, natürlich nicht für jede Region der Welt, aber ich glaube, das Wissen, das wir zur Verfügung haben, hält nicht unbedingt Stand vielleicht strengen Kriterien von Theorie und methodengestützter Forschung. Aber es reicht allemal, um tatsächlich wissensbasiert auch politische Entscheidungen in die richtige Richtung zu lenken."

    Genau das sei ein gefährlicher Trugschluss, findet Ole Magnus Theisen aus Oslo.

    "If you try to combat something which you really don’t understand you can have unforeseen negative consequences."

    Wenn die Politik beginne, etwas zu bekämpfen, was sie noch gar nicht verstehe, könne das unkalkulierbare negative Folgen haben. Wie gefährlich das sei, zeige der Bürgerkrieg in Darfur. Die Kämpfe schwarzafrikanischer Stämme mit der sudanesischen Regierung gelten vielen als Umweltkrieg, weil Wüstenbildung die Bauern zwang, ihre alte Heimat zu verlassen. Theisen:

    "Das Schlimme am Darfur-Konflikt war, dass die sudanesische Regierung sagen konnte: 'Hey, wir sind unschuldig, das hier ist ein Stammeskonflikt über knappe Ressourcen, es ist nur Klimawandel.' So etwas macht mir Angst. Sie schieben es auf die Natur – statt auf die Politik."

    Ole Magnus Theisen hält den Darfur-Konflikt dagegen für einen "normalen" Krieg, geführt mit brutalen Mitteln, in dem Ressourcenmangel nur eine kleine Rolle spielt. Gewalt, glaubt der Politologe, beruhe vor allem auf Armuts- und Gerechtigkeitsproblemen. Die müsse die Welt politisch lösen - unabhängig vom Klimawandel.