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Streit um die künftige EU-Agrarpolitik

Auf dem Deutschen Bauerntag trommeln aktuell die Landwirte in Richtung EU. Und auch die Umweltschützer nutzen den Anlass und positionieren sich. Noch immer stehen sich die beiden Interessengruppen nahezu unversöhnlich gegenüber.

Von Dieter Nürnberger | 01.07.2010
    Auf jeden Fall spitzt sich die Kontroverse über eine nachhaltige und auch aus entwicklungspolitischer Sicht faire Agrarpolitik zu. Heute beginnt in Berlin der Deutsche Bauerntag, erwartet wird hier auch der EU-Agrarkommissar Ciolos – und dies nutzten heute auch Umwelt- und Entwicklungsgruppen, um für eine veränderte EU-Agrarpolitik sozusagen zu trommeln. In sämtlichen ökologischen Belangen wirft man der Brüsseler Politik vor, versagt zu haben. Eine intensive Landwirtschaft schade der Biodiversität, also der Artenvielfalt, und trage zudem weiterhin zu hohen CO2-Emissionen bei. Das ist der Haupttenor der Kritik und der Deutschen Bauernverband weist dies natürlich erwartungsgemäß zurück. Sicherlich verursache die Landwirtschaft Treibhausgas-Emissionen, doch werde auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet, sagt Helmut Born, der Generalsekretär des DBV.

    "Nun gehören wir aber zu einem Wirtschaftszweig, der seit 1990 etwa 18 Prozent der Emissionen reduziert hat. Die Land- und Forstwirtschaft ist der einzige Wirtschaftsbereich, der in seiner Produktion gleichzeitig aber auch CO2 bindet. Wir haben also nicht nur Emissionen, sondern wir haben auch Reduktionen. Dies nutzen wir auch ganz gezielt, in dem wir Pflanzen als Ersatz für fossile Energieträger einsetzen. Dann drosseln wir dort die CO2-Emissionen – sodass die Bilanz der Land- und Forstwirtschaft insgesamt sogar positiv ist."

    Eine solche Argumentation wollen die Umweltgruppen nicht gelten lassen. Die bereits erzielten Emissionsrückgänge seien vor allem darauf zurückzuführen, dass die alte, sehr energieintensive Landwirtschaft der DDR eingestellt worden sei. Die gegenwärtige Agrarstruktur in Europa trage generell nicht zum Umweltschutz bei, ganz im Gegenteil, sagt beispielsweise Reinhild Benning, Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, kurz BUND. Als Beispiel nennt sie die Überdüngung und die Folgen für die Gewässer.

    "Wir haben gerade hier in Deutschland das Ziel, die Überdüngung auf 80 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr zu senken. Wir liegen derzeit noch bei über 100 Kilogramm. Das bedeutet, Nitrat im Trinkwasser ist vorprogrammiert. Derzeit haben wir zu viele Ausnahmen in der Düngeregelung und eine weitere Aufweichung ist im Gespräch. Sodass wir das Ziel mit den bisherigen Regeln nicht erreichen werden. "

    Ein Weiter-so in der Agrarpolitik dürfe es deshalb nicht geben, so zumindest die Meinung von rund einem Dutzend Umwelt- und Entwicklungsgruppen heute Vormittag in Berlin. Beim Beispiel Düngung und Gewässerschutz verweist der Bauernverband darauf, dass es durchaus Anstrengungen gebe, dieses Problem anzugehen. Natürlich sei die Erdölabhängigkeit etwa bei der Erzeugung synthetischer Dünger ein Problem. Generalsekretär Helmut Born.

    "Eine Möglichkeit besteht darin, das wir Knöllchen-Bakterien, also Stickstoff-bindende Bakterien - die kommen bei Soja- und Ackerbohnen vor, auch beim Klee – mehr nutzen, dies bei vielen Ackerkulturen auch vermehrt anwenden. Damit kann auch der fossile Energieverbrauch gedrosselt werden. Das ist wichtig. "

    Einzelne Umweltverbände würden wichtige ökonomische Aspekte der deutschen Landwirtschaft gerne mal beiseiteschieben, so ein allgemeiner Gegenvorwurf des Bauernverbandes. Die deutschen Landwirte verzeichnen derzeit auch einen wirtschaftlichen Rückenwind. Vor allem beim Export kann derzeit zugelegt werden. Doch auch dies sorgt für Kritik – dies gehe zulasten von fairen Entwicklungschancen weltweit. BUND-Expertin Benning sieht darin auch keine tragfähige und nachhaltige Perspektive für die Landwirte.

    "Wir waren beispielsweise 2008 auf einem Rekordniveau bei den Schweinefleischexporten. Gleichzeitig mussten aber 17 Prozent der Schweinehalter in Deutschland aufgeben. Das heißt, der Export ist keine Perspektive für deutsche Bauern. Denn der Weltmarktpreis ist in aller Regel niedriger als die Produktionskosten in Europa. Ohne entsprechende Export-Subventionen kann die Ausfuhr der Waren nicht funktionieren. Da haben wir einen Wirtschaftssektor, der dauerhaft am Tropf der Öffentlichkeit hängt, wenn die Politik so weitermacht."

    Geht es nach dem BUND und vielen anderen Organisationen in diesem Bereich, dann sollten künftig nur noch Fördergelder für eine nachhaltige, am Tier- und Umweltschutz ausgerichtete und auch soziale Agrarpolitik fließen. Das sei unrealistisch, so der Deutsche Bauernverband.

    Diese Debatte geht mit dem heute beginnenden Deutschen Bauerntag, dem großen Gipfeltreffen der Branche, somit also bestimmt weiter.