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Streit um die Nachfolge von Ahmadinedschad

Mehr als 20 Männer bewerben sich um die Nachfolge von Irans Präsident Ahmedinejad. Bislang ist kein namhafter Reformer darunter. Bei den Wählern haben die lang anhaltenden Proteste und die massive Unterdrückung der Opposition bei der vergangenen Wahl bis heute Spuren hinterlassen.

Von Reinhard Baumgarten, ARD-Büro Teheran | 04.05.2013
    Im Frühjahr 2011 hat Mahmoud Ahmadinedschad sichtbar mit dem Versuch begonnen, seine eigene Machtbasis auszubauen. Damals hat der sechste Präsident der Islamischen Republik den Geheimdienstminister Haidar Moslehi entlassen. Doch auf Geheiß des Obersten Führers und Rechtsgelehrten Ayatollah Ali Khamenei kehrte Moslehi in sein Amt zurück. Seit dieser Zeit sprechen Beobachter der iranischen Innenpolitik von einem Machtkampf zwischen Präsident Ahmadinedschad und Revolutionsführer Khamenei. Dieser Machtkampf könnte über das Ende von Ahmadinedschads Präsidentschaft hinaus andauern. Denn der 56-jährige Noch-Präsident will seinen engsten Vertrauten Rahim Masha’i ins Rennen um seine Nachfolge schicken.

    "Die Hardliner hassen Rahim Masha’i. Weil er in vielerlei Hinsicht ihre Überlegenheit, ihr Arrangement, ihre Ziele bedroht. Er fordert sie heraus. Er hat nichts gesagt, aber jeder ist von ihm verwirrt. Das ist das Problem mit Rahim Mashā'i."

    Sagt der Politikwissenschaftler Sadegh Zibakalam.

    Rahim Masha’i ist der Schwiegervater von Mahmoud Ahmadinedschad Sohn Mehdi. Darüber, wofür er politisch steht, herrscht in der Islamischen Republik großes Rätselraten.

    "”Ist er ein Liberaler? Wir wissen es nicht. Ist er ein strenger, fanatischer Muslim? Wir wissen es nicht. Glaubt er an die Herrschaft des Rechtsgelehrten? Wir wissen es nicht. Hat er übersinnliche Kräfte? Wir wissen es nicht. Er könnte. Er könnte auch nicht. Manche sagen, er sei ein Zauberer. Alles, was über ihn zu hören ist, sind nur Gerüchte. Wir wissen es nicht.""

    Mehr als 20 Kandidaten bewerben sich gegenwärtig um die Nachfolge von Präsident Ahmadinedschad. Bislang ist kein namhafter Reformer darunter. Bislang sind es konservative bis erzkonservative Getreue des Obersten Führers Ali Khamenei. Der 73-Jährige ist Irans wirklich starker Mann – qua Verfassung, de jure und de facto. Nominell muss der Wächterrat jeden einzelnen Kandidaten abnicken. Der Wächterrat hat zwölf Mitglieder – sechs Geistliche, die von Ayatollah Khamenei ernannt werden. Und sechs Juristen, die das Parlament wählt. Gewählt werden dürfen aber nur Kandidaten, die vom Obersten Richter vorgeschlagen werden. Der Oberste Richter wiederum wird vom Obersten Rechtsgelehrten – also Ayatollah Khamenei - direkt ernannt. Der Wächterrat gilt zwar als eigenständiges Verfassungsorgan, de facto kann er aber als verlängerter Arm des Obersten Rechtsgelehrten wirken. Der von konservativen Klerikern und Juristen besetzte Wächterrat wird wahrscheinlich die Kandidatur von Rahim Masha’i ablehnen. In diesem Fall, so meint der Politikwissenschaftler Sadegh Zibakalam, hofft Amtsinhaber Ahmadinedschad auf ein Eingreifen Khameneis.

    "Bei den Wahlen 2005 ist das vorgekommen. Der Wächterrat hat Mustafa Mo'in zurückgewiesen, den Hauptkandidaten der Reformer. Dann hat der Oberster Führer eingegriffen und den Wächterrat ersucht, Mustafa Mo'in zuzulassen. Der Wächterrat sagte, wir gehorchen dir."

    Laut Verfassung ist der Iran eine Republik mit einem gewählten Parlament und einer Gewaltenteilung. Bislang haben die Führer Irans großen Wert auf Wahlen gelegt. Wie wichtig der bevorstehende Urnengang ist, unterstreicht Irans starker Mann, Ayatollah Ali Khamenei.

    "Die Wahlen sind das Symbol des politischen Epos. Sie sind das Symbol der Autorität des islamischen Systems, das Symbol der Ehre des Systems. Die Ehre der Islamischen Republik hängt von diesen Wahlen ab und davon, wie stark die Bevölkerung an den Wahlen teilnimmt, um die Führer des Landes zu bestimmen."

    Die Stimmung unter Irans Wählern ist sehr ambivalent. Der Ausgang der Präsidentenwahl vor vier Jahren, die lang anhaltenden Proteste und die massive Unterdrückung der grünen Opposition haben Spuren hinterlassen – bis heute. Sind die Wahlen wichtig? Zwei Stimmen aus dem zentraliranischen Yazd.

    "Ja, 100 Prozent. Das spielt doch eine wichtige Rolle für das Land. Jeder muss seine Stimme abgeben und seine Meinung äußern. So ist es besser aus meiner Sicht. Abgeben ist besser als nicht abgeben."

    "Bei den diesjährigen Wahlen? Weiß ich noch nicht. Vielleicht nicht. Mir fehlt die Motivation. Aber sollte unser Kandidat dabei sein, dann vielleicht doch. Der Grund ist die jetzige Situation. Wenn Sie hier fragen, dann finden Sie keinen, der zufrieden ist. Alle sind unzufrieden."

    Es geht bei der Wahl um die Ehre der Islamischen Republik, sagt Staatsführer Ayatollah Khamenei. Deshalb fordert er eine hohe Wahlbeteiligung. Treten keine Reformer an, kandidieren nur Konservative, gibt es kein Alternativangebot, dann droht die Wahlbeteiligung gering zu werden, weil viele uninteressiert sind. Rahim Masha’i, meint Sadegh Zibakalam von der Uni Teheran, könnte ebenso wie die früheren Präsidenten Rafsanjani und Khatami viele Wähler mobilisieren. Aber Maha’i ist der Adlatus von Amtsinhaber Ahmadinedschad, der bei Hardlinern in Ungnade gefallen ist.

    "Wahrscheinlich ist die genaueste Beschreibung der Beziehung zwischen Rahim Mashā'i und den Hardlinern die, dass die Hardliner Angst vor ihm haben. Sie fürchten ihn wirklich. Er mag keine Macht haben, aber sie fürchten ihn. Sie fürchten nicht Khatami oder Hashemi Rafsandschani. Aber Rahim Mashā'i fürchten sie."

    Noch dreht sich das Kandidaten-Karussell. Noch gibt es keine Entscheidung.