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Streit um EEG-Novelle
"Ein unglaubliches Bürokratiemonster"

Oliver Krischer, Energieexperte der Grünen, hat der Großen Koalition vorgeworfen, den Ausbau der erneuerbaren Energien mit der EEG-Novelle abzuwürgen. In Wahrheit gehe es darum, den Markt für die Kohlekraft zu sichern, sagte Krischer im DLF.

Oliver Krischer im Gespräch mit Gerd Breker | 25.06.2014
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    "Die erneuerbaren Energien sind eigentlich der Billigmacher der Energiewende" (dpa/picture alliance)
    Mario Dobovisek: Die meisten Bundespolitiker sind große Verfechter Europas und der europäischen Idee, aber nur, solange wie ihnen die Brüsseler Kollegen nicht ins Handwerk pfuschen so wie jetzt bei der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. So zumindest lautet die Berliner Lesart. Das neue Gesetz soll am Freitag im Bundestag beschlossen werden, damit die Energiewende vom Atomstrom hin zu den erneuerbaren Energien auch in den kommenden Jahren bezahlbar bleibt. Eigentlich war alles mit Brüssel abgesprochen, sagt die Bundesregierung, aber jetzt sollte Berlin noch einmal nachbessern, und zwar im Eiltempo.
    Am Abend hatte mein Kollege Gerd Breker Gelegenheit, mit Oliver Krischer zu sprechen, dem Fraktionsvize der Grünen im Bundestag. Seine erste Frage lautete: War mit einer solchen Einmischung aus Brüssel zu rechnen?
    Oliver Krischer: Es handelt sich um keine Einmischung aus Brüssel. Herr Gabriel ist ja schon seit Monaten in Brüssel unterwegs und eigentlich sollte er ja genau die Positionen der EU-Kommission kennen. Die Dinge, die dort aufgeführt wurden, sind seit langem bekannt. Wir hören immer von Frau Merkel und Herrn Gabriel, es sei alles geregelt, mit der EU-Kommission gebe es einen großen Konsens, man sei sich einig, alles sei klar, und es sei deshalb jetzt nicht so, dass das überraschend kommt. Deshalb staunen wir schon, dass jetzt Brüssel vorgeschoben wird. Tatsächlich geht es natürlich um einen Streit in den Koalitionsfraktionen.
    "Die Große Koalition hat das EEG verkompliziert"
    Gerd Breker: Nun wurde in aller Eile nachgebessert, repariert an diesem Gesetz. Herausgekommen ist ein kompliziertes Gesetz. Hat da eigentlich irgendjemand noch den Durchblick?
    Krischer: Nein. Es ist ein unglaubliches Bürokratiemonster, was da geschaffen worden ist. Das EEG sollte eigentlich verschlankt werden. Der Normenkontrollrat hat uns gesagt, Millionen Erfüllungsaufwand, immer komplexer, kaum mehr durchschaubar. Es sind allein 108 Beamte jetzt damit beschäftigt, die Ausnahmeanträge der Industrie zu prüfen. Eigentlich hat die Große Koalition das EEG nicht vereinfacht, sondern ganz, ganz erheblich verkompliziert.
    Breker: Der Zeitdruck ist ja objektiv vorhanden, denn diese Ausnahmeanträge, sie wollen ja gestellt sein und auch bearbeitet werden.
    Krischer: Der Zeitdruck ist da. Der ist aber leistbar. Das ist auf jeden Fall zu machen. Das hat die Große Koalition aber am Ende auch selber zu verantworten. Man hat den Druck ja immer weiter vorangetrieben. Man hat nicht auf Brüssel reagiert, man hat die Dinge schleifen lassen. Das kann aber nicht die Ausrede dafür sein, dass jetzt so Dinge wie die Sonnensteuer eingeführt werden, dass der Ausbau der Fotovoltaik, der Ausbau der dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung abgewürgt wird. Das ist nicht richtig, das ist eine falsche Entwicklung. Mit den Ausnahmetatbeständen wird hier quasi die Politik und die Öffentlichkeit erpresst.
    Breker: Allerdings hören wir aus der Industrie schon ein großes Wehklagen und Jammern.
    Krischer: Ja das kann ich nun überhaupt nicht nachvollziehen, weil wir haben 219 Branchen, das sind fast alle, die in den Genuss von Ausnahmetatbeständen kommen, und insofern kann die Industrie sich hier überhaupt nicht beklagen. Ganz im Gegenteil: Wir haben in Deutschland die niedrigsten Industriestrompreise seit Jahren. Es gibt eigentlich für die befreite oder teilbefreite Industrie kein Problem. Das was Sigmar Gabriel jetzt macht ist, dass die Befreiungen auf Bereiche ausgedehnt werden wie Panzerschmieden, Fruchtsafthersteller, Schlachtereien, alle die das nicht brauchen. Wir als Grüne sagen stattdessen, wir bräuchten eigentlich eine Konzentration auf die wirklich energie- und außenhandelsintensiven Branchen wie beispielsweise Chemie, Metallerzeugung und andere. Das wäre der richtige Weg, statt dass man jetzt mit der Gießkanne durch die Lande läuft und das immer weiter ausweitet.
    "Die erneuerbaren Energien sind eigentlich der Billigmacher der Energiewende"
    Breker: Lohnt es sich denn überhaupt noch, auf regenerative Energien zu setzen?
    Krischer: Natürlich! Ich sage mal, die Stromerzeugung aus Sonne und Wind ist inzwischen die günstigste Form der Erzeugung, wenn man neue Anlagen miteinander vergleicht, und wir müssen ja Klimaschutzziele erreichen. Wir brauchen eine nachhaltige Energieversorgung. Und das Teuerste und das Problematischste, was wir machen können, ist, dass wir neue fossile oder gar Atomkraftwerke bauen. Wenn Sie mal nach Großbritannien gucken, die wollen neue Atomkraftwerke bauen, das zu einem Preis, da ist jede Wind- oder Photovoltaikanlage heute konkurrenzfähig. Das heißt, die erneuerbaren Energien sind eigentlich der Billigmacher der Energiewende. Man muss nur den Rahmen richtig setzen. Das genau verpasst die Koalition aber jetzt. Sie würgt den Ausbau der erneuerbaren Energien mit dieser EEG-Novelle ab, unter fadenscheinigen Begründungen, dass das teuer sein soll, dass das die Industriestrompreise belastet. Das ist alles nicht richtig. Es geht in Wahrheit darum, für Kohlekraftwerke den Markt zu sichern, und das finden wir gerade auch aus Gründen des Klimaschutzes völlig falsch.
    Breker: Herr Krischer, die Energiewende war ja eine politische Entscheidung. Stimmt überhaupt der Grundgedanken, dass der Verbraucher dafür zahlen soll?
    Krischer: Zunächst geht es ja mal darum, dass wir eine Kostengerechtigkeit herstellen. Das haben wir im Moment ja nicht. Die privaten Verbraucher zahlen einseitig, während große Teile der Industrie befreit sind und sich nicht an den Kosten beteiligen. Und man muss ja immer die Frage der Alternative stellen. Wenn wir heute neue Kohle- oder Atomkraftwerke bauen würden – und das müssten wir, wenn wir nicht die Erneuerbaren ausbauen -, dann wird die Veranstaltung deutlich teurer. Dann bezahlen wir vielleicht nicht über den Strompreis, sondern wie in der Vergangenheit dann über die Steuern.
    Breker: Das nun reparierte Gesetz wird am Freitag im Bundestag behandelt. Wird das aus Ihrer Einschätzung und Ihrer Erfahrung nach, Herr Krischer, die letzte Änderung am Erneuerbaren-Energien-Gesetz gewesen sein?
    Krischer: Nein. Das ist ja das Verrückte, dass die Große Koalition ja jetzt schon das EEG 3.0 ankündigt, im Grunde genommen jetzt schon sagt, das ist alles nur Übergang, wir werden weitere Änderungen haben. Eigentlich habe ich immer gelernt, die Energiewirtschaft braucht Verlässlichkeit, braucht klare Rahmenbedingungen. Die schafft die Große Koalition nicht. Es wird über neue Ausschreibungsmodelle, es wird über neue Vermarktungsmodelle diskutiert, alle reden über andere Sachen. Es herrscht trotz der Tatsache, dass wir jetzt ein Gesetz verabschieden, eigentlich weiter völlige Konfusion, wie es mit der Energiewende und der Energiewirtschaft insgesamt weitergeht, und das schafft kein Vertrauen für Investitionen, die wir dringend brauchen.
    Dobovisek: Der Grünen-Politiker Oliver Krischer und die Fragen stellte mein Kollege Gerd Breker.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.