Freitag, 19. April 2024

Archiv


Streit um Fracking in Nordhessen

In Hessen soll es erst mal kein Fracking geben - so will es das Umweltministerium. Auch die vom kanadischen Unternehmen BNK Petroleum beantragte Erkundung lohnender Erdgaslagerstätten sollte nicht genehmigt werden. Doch nun klagt BNK gegen die Ablehnung. Die Opposition fordert Aufklärung.

Von Anke Petermann | 01.08.2013
    Die Klagebegründung liegt dem Umweltministerium mittlerweile vor. Fritz von Hammerstein, Hamburger Rechtsanwalt von BNK, gewährt dem Deutschlandradio einen Einblick. Schriftlich fasst er zusammen:

    "Kern ist, dass die Erkundung nicht aus sachlichen, sondern - entgegen der eindeutigen Rechtslage - aus politischen Gründen im Vorfeld der Landtagswahlen versagt wurde. Das Umweltministerium hat das Regierungspräsidium massiv zu dieser Entscheidung gedrängt, und zwar gegen die rechtliche und fachliche Überzeugung des Bergdezernats des Regierungspräsidiums.

    Die zuständigen Beamten haben immer wieder darauf hingewiesen, dass BNK alle Voraussetzungen für die Erlaubnis erfüllt hat. Sie haben mehrfach schriftlich gegen die rechtswidrige Ablehnung protestiert. Das wissen wir aus den Verwaltungsakten."


    Hat sich das Ministerium also über die eindeutige Rechtslage hinweggesetzt, um vor der Landtagswahl Ruhe an der Fracking-Front zu schaffen? Eine schriftliche Anfrage der SPD-Fraktion dazu beantwortete Umweltministerin Lucia Puttrich von der CDU schmallippig, bevor sie in den Urlaub abreiste:

    "Richtig ist, dass das Regierungspräsidium Darmstadt als zuständige Behörde in eigener Abwägung und Zuständigkeit entschieden hat."

    Und zwar aufgrund von zwei Gutachten im Auftrag des Umweltministeriums, einem geologischen und einem rechtlichen. Nur zu gern würden Sozialdemokraten und Grüne dieser Versicherung glauben, denn beide Fraktionen stufen Fracking als unzureichend erforschte Hochrisikotechnologie ein. Doch inzwischen mehren sich bei den Oppositionsfraktionen Zweifel daran, dass das Regierungspräsidium, bei dem die Bergbaubehörde angesiedelt ist, rechtssicher verhindert hat, dass Nordhessen zum Erkundungsgebiet wird. Angela Dorn, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, nimmt vor allem Ressortchefin Puttrich ins Visier:

    "Wir haben immer mehr Hinweise, dass es in der Bergbaubehörde immer mehr Widerspruch gab gegen die Umweltministerin, gegen die Gutachten. Und diese Widersprüche hätte sie auflösen müssen, und nun steht in den Akten sehr deutlich dieser Widerspruch, und das werfen wir der Umweltministerin vor."

    Weil die CDU-Politikerin damit dem Förder-Unternehmen BNK das Einfallstor für eine Klage eröffnet habe. Puttrich schloss aus den Gutachten, dass in über 80 Prozent des beantragten nordhessischen Erkundungsgebiets Trinkwasser- und Naturschutz, Verkehrs- und Siedlungsflächen das Gasbohren unmöglich machen würden und sah darin das K.-o.-Kriterium für die von BNK gewünschte Exploration.

    Sollte die Ministerin diese Sichtweise allerdings der Bergbaubehörde oktroyiert haben, obwohl diese selbst zu anderen Schlüssen kam, hätte die Ressortchefin wohl genauso ihre Amtspflichten verletzt wie die Behördenleitung, wenn sie wider besseres Wissen entschied. Mit einem dringlichen Berichtsantrag fordern die Sozialdemokraten erneut Auskunft. Timon Gremmels, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion:

    "Wir geben der Ministerin jetzt noch mal die Chance, im Umweltausschuss am 22.08. ausführlich dazu Stellung zu nehmen, denn uns geht es, um es noch mal deutlich zu sagen, darum, dass das rechtlich sauber abläuft. Wir sind gegen eine Aufsucherlaubnis in Nordhessen, allerdings mit rechtsstaatlich sauberen Mitteln, und wir befürchten, dass die Ministerin auf Zeit spielt, um nach den Landtags- und Bundestagswahlen zu kommen."

    In diesem Jahr wird das Verwaltungsgericht wohl nicht mehr entscheiden, schätzt eine Sprecherin. Doch der Zeitgewinn freut die Fracking-skeptische Opposition nicht, denn Grüne und SPD messen BNK Chancen zu, die versagte Erkundung gerichtlich zu erstreiten. Angela Dorn und Timon Gremmels:

    "Dorn: "Wir Grünen wollen ein Verbot toxischer Chemikalien. Wir Grünen sehen auch kein Potenzial von allen Technologien, die angeblich ohne Chemikalien auskommen können. Das Problem ist nämlich, dass das Tiefenwasser, das nach oben kommen würde, auch belastet ist mit Schwermetall, Quecksilber und Ähnlichem"".

    "Gremmels: "Also, wir haben der Ministerin immer gesagt, dass es falsch ist, eine Einzelentscheidung für BNK zu machen. Wir haben im Landtag immer gefordert, dass wir eine Änderung des Bergrechts brauchen. Wir haben zusammen mit den Grünen zweimal entsprechende Anträge für Bundesratsinitiative gestellt, Schwarz-Gelb hat diese immer abgelehnt – wir wären auf der deutlich sichereren Seite, wenn das Bergrecht auf Bundesebene verschärft würde, dafür setzen wir uns ein – vor und nach der Wahl.""

    Das Unternehmen BNK behält sich indes vor, vom Land wegen Amtspflichtverletzung in einem gesonderten zivilgerichtlichen Verfahren Schadensersatz zu fordern.