Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Streit um Handyverträge
Wirtschaftsministerium blockiert kürzere Vertragslaufzeiten

Wer vergisst, das Zeitungsabo oder den Handytarif rechtzeitig zu kündigen, bleibt oft ein weiteres Jahr im Vertrag hängen. Die Verbraucherschutzministerin will kürzere Mindestlaufzeiten und Kündigungsfristen. Doch der Gesetzentwurf steckt fest.

Panajotis Gavrilis | 20.01.2020
Junge Menschen stehen zusammen und nutzen ihre Smartphones.
Sind lange Laufzeiten bei Handyverträgen Abzocke? (picture alliance / Bildagentur-online/Tetra Images)
Geht es nach dem Verbraucherschutzministerium sollen typische Verbraucherverträge wie beispielsweise der Vertrag für das Fitness-Studio oder Handyverträge maximal für ein Jahr abgeschlossen werden und sich danach automatisch nur noch maximal um jeweils drei Monate verlängern. Bisher verlängern sich viele Verträge gleich um ein ganzes Jahr, wenn nicht rechtzeitig gekündigt wird.
Und auch das soll künftig einfacher werden: Die Kündigungsfrist soll auf einen Monat sinken. Bisher verlangen viele Unternehmen, dass die Kündigung mindestens drei Monate vor Vertragsablauf eingereicht wird.
"Diese langen Verträge haben System. Man will sozusagen die Trägheit, die Unerfahrenheit der Verbraucherinnen und Verbraucher nutzen, um Menschen möglichst lange an Verträge zu binden", so der zuständige Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, Gerd Billen.
Kürzere Laufzeit - mehr Wettbewerb
Er hält die typischen Zwei-Jahres-Vertragslaufzeiten für nicht mehr zeitgemäß. Kürzere Laufzeiten sind aus seiner Sicht gut für den Wettbewerb. Und Kundinnen und Kunden bekämen dadurch mehr Wahlmöglichkeiten.
"Ich kann mein Bankkonto mittlerweile innerhalb von zwei Tagen wechseln, ich kann den Stromanbieter einfach wechseln. Und deswegen finde ich, braucht es eine Verkürzung der Laufzeiten. Das erhöht die Freiheit der Verbraucher, selbst zu entscheiden: Ist der Vertrag so gut, ist der Service so gut, ich bleib bei dem Anbieter, ich bin sehr zufrieden. Dann läuft der Vertrag weiter. Oder will ich hier raus, weil ich einen anderen Anbieter oder ein besseres Angebot habe."
Das geplante Gesetz gegen Kostenfallen sieht noch weitere Änderungen vor. So sollen Verbraucherinnen und Verbraucher zuvor telefonisch abgeschlossene Verträge bei Gas- und Stromanbietern schriftlich bestätigen müssen.
Widerstand im Wirtschaftsministerium
Bereits im März des vergangenen Jahres wurde das Vorhaben angekündigt. Es ist nun fast ein halbes Jahr her, da hatte Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht den Gesetzentwurf vorgestellt und die Idee ihrer Vorgängerin konkretisiert. Und nun? Das Gesetzt befindet sich in der Ressortabstimmung. Seit Monaten herrscht Stillstand. Denn vor allem im Wirtschaftsministerium gibt es Widerstand gegen die Pläne.
"Es ist jetzt an der Zeit, dass eine öffentliche Diskussion über die Vorschläge stattfinden kann. Und das ist der Punkt, der uns wichtig ist. Hier muss auch das Wirtschaftsministerium seinen Widerstand aufgeben."
Günstiges Smartphone zum Vertrag
Das Wirtschaftsministerium schreibt auf Anfrage: Laufende Ressortabstimmungen könne man wie üblich nicht kommentieren. Man bringe sich konstruktiv ein, Verbraucherschutz sei ein wichtiges Anliegen. Und weiter heißt es wörtlich:
"Längere Laufzeiten sollte man nicht pauschal als ‚Abzocke‘ bezeichnen. Längere Vertragslaufzeiten können durchaus im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher sein, weil sie (wegen der längeren Kalkulationsgrundlage für die Anbieter) deutlich günstigere Konditionen bieten können."
Das gelte etwa bei einem Handyvertrag, bei dem es dann ein Smartphone günstig dazu gebe, so das Wirtschaftsministerium weiter.
Kunden nutzen Einjahresverträge nicht
Der Argumentation des Ministeriums folgt auch Jürgen Grützner, Geschäftsführer des VATM, des "Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten". Der Verband vertritt Anbieter wie Vodafone, 1&1 oder den Telefónica-Konzern, zu dem O2 gehört.
"Kaum ein Kunde hat ein Problem mit den Kündigungsfristen. Und überhaupt kein Kunde hat ein Problem mit den Vertragslaufzeiten, weil wir in unserem Bereich halt völlig freie Vertragslaufzeiten haben und schon seit langem Einjahresverträge anbieten müssen, die von den Kunden ganz überwiegend aber nicht genutzt werden. Wir wollen einfach das weiter tun dürfen, was der Kunde möchte und das sind in aller Regel Zweijahresverträge."
Laut Grützner nutzten knapp 40 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher Prepaid-Angebote, 60 Prozent seien vertraglich gebunden.
Eigeninitiative ist nötig
So reizvoll Einjahresverträge auch für manche Verbraucherinnen und Verbraucher klingen mögen: Vorerst dürfte sich an der aktuellen Praxis nichts ändern – denn eine politische Einigung scheint aktuell nicht in Sicht.
Wer auf Nummer sicher gehen und nicht ungewollt in ungünstigen Verträgen hängen bleiben möchte, muss deshalb selbst aktiv werden: Beispielsweise sich über einen Kalendereintrag an den spätesten Kündigungstermin erinnern lassen oder sofort nach Vertragsabschluss kündigen. Das ergibt häufig eine bessere Verhandlungsbasis, da Anbieter sich in der Regel um bessere Konditionen bemühen, um Kundinnen und Kunden nicht zu verlieren.