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Streit um Luftreinheit
EuGH: mehr Klarheit für Messstationen?

Geht es nach der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof, dann sollten europäische Grenzwerte für Feinstaub streng angewendet werden. Doch Bürger sollen Standorte von Messstationen gerichtlich überprüfen lassen können.

Von Paul Vorreiter | 28.02.2019
 Eine der schmutzigsten Straßen Deutschlands: Das Neckartor in Stuttgart. Die Messstation meldet hier regelmäßig erhöhte Feinstaubwerte.
EuGH-Generalanwältin will mit Gutachten mehr Klarheit zu Messstellen bringen (imago stock&people / Arnulf Hettrich)
Es ist zwar nur der Schlussantrag einer Gutachterin zu, doch sollte der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil zu dem belgischen Fall den Vorschlägen folgen, dürfte die Debatte über Standorte von Luftqualitäts-Messstationen in Deutschland nochmal an Fahrt gewinnen.
Die Gutachterin kommt zu dem Schluss, dass Messstationen dort aufgestellt werden müssen, wo die höchsten Konzentrationen zum Beispiel von Stickoxiden oder Feinstaubpartikel auftreten. So will es die EU-Luftqualitätsrichtlinie, deren Ziel es ist, Leben und Gesundheit von Anwohnern zu schützen.
Kein Mittelwert
Ob im Sinne dieser Richtlinie die Gesundheit bereits dort gefährdet ist, wo ein einziger Messwert überschritten wird? Die Gutachterin sagt: Überall, wo Grenzwerte überschritten werden, müsse das befürchtet werden. Es sei für das Gesundheitsrisiko nur eingeschränkt wichtig, ob die Grenzwerte im Durchschnitt in einem gesamten Gebiet überschritten werden. Soll heißen: Es muss kein Mittelwert aller Messstationen gebildet werden.
Richtig so, findet Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe:
"Das ist das, was in Deutschland in einer etwas absurden Diskussion infrage gestellt wurde. Man möchte in bestimmten Städten jetzt bewusst Messstationen in niedrig belasteten Wohngebieten aufstellen, Mittelwerte bilden, das ist einfach gesetzeswidrig."
Streit um Messstandorte
Zweifel an der Gesetzeswidrigkeit könnten Anwohner vor Gericht anmelden.
Die Gutachterin verweist allerdings auch darauf hin, dass die zuständigen Stellen bei der Wahl der Standorte-Orte auch Ermessensspielräume hätten. Ein Bericht des Europäischen Rechnungshofes hatte ebenso darauf hingewiesen, dass die EU-Luftqualitätsrichtiline den Mitgliedsstaaten ein gewisses Maß an Flexibilität gewähre. Deswegen würden die EU-Länder die Luftqualität nicht unbedingt in der Nähe großer Industriestandorte oder entlang von städtischen Hauptverkehrswegen messen.
In Deutschland hält das Bundesumweltministerium alle Messstellen für korrekt aufgestellt, hat aber zugesagt, das Messnetz noch einmal aufgrund der hitzigen Debatte zu überprüfen. Die Stellungnahme und ein ähnliches Urteil könnten auch die deutsche Automobilindustrie unter Druck setzen, meint Jürgen Resch von der Umwelthilfe:
"Ich hoffe jetzt mal, dass die Entscheidungen, die in diesem Jahr noch anstehen, noch etwa zwanzig andere Klagen werden jetzt entschieden oder wir kriegen es hin, außergerichtliche Einigungen hinzubekommen, dass die dazu führen werden, dass die schmutzigen Diesel entsprechend nachbehandelt werden, wenn das nicht eintritt, bin ich mir allerdings sicher dass sich Bürger auf eine ähnliche Urteilsbegründung des Europäischen Gerichtshofes berufen werden und sagen, jetzt ist Schluss mit lustig."
Das Urteil des EuGH wird in einigen Wochen erwartet. Die Richter folgen zwar oft der Einschätzung der Gutachter, aber nicht immer.